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Alfredo Alves Reinado

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Alfredo Alves Reinado, auch Reinhado geschrieben; (* 1967; † 11. Februar 2008 in Dili) war ein Freiheitskämpfer des osttimoresischen Widerstands gegen die indonesische Besatzung, nach der Unabhängigkeit Osttimors Kommandeur der Marine Osttimors, später Chef der Militärpolizei und schließlich einer der Führer der Anfang 2006 revoltierenden Soldaten. Seit seinem Ausbruch aus dem Gefängnis galt er mit seinen bewaffneten Getreuen als meistgesuchter Mann des Landes. Während die internationale Friedenstruppe ihn verfolgte, galt er bei vielen Bürgern als Held und genoss auch Unterstützung von Teilen der Politik. Reinado verübte am 11. Februar 2008 ein Attentat auf Staatspräsident José Ramos-Horta, bei dem Reinado selbst ums Leben kam.

Werdegang

Reinado wuchs in Gleno, im Distrikt Ermera auf. Die australische Zeitung Sydney Morning Herald beruft sich auf eine Aussage Reinados vor der osttimoresischen Wahrheits- und Freundschaftskommission (Commission for Truth and Friendship CTF), nach der er als Elfjähriger, während der indonesischen Besatzung Osttimors, von einem indonesischen Offizier verschleppt wurde. Ihm musste Reinado als Helfer zunächst in Osttimor, später auch in Sulawesi und Kalimantan dienen. Als er schließlich fliehen konnte, schloss er sich der FRETILIN an und wurde zum lokalen Helden. 1995 floh Reinado nach Australien und arbeitete in Perth auf einer Werft, bis er 1999 zum Unabhängigkeitsreferendum Osttimors in seine Heimat zurückkehrte. Reinados Vater und Schwester leben immer noch in Australien.

Nach der Unabhängigkeit Osttimors wurde Reinado Major der neu gegründeten Verteidigungskräfte Osttimors (FDTL). Er war damit einer von nur drei Soldaten aus dem Westen Osttimors (Loro Munu), die einen höheren Rang in den neuen Streitkräften bekamen. Die militärische Führung stammt durchweg aus dem Osten des Landes (Loro Sae). Reinado wurde Kommandeur der Marine, die aus zwei Schnellbooten besteht. 2003 und 2004 legte er in Australien Militärlehrgänge über Verteidigungs- und Notfallmanagement ab, im Juli 2004 wurde er auf einen Büroposten versetzt. Ab Juli 2005 absolvierte Reinado eine dreimonatige Marineausbildung am Australian Command and Staff College in Canberra. Auch durch die Streitkräfte Portugals und Brasiliens erhielt er Ausbildungen. Nach Reinados Rückkehr wurde er aber nicht wieder Marinechef, sondern sollte als Kommandant einer Militärpolizeieinheit gegen meuternde Ex-Soldaten vorgehen.

Die Unruhen von 2006

Anfang 2006 desertierten 600 der 1.600 Soldaten der Verteidigungskräfte aus Protest über die schlechten Arbeitsbedingungen und Beförderungsregelungen. Sie beschuldigen Premierminister Marí Alkatiri, er würde Soldaten aus dem Osten des Landes gegenüber jenen aus dem Westen bei den Beförderungen bevorzugen. Ende April protestierten 3.000 Menschen auf einer Demonstration in Dili, die von den inzwischen entlassenen Soldaten organisiert wurde.

Am 4. Mai desertierte Reinado zusammen mit 20 in Australien ausgebildeten Militärpolizisten, vier Polizisten und zwei Lastwagen voller Waffen und Munition. Er schloss sich den Rebellen an. Seine Basis wurde der Ort Aileu. Reinado forderte Präsident Xanana Gusmão auf, den Premierminister Marí Bin Amude Alkatiri zu entlassen und vor Gericht zu stellen. Reinado behauptet, Alkatiri habe am 28. April befohlen, auf unbewaffnete Demonstranten zu schießen. Als Militärpolizist habe Reinado Colonel Lere Anan Timor, den Stabschef von Brigadegeneral Taur Matan Ruak zu einer Besprechung mit Alkatiri begleitet. Danach habe der Colonel gesagt, er habe bereits den Befehl zum Einsatz erhalten. Falls Alkatiri nicht entlassen werden würde, drohte Reinado mit einem Bürgerkrieg. Gegenüber Präsident Xanana Gusmão nannte sich Reinado aber loyal.

