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Verfassung vom 3. Mai 1791

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Die Verabschiedung der Mai-Verfassung am 3. Mai 1791, zur Zeit des Vierjährigen Sejms im Warschauer Königsschloss (Gemälde von 1806)
Titelblatt des Erstdrucks der Maiverfassung von Piotr Dufour aus dem Jahre 1791
König Stanislaus II. August (links) betritt die Johanneskathedrale in Warschau, wo die Sejmabgeordneten ihren Treueid auf die Mai-Verfassung schwören werden; im Hintergrund das Warschauer Königsschloss, wo die Verfassung verabschiedet wurde (Gemälde von Jan Matejko)

Die Verfassung vom 3. Mai von Polen-Litauen (Rzeczpospolita) wurde am 3. Mai 1791 im Warschauer Königsschloss vom Sejm verabschiedet. Sie gilt als die erste moderne Verfassung Europas, als zweite überhaupt nach der Verfassung der Vereinigten Staaten. Zur Ehren der Mai-Verfassung wurde der 3. Mai Polens Nationalfeiertag.

Vorgeschichte

Polen-Litauen hatte im 17. Jahrhundert und 18. Jahrhundert mehrere militärische Auseinandersetzungen gegen seine imperialistischen Nachbarn führen müssen, die Niederlagen und Verwüstungen trieben das Land an den Rand des Ruins, dazu gehörten:

In der Folge der Kriege hatte es seine Vormachtstellung in Mittelosteuropa eingebüßt – diese war in der Folge an Russland unter den Romanow (in Osteuropa) und an Brandenburg-Preußen unter den Hohenzollern (in Mitteleuropa) übergegangen.

Die Wahlmonarchie Polen-Litauen wurde zunehmend ein „Spielball“ unterschiedlicher Interessen sowohl von außen wie auch im Innern und verfiel langsam der Dekadenz, Agonie und politischer Anarchie. Die Zeichen des allgemeinen Verfalls äußerten sich durch die dauerