Einzelsprache
Eine Einzelsprache ist eine menschliche Sprache, die ihren Sprechern ein vollständiges und abgeschlossenes Zeichensystem zur Kommunikation untereinander bietet. Beispiele für Einzelsprachen sind Deutsch, Japanisch oder Esperanto. Oft ist Einzelsprache ein Synonym für Abstandsprache.
Eine Einzelsprache unterscheidet sich von bloßen Sprachvarianten durch die Vollständigkeit; mit den Wörtern und Regeln einer Einzelsprache können sich Sprecher in allen Kommunikationssituationen verständigen. Sprachvarianten (Dialekt, Fachsprache, Soziolekt) dagegen ergänzen oder modifizieren Teile einer Einzelsprache. Sie bauen auf dem Grundgerüst der Einzelsprache auf; würden aber auf sich gestellt keine Kommunikation ermöglichen (so braucht auch die Fachsprache des Rechts Verben wie sein aus dem "normalen" Deutschen).
Einzelsprachen untereinander unterscheidet man durch das Kriterium des Nicht-Verstehens. Sprecher A und Sprecher B haben jeweils eine Muttersprache und sprechen nur diese. Wenn A zu B in seiner Sprache spricht, und B das Gesagte nicht versteht, dann sind die beiden Muttersprachen jeweils unabhängige Einzelsprachen.
Einzelsprache oder Dialekt?
Die unscharfe Definition, ab wann man sich versteht, macht die Abgrenzung zwischen echten Einzelsprachen einerseits und Dialekten andererseits oft zu einer politisch (oder soziologisch) motivierten ideologischen Entscheidung, die oft sogar bewusst linguistische Fakten ignoriert. Genau aus diesen Gründen sind die nachfolgenden Beispiele umstritten:
Dialekte, die als Einzelsprachen gelten
Vom Verstehenskriterium her werden diese Sprachen linguistisch allgemein als Dialekte klassifiziert, aber politisch gelten sie als eigene Sprachen. Die Motivation ist in allen Fällen die politische Abgrenzung von der Hauptsprechergruppe, die in einem anderen Staat lebt. Daher findet man solche Fälle auch ausschließlich in Europa und Asien, den zwei Kontinenten, in denen vor allem einheimische Sprachen und nicht Kolonialsprachen Amtssprachen sind. Der politische Prozess hinter der gewaltsamen Klassifizierung eines Dialekts als Einzelsprache wird sehr schön im Kapitel Moldawisch erklärt; siehe auch Serbokroatisch oder Indonesisch illustriert. Teilweise wird die Abgrenzung durch die Verwendung einer anderen Schrift gefördert.
Europa
- Luxemburgisch, Elsässisch = Dialekte von Deutsch
- Norwegisch (Bokmål) = Dialekt von Dänisch (oder umgekehrt)
- Färöisch = Dialekt von Isländisch (oder umgekehrt)
- Mazedonisch = Dialekt von Bulgarisch
- Weißrussisch, Ukrainisch = Dialekte von Russisch
- Moldawisch = Dialekt von Rumänisch (unterschiedliche Schrift bis 1989)
- Galizisch (in Spanien) = Dialekt von Portugiesisch
- Valencianisch = Dialekt von Katalanisch
Asien
- Aseri (Aserbaidschan) = Dialekt von Türkisch (unterschiedliche Schrift bis 2003)
- Urdu (Pakistan) = Dialekt von Hindi (Indien) (oder umgekehrt; zusammen auch als Hindustani bezeichnet) (unterschiedliche Schrift)
- Paschtu (eine der zwei Hauptsprachen in Afghanistan) = Dialekt von Persisch
- Lao = Dialekt von Thai (oder umgekehrt) (unterschiedliche Schrift)
- Indonesisch = Dialekt von Malaiisch
Einzelsprachen, die als Dialekte gelten
Die Sprecher können sich untereinander nicht verstehen, aber die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Staat führt dazu, dass die Regierung die Einzelsprachen "gewaltsam" als Dialekte einer gemeinsamen Staatssprache oder als Dialekt der Sprache der herrschenden Volksgruppe deklariert.
- Plattdeutsch vs. Deutsch
- Mandarin, Kantonesisch, Wu (und weitere Sprachen) vs. Chinesisch (Verständigung über einheitliche Schriftsprache)
- Kurdisch ("Bergtürkisch") vs. Türkisch (Erst Ende der 90er Jahre in Türkei als Einzelsprache anerkannt)
ähnlicher Fall:
- Arabisch: Gemeinsame Zugehörigkeit zum Islam und gemeinsame Schriftsprache verbindet untereinander unverständliche "Dialekte" (siehe Artikel für Details)
Verstehensgemeinschaften von Einzelsprachen
Viele Sprachen sind sehr nahe verwandt. Hier kann man zwischen Verstehen und Nicht-Verstehen eine weitere Stufe einschieben: Man versteht sich nicht auf Anhieb, aber man kann sich an die andere Sprache "gewöhnen", ohne explizit Grammatik und Wortschatz lernen zu müssen. In typischen Kommunikationssituationen sprechen Sprecher solcher Sprachen normalerweise jeweils ihre eigene Sprache untereinander. Bei sehr häufigem Kontakt kann eine neue Mischsprache entstehen.
- Deutsch, Niederländisch, Afrikaans
- Dänisch, Norwegisch, Schwedisch
- südslawische Sprachen (beispielsweise Serbokroatisch, Bulgarisch)
- westslawische Sprachen (vor allem Tschechisch und Slowakisch)
- iberische Sprachen (Spanisch, Portugiesisch, Katalanisch), Italienisch, Portugnol (Mischsprache zwischen Spanisch und Portugiesisch).
Für eine Liste von Einzelsprachen siehe: Kategorie:Einzelsprache