Muslimgauze
Muslimgauze ist der Künstlername oder vielleicht besser der Name des musikalischen Projekts von Bryn Jones (* 17. Juni 1961, † 14. Januar 1999), einem englischen Musiker aus dem Bereich der elektronischen Musik, der sein Werk der Unterstützung der arabischen Sache im Nahen Osten gewidmet hatte. Er sprach sich für die Hamas und die PLO aus und vertrat die Ansicht, dass Palästina von den Zionisten befreit werden müsse. Er wurde in Manchester geboren und hat selbst den Nahen Osten nie besucht, weil er es für falsch hielt, ein besetztes Land als Tourist zu betreten. Der Name Muslimgauze soll ein Wortspiel sein, zusammengesetzt aus engl. "muslin"(deutsch: Musselin) und engl. "gauze" (deutsch: Gaze) und natürlich Muslim. Trotz des Namens seines Musikprojekts betonte Jones, dass er an Religion nicht interessiert sei.
Er war ein ausgesprochener Gegner der Verwendung von Computern und Samplern in der Musik und nahm sein Material stets mit rein analoger Ausrüstung auf. Jones nahm sich selbst beim Spielen diverser im Nahen Osten gebräuchlicher Musikinstrumente, in erster Linie Perkussion, auf und nahm Stimmen und Geräusche aus der Region von alten Tonbändern auf oder aus Radiosendungen, die oft rhythmisch wiederholt werden. Alle seine Aufnahmen waren primär sozusagen live und wurden nachträglich bearbeitet und abgemischt. Das Ergebnis dieses Prozesses klang oft laut und statisch, mit plötzlichen Lautstärkewechseln. Muslimgauze machte sich nie Gedanken darüber, wie viele Exemplare seiner Produktionen wohl verkauft werden würden oder auch darüber, wieviele Leute seine Stücke jemals hören würden - ihm kam es vor allem darauf an, seine eigenen Vorstellungen verwirklichen zu können.
Muslimgauze hat eine erstaunliche Fülle von Alben produziert. Er veröffentlichte über 90 Alben bei 32 verschiedenen Labels mit insgesamt fast 2000 Stücken. Jedes einzelne davon war nach einem politischen Fakt oder Ereignis benannt oder davon inspiriert. Seine Alben wurden üblicherweise in Auflagen von 200 bis 1000 veröffentlicht. Durch die steigende Nachfrage kam es zu Nachpressungen, sodass nach aktuellem Stand 178 Alben auf sein Konto gehen - und es werden immer mehr (für dieses Jahr z. B. hat das Label Staalplaat wieder mehrere Alben angekündigt).
Er begann 1982 Musik zu produzieren, zunächst unter dem Namen E. g. Oblique Graph, damals um gegen die Besetzung des Libanons durch Israel zu protestieren. Unter diesem Namen veröffentlichte er vier Cassetten: Extendend Play (1982), Piano Room (1982), Triptych (1982) und Inhalt (1983). Danach änderte er seinen Namen in Muslimgauze und gab eine EP (Hammer & Sickle), seine erste LP (Kabul) und eine weitere Cassette (Opaques), heraus, alle 1983.
1990 wurde er beim Label Extreme angenommen, von wo er 1994 zum niederländischen Label Staalplaat und dem US-amerikanischen Soleilmoon wechselte. Er hatte für sieben Alben bis dahin kein Geld erhalten, sodass er in finanzielle Schwierigkeiten geraten war.
Seine Produktionsgeschwindigkeit war immer hoch. 1995 produzierte er sechs Alben, 1996 fünfzehn, 1997 neun und 1998 sechzehn. Nach seinem Tod veröffentlichten die diversen Labels, mit denen er zusammengearbeitet hatte, unveröffentlichtes Material und brachten vergriffene Alben neu heraus, sodass 1999 22 neue bzw. wiederveröffentlichte Alben erschienen.
Muslimgauze mochte Liveauftritte nicht und wurde auch selten zu welchen eingeladen. Er vertrat immer die Meinung, dass ihm die Zeit fehle, anderer Leute Musik zu spielen, aber in einem Interview gab er einmal an, traditionelle Musik aus Japan, dem Nahen Osten und Indien zu mögen, wie auch die Werke von Gruppen wie Can, Throbbing Gristle, Wire und Faust. Niemals jedoch vertraute er Fremden, wenn es um das Abmischen seiner Musik ging.
Man könnte zu der Annahme neigen, dass die ganze Sache mit der Politik und den arabischen Ländern ein etwas skurriler Marketinggag war. Dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Muslimgauze scheint persönlich eher scheu gewesen zu sein. Seine politische Position war vielleicht einseitig oder auch naiv, aber sie wurde von ihm konsequent und klar vertreten. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sein Engagement in den arabischen Ländern einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden wäre.
Am Mittwoch, der 30. Dezember 1998 wurde Bryn Jones mit einer unbekannten Erkrankung notfallmäßig in ein Krankenhaus in Manchester eingeliefert. Es stellte sich heraus, dass er an einer seltenen Pilzerkrankung litt. Die Behandlung blieb ohne Erfolg, die Organfunktionen versagten und er verstarb am 14. Januar 1999 um 22:50 GMT.
Wegen des ausserordentlichen Umfangs der Veröffentlichungen von Muslimgauze wird auf eine Discografie hier verzichtet. Ausführliche Informationen hierzu [1].
Zitate von Muslimgauze
"Sie mögen vielleicht Wodka. Ich mag arabische Kultur."
"Ich bin nicht religiös. Das bringt nur Ärger. Wenn andere Leute glauben, ist das deren Sache, für mich ist das nichts."
(auf die Frage nach Resonanz auf die Musik in den arabischen Ländern) "Null. Keine. Aber wir erwarten auch keine. Das ist nicht wichtig."
Quelle: [2]