Elisabeth (Russland)

Elisabeth Petrowna Romanowa (russisch Елизавета Петровна Романова, wiss. Transliteration: Elizaveta Petrovna Romanova; * 29. Dezember (18. Dezember julianisch) 1709 in Kolomenskoje bei Moskau; † 5. Januar 1762 (25. Dezember 1761 julianisch) in Sankt Petersburg) war von 1741 bis 1762 Kaiserin des Russischen Reiches. Mit ihrem Tod stirbt die ursprüngliche Dynastie der Romanow aus.
Jugend
Elisabeth wurde als uneheliches Kind Peters des Großen geboren und erst drei Jahre später durch die Heirat ihrer Eltern legitimiert und zur Großfürstin erhoben. Die Kindheit verbrachte sie in der Obhut ihrer Tante Praskowja Fjodorowna, zusammen mit der älteren Schwester Anna Petrowna. Unter den Fittichen der Tante entwickelte sich Elisabeth zu einer von starken religiösen Gefühlen durchdrungenen Person. Obwohl Peter der Große ausländische Lehrer zur Ausbildung seiner Kinder anstellte (Franzosen, Italiener, Deutsche), blieb Elisabeth höchst ungebildet und erlernte hauptsächlich Fremdsprachen. Nachdem sich die französischen Heiratspläne ihres Vaters zerschlagen hatten (Elisabeth sollte den König von Frankreich, Ludwig XV., heiraten), wurde sie mit Karl August von Holstein verlobt, zu dem die Großfürstin eine aufrichtige Zuneigung fasste. Dieser starb jedoch kurz vor der Hochzeit an den Pocken.
Elisabeth war die einzige Nachfahrin Peters des Großen, die das Erwachsenenalter erreichte. Nach seinem Tod wurde sie aber mehrfach von ihren Verwandten von der Thronfolge ausgeschlossen. Man versuchte, sie durch Heirat 'unschädlich' zu machen. Doch Elisabeth wehrte sich erfolgreich dagegen und blieb unverheiratet. Sie zog sich nach Ismailowo in der Nähe von Moskau zurück und führte dort das einfache Leben einer Gutsherrin. In dieser Zeit schloss sie mit einigen Leuten Freundschaft, die später, als sie Kaiserin geworden war, zu Bedeutung gelangten: Michail Larinowitsch Woronzow (später Vize- dann Großkanzler), Peter Iwanowitsch Schuwalow (Senatspräsident) und Alexej Grigorjewitsch Rasumowskij (ihr Liebhaber). Auch hatte Elisabeth, ähnlich wie ihr Vater, keine Scheu, sich unter das einfache Volk zu mischen – besondere Freude empfand sie dabei, Kinder niederer Herkunft bei der Taufe zu halten. Das blieb auch später so, sie war eine der volkstümlichsten Herrscherinnen Russlands.
Nach dem Tod Peters II. 1730 war Elisabeth - nach dem Testament ihrer Mutter Katharina I., - die rechtmäßige Thronerbin. Die Großfürstin hätte nur ihr Leben in Ismailowo aufgeben und nach Moskau, wo sich zu der damaligen Zeit der Hof aufhielt, fahren müssen, um ihre Thronrechte geltend zu machen. Aber sie unternahm nichts, obwohl ihr Leibarzt und Freund Lestocq sie auf Knien anflehte. So konnte es geschehen, dass der Oberste Geheime Rat, der ebenfalls von Katharina I. ins Leben gerufen worden war, ihre Halbcousine Anna Iwanowna, die Herzogin von Kurland, zur russischen Kaiserin erwählte. Die Historiker rätseln, warum Elisabeth sich damals nicht auf den Thron gesetzt hat. Sie selbst äußerte dazu: "Ich bin froh, es nicht getan zu haben, ich war zu jung und mein Volk hätte mich nicht akzeptiert."