Mitte Mai eskalierte die Gewalt erneut. In den folgenden Wochen blieben die Rebellen in den Hügeln bei der Hauptstadt, wo sie sich immer wieder mit FDTL-Truppen heftige Feuergefechte lieferten. Diese forderten viele Tote und Verletzte. Reinado und seine Leute verübten mehrere Angriffe auf die Hauptstadt Dili, darunter einen am 23. Mai, bei dem ein FDTL-Soldat getötet und sechs verletzt wurden. [1]

Später zog sich Reinado mit seinen Männern in die Berge bei Maubisse zurück. Er erklärte, er wolle die Rebellion beenden, sobald Premierminister Marí Alkatiri zurückgetreten sei. Alkatiri tat dies am 26. Juni 2006, nachdem Präsident Gusmão und Regierungsmitglieder ihn unter Druck gesetzt hatten.

In der Nacht des 25. Juli wurden Alfredo Reinado und 21 seiner Männer in Dili von australischen Soldaten verhaftet. Am Tag zuvor war die Amnestie für Waffenbesitz abgelaufen. Bei den Verhafteten wurden verbotene Handfeuerwaffen und Munition sichergestellt. [2] Reinado wurde am 27. Juli vor ein osttimoresisches Gericht geführt. Ihm drohten nun eine Haftstrafe von fünf Jahren wegen Mordes und Entwendung von Militäreigentum. 13 weitere seiner Männer wurden ebenfalls verschiedener Vergehen angeklagt. Die anderen ließ man frei.[3]

Flucht und Tod

Am 30. August gelang Reinado die Flucht aus dem Gefängnis. Auf einem Videoband erklärte er der Nachrichtenagentur Reuters, er sei geflohen, weil er dem Justizsystem in Dili nicht vertraue. Er wolle aber für seine Taten Verantwortung übernehmen, sobald die Justiz sich entwickelt habe. [4] Am 2. September gab Reinado dem staatlichen Fernseh- und Radiosender RTTL ein Interview, in dem er den neuen Premierminister José Ramos-Horta und dessen Regierung als unfähig bezeichnete. Währenddessen fahndeten die internationale Eingreiftruppe und die einheimischen Sicherheitsbehörden nach ihm. [5]

Später erklärte Reinado sich bereit, im Distrikt Ermera unter Aufsicht zu bleiben. Ende Februar 2007 floh er jedoch mit seinen Leuten. Man schrieb dem Trupp einen Überfall auf zwei Posten der Grenzpolizei zu, bei dem 23 teilweise schwere Waffen gestohlen wurden. Indonesien schloss daraufhin seine Grenze zu Osttimor. Präsident Gusmão ermächtigte die internationale Friedenstruppe zur Verhaftung von Reinado und bat auch Indonesien um Unterstützung.

Am 1. März 2007 wurde Reinado in Same zusammen mit 150 Mann von der australischen Armee eingeschlossen. Zu ihm gesellten sich Gastão Salsinha, einer der Anführer der rebellierenden Soldaten, und der Parlamentsabgeordneter der Partido Social Democrata (Osttimor) PSD Leonardo Isaac, um ihn zu unterstützen. Teile der Zivilbevölkerung flohen aus dem Ort. Reinado drohte der Regierung erneut mit Bürgerkrieg. Australien warf er eine illegale Invasion in Osttimor vor. Am Morgen des 4. März stürmten australische Einheiten, unterstützt von zwei Hubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen, den Ort. Vier Rebellen wurden getötet, doch Reinado und Salsinha konnten mit ihren Männern fliehen. Isaac blieb unverletzt. Nur einige Rebellen konnten gefangen genommen werden. In der Nacht darauf kam es zu Protesten und Ausschreitungen in Dili, Gleno und Ermera. Im April wurden wieder Verhandlungen zwischen den Rebellen und der Regierung aufgenommen. Nach der Präsidentschaftswahlen wurde bekannt, dass Reinado nun sich bereit erklärt habe sich zu ergeben.[6] Mitte Juli ordnete Generalstaatsanwalt Longuinhos Monteiro die australischen Truppen an, die Jagd auf Reinado einzustellen. Reinado und seinen Männern wurde sicheres Geleit zugesagt.[7] Doch nur wenige Tage später wurden Amnestie und die Zusicherung auf freies Geleit von Distriktrichter Ivo Rosa wieder mit der Begründung aufgehoben, Monteiro habe gar nicht das Recht zu dieser Zusicherung gehabt. Rosa drohte, der Vorgang müsse strafrechtlich untersucht werden.[8] Mitte August trafen sich Reinado und Ramos-Horta, der inzwischen Staatspräsident geworden war, persönlich zu erneuten Verhandlungen.[9]

Am 22. November 2007 führten die meuternden Soldaten eine Militärparade in Gleno durch, mit der sie deutlich machen wollten, dass sie sich immer noch als Teil der F-FDTL fühlen. Sie forderten damit die Wiederaufnahme in die Verteidigungskräfte. Reinado drohte vor 500 Zuschauern, er würde die Nation wieder destabilisieren und seine „Soldaten runter nach Dili führen“.[10]

Am 7. Februar 2008 feuerten Männer Reinados acht Warnschüsse auf eine australische Militärpatrouille ab. Die Australier zogen sich daraufhin zurück.[11]

Am 11. Februar 2008 verübte Reinado schließlich ein Attentat auf José Ramos-Horta. Zusammen mit einigen seiner Männer überfiel er das Wohnhaus des Präsidenten. Beim anschließenden Feuergefecht kam Reinado ums Leben. Ramos-Horta wurde schwer verletzt.[12] [13] Im März sollte in Dili eine Gerichtsverhandlung gegen Reinado wegen des Vorwurfs des achtfachen Mordes im Zusammenhang mit den Unruhen von 2006 beginnen.[14]

Reinado genoss besonders in der Region von Manufahi viel Unterstützung, da er neben freundschaftlichen Verbindungen auch den Mythos um Boaventura nutzte. Der Liurai von Manufahi, der zwischen 1895 und 1912 mehrere Rebellionen gegen die portugiesischen Kolonialherren führte, wird in Osttimor als Nationalheld und Symbol des nationalen Widerstands verehrt. Reinados Anhänger zogen hier Parallelen zwischen den heutigen und den historischen Rebellen.

Reinados Ehefrau Maria war zur Zeit des Anschlages in Perth, sein Vater Victor Alves lebt in Dili.[15][16] Mehrere hundert Anhänger Reinados versammelten sich am 13. Februar vor seinem Haus in Dili, als dessen mit der Flagge Osttimors und Tais bedeckte Sarg hier eintraf und riefen „Viva Reinado“.[17] Im Beisein seiner Anhänger wurde er hinter seinem Haus begraben.[18]

Einzelnachweise

  1. ABC, 23. Mai 2006, Soldier killed in Timor gun battle
  2. VoA, 26. Juli 2006, East Timor Rebels Arrested
  3. ABC, 28. Juli 2006, ETimor rebel leader charged over recent violence
  4. Reuters, 31. August 2006, International forces hunt for E.Timor rebel chief
  5. Sydney Morning Herald, 02. September 2006, Escaped Timor rebel makes appearance
  6. Herald Sun, 15.05.2007, East Timor rebel offers to surrender
  7. The Age, 20.07.2007, Search for Timor rebel called off
  8. The Australian, 24.07.2007, Judge revokes Reinado amnesty
  9. ABC, 23.08.07, E Timor President meets fugitive military rebel
  10. Sinchew, 23.11.07, East Timor: Fugitive Rebel Soldier Threatens New East Timor Government
  11. The Age, 11. Februar 2008, Critical Ramos Horta on life support
  12. theage.com.au, 11.02.2008, Gunmen attack Timor leader Ramos-Horta
  13. Spiegel Online: „Rebellen greifen Staatsspitze an – Präsident Ramos-Horta angeschossen“, 11. Februar 2008
  14. BBC, 11. Februar 2008, Who are East Timor's rebel soldiers?
  15. The Australian, 13. Februar 2008, Reinado's father in the dark over killing
  16. Reuters, 13. Februar 2008, East Timor seeking arrests over assassination attempts
  17. TVNZ, 14. Februar 2008, E. Timor extends state of emergency
  18. Sinchew, 14. Februar 2008, East Timor: Timorese Rebels Stormed President's Compound Firing Guns, Shouting 'Traitor!'

Siehe auch