Während der Herrschaft Anna Iwanownas lebte Elisabeth weiterhin meist fern vom Hof in Ismailowo oder in Saarakaja Mysa, dem späteren [Zarskoje Selo]. Sie beschäftigte sich dort hauptsächlich mit der Jagd, für die sie eine außerordentliche Leidenschaft hegte, oder mit der Aufführung von Theaterstücken. Die Theaterstücke karikierten oft das Leben am Hof der Kaiserin. Das forderte den Argwohn der Kaiserin heraus, die die Großfürstin mit einem Netz von Spitzeln umgeben und einige Personen aus der Umgebung der Großfürstin entfernen ließ. Nur zu offiziellen Anlässen erschien Elisabeth demonstrativ bei Hofe und stellte durch ihre Schönheit und ihren Witz Anna Leopoldowna in den Schatten, die Nichte der Zarin, die zur Thronfolgerin ernannt worden war. Nach dem Tode Anna Iwanownas gelangte aber nicht Anna Leopoldowna auf den Thron, sondern deren Sohn Iwan.
Regierungsantritt

Als die unpopuläre Regentin des kleinen Iwan VI., Anna Leopoldowna, Anna, Elisabeth wegen ihrer Heiratsunwilligkeit, wegen staatsfeindlicher Umtriebe und wegen ihrer Beliebtheit im Volke mit dem Kloster drohte, kam es im November 1741 zu einem Putsch: auf Drängen ihrer Anhänger – darunter ihr französischer Leibarzt Armand Lestocq – marschierte sie an der Spitze des Preobraschenskij-Regiments zum Winterpalast. Es war ein unblutiger Staatsstreich, keiner der Wachsoldaten des Winterpalastes leistete Widerstand. Der minderjährige Iwan VI. wurde mit seiner Regentin und Mutter Anna Leopoldowna gefangengesetzt. Anna Leopoldowna wurde nach der Legende von Elisabeth aufgeweckt mit dem Zuruf: „Schwesterchen, es ist Zeit aufzustehen.“ Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass sich die beiden Frauen in der Umsturznacht gesehen haben. Elisabeth rief sich zur Kaiserin aus (den Kaisertitel hatte Peter der Große 1721 eingeführt). Als Usurpatorin versuchte sie von Anfang an, ihre Macht zu festigen, indem sie die Privilegien des Adels ausweitete, und sie betonte stets, dass sie die Tochter Peters des Großen sei. Zudem stattete sie die Garde, die sie auf den Thron gehoben hatte, mit diversen Privilegien aus. Selbst eine gehorsame Tochter der Kirche, konnte Elisabeth sich sicher sein, dass die Geistlichkeit hinter ihr stand und ihre Machtansprüche in vielen Predigten und Denkschriften festigte.
Im April 1742 erfolgte die Krönung in Moskau. Elisabeth setzte sich die Kaiserkrone selbst aufs Haupt, was bis dahin kein russischer Herrscher gewagt hatte. Bei der Krönung schwor die Monarchin, künftig kein Todesurteil mehr zu unterzeichnen. Die Todesstrafe war damit zwar nicht abgeschafft, wurde aber unter ihrer Herrschaft nicht vollstreckt (die Urteile wurden in Verbannung umgewandelt.). Nicht abgeschafft wurde aber die Folter und vor allem die sehr brutale Knutenstrafe, die oft zum Tode führte.
Zur selben Zeit wurde mit den Anhängern des alten Regimes - Ostermann, Münnich, Mengden u.a. - in Form eines großangelegten und Schauprozesses abgerechnet. Die Angeklagten waren Deutsche - das russische Volk hasste die deutschen Staatsmänner, die mehrere Jahre Russland regiert hatten. Elisabeth wollte ein Exempel statuieren: erst auf dem Richtplatz erfuhren die Angeklagten, dass ihre Todesstrafen in Verbannungen umgewandelt worden waren. Die Familie des abgesetzten Iwan VI. wollte Elisabeth zunächst ins Ausland verbannen, nach der Verschwörung von 1743 wurde dieser Plan jedoch fallengelassen und die Familie nach Cholmogorij verbannt und der kleine Iwan VI. in Schlüsselburg gefangen gesetzt.
Regierungszeit
1743 musste Elisabeth eine Verschwörung niederschlagen, das sogenannte Lopuchin-Komplott: Einige Verschwörer, die sich um Natalja Lopuchina und den österreichischen Gesandten in Russland, Botta d' Ardorno, versammelt hatten, planten ihren Sturz. Obwohl die Idee mehr aus jugendlichem Leichtsinn entstanden war und der Kaiserin keine wirklich ernsthafte Gefahr gedroht hatte, reagierte sie äußerst grausam: Sie ließ die Verschwörer foltern (dabei schonte sie auch eine Hofdame nicht, die hochschwanger war) und verbannte sie „auf ewig“ nach Sibirien; befahl allerdings, dass Natalja Lupochina zur Verschärfung der Strafe die Zunge herausgerissen wird. Es ist jedoch nicht ganz eindeutig, ob dieser Befehl ausgeführt wurde.
Die Angst vor einem Staatsstreich, der sie stürzen könnte, beherrschte von nun an Elisabeth, die fortan jeden Tag in einem anderen Zimmer schlief, um ihr Leben vor einem nächtlichen Überfall zu schützen. In ihren späteren Regierungsjahren hatte die Kaiserin so starke Angst vor der Nacht, dass sie am Tage schlief und die Nacht durchwachte.
Elisabeth gilt in Russland als Inbegriff einer absolutistischen Herrscherin: Sie führte einen äußerst verschwenderischen Hof und ließ zahlreiche barocke Schlossanlagen erbauen (Großer Palast in Peterhof, Katharinenpalast in Zarskoje Selo und vor allem den Winterpalast in Sankt Petersburg). In ihrer Regierungszeit wurde das erste russische Nationaltheater gegründet, 1755 auf Anregung des Universalgelehrten und Schriftstellers Michail Lomonossow in Moskau die erste russische Universität eröffnet und die Akademie der Künste in Sankt Petersburg aufgebaut.
Allerdings verlor Elisabeth relativ bald nach ihrem Machtantritt ihr Interesse an den wirklichen Regierungsgeschäften und ließ ihren Beratern oftmals vollkommen freie Hand. Das hing auch damit zusammen, dass ihr Gesundheitszustand sehr schwankend war. Vor allem in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts war die Kaiserin häufig krank und sogar mehrfach dem Tode nahe.
Innenpolitisch konnte Elisabeth das Reich stabilisieren. Allerdings war einer Reihe von Reformen nur dürftiger Erfolg beschieden. Die Schaffung eines neuen Gesetzbuches durch eine eigens einberufene Gesetzeskommission kam nicht über die ersten Anfänge hinaus (und scheiterte vor allem an der Weigerung Elisabeths, die Gesetze durch ihre Unterschrift zu ratifizieren, da sie, nach ihrem Ausspruch, „mit Blut“ geschrieben seien). Auch die erste allgemeine Landesvermessung scheiterte nach den ersten Erfolgen schließlich, da man sich in Streitigkeiten mit den Gutsbesitzern verzettelte. Diese versuchten, auf Kosten des staatseigenen Landbesitzes ihre Güter zu vergrößern.
Die Impulse zu diesen innenpolitischen Reformen gingen vor allem auf Peter Iwanowitsch Schuwalow zurück. Er war zu Macht und Größe gekommen, nachdem einer seiner Verwandten, sein Cousin Iwan Iwanowitsch Schuwalow, zum Favoriten der Kaiserin emporgestiegen war. Ein anderer Schuwalow, Alexander Iwanowitsch, war Chef der Geheimen Kanzlei der Kaiserin – der Staatspolizei. Er war der gefürchtete Inquisitor des Reiches.
Problematisch war die Religionspolitik der Kaiserin: Selbst sehr religiös, versuchte sie vor allem die Moslems in ihrem Reich zu missionieren und gründete eigens dafür die Kanzlei für Heidenbekehrung. Dabei ging es nicht ohne Blutvergießen zu. Besonders die Altorthodoxen hatten unter starken Repressalien zu leiden, und es kam zu zahlreichen rituellen Selbstverbrennungen. Berühmtheit erlangte die Kommission zur Aufspürung außerehelicher Verhältnisse. Auch Juden gegenüber war die Kaiserin feindlich eingestellt. 1742 befahl sie, die wenigen im Russischen Reich lebenden Juden des Landes zu verweisen. Als der Senat versuchte, ihren Ausschaffungsbefehl zu widerrufen und darauf hinwies, dass der Handel in Russland und der Staat dadurch in Mitleidenschaft gezogen würden, entgegnete die Kaiserin: „Ich will keinen Nutzen von den Feinden Christi.“ Siehe dazu Geschichte der Juden in Russland.
Lag die Innenpolitik in den Händen Peter Iwanowitsch Schuwalows – der sich, obwohl ein guter Staatsmann, nicht scheute, sich zu bereichern, wo immer es ging – lag die Außenpolitik in den Händen Alexei Petrowitsch Bestuschew-Rjumin, der 1744 zum Großkanzler ernannt worden war. Dieser hatte allerdings in den späteren Jahren hauptsächlich gegen die Intrigen des Vizekanzlers Michail Larionowitsch Woronzows anzukämpfen. Dieser ging schließlich als Sieger hervor und Alexei Petrowitsch Bestuschew-Rjumin musste den Weg in die Verbannung antreten.
Im Alter wurde der Charakter der Monarchin immer seltsamer: Sie liebte die absolute Einsamkeit, schlief den Tag über und war in der Nacht wach, oft betete sie stundenlang auf Knien vor ihren Ikonen. Sie dachte an Abdankung und ließ das Smolny-Auferstehungs-Kloster in Sankt Petersburg erbauen, wohin sie sich als Nonne zurückziehen wollte. Elisabeth war häufig krank und ließ sich oft wochenlang in der Öffentlichkeit nicht sehen, um ihren Gesundheitszustand zu verbergen. 1757 erlitt sie bei einem Gottesdienst in Zarskoje Selo, der gut besucht war, vor den Augen des Hofes einen Schlaganfall und ihr Gesundheitszustand wurde allgemein bekannt.
Als besonders schweres Problem galt ihr ihre Nachfolge: Obwohl sie ein langes Liebesverhältnis zu Alexej Rasumowskij (einem Mann einfacher Herkunft, den sie kurz nach ihrer Thonbesteigung wahrscheinlich heimlich geheiratet hat) und später zu Iwan Iwanowitsch Schuwalow unterhielt, war sie kinderlos geblieben. Das Haus Romanow war aber in seiner männlichen Linie bereits 1730 mit Peter II. ausgestorben. Also ernannte Elisabeth den Sohn ihrer Schwester Anna Petrowna Peter Fjodorowitsch (geborener Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorp) zum Nachfolger. Elisabeth liebte ihren Neffen nicht, und seine politischen Ansichten entsprachen ihr nicht, weil er ein Bewunderer Friedrichs II. von Preußen war, gegen den sie im Siebenjährigen Krieg an der Seite Österreichs kämpfte. Sie konnte es noch erleben, dass ihre Truppen Ostpreußen besetzten und in Berlin einmarschierten. Dieser Krieg forderte von Russland ungeheure Kraftanstrengungen und brachte den Staat an den Rand des Ruins (Inflation).
Je kränker die Kaiserin wurde, desto mehr wandten sich die Höflinge von ihr ab und versuchten, dem Thronfolger zu gefallen. So wurden die Erfolge der russischen Armee an der Heimatfront vernichtet, wo man eine preußenfreundliche Politik betrieb. Elisabeth reagierte abermals grausam und ließ mehrere Personen nach Sibirien verbannen.
Elisabeth starb 1762, nur 52 Jahre alt. Nach ihrem Tod wurden ihre militärischen Erfolge gegen Preußen von ihrem Nachfolger, Peter III., zunichte gemacht. Im Übrigen hinterließ sie das Reich hochverschuldet.
Literatur
- Daria Olivier: Elisabeth von Russland. Die Tochter Peter des Großen. Wien 1963.
- Tamara Talbot Rice: Elisabeth von Russland. Die letzte Romanow auf dem Zarenthron. München 1970.
Weblinks
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Iwan VI. | Zarin von Russland 1741–1762 | Peter III. |
Personendaten | |
---|---|
NAME | Elisabeth von Russland |
ALTERNATIVNAMEN | Elisabeth Petrowna |
KURZBESCHREIBUNG | Russische Zarin |
GEBURTSDATUM | 29. Dezember 1709 |
GEBURTSORT | Moskau |
STERBEDATUM | 5. Januar 1762 |
STERBEORT | Sankt Petersburg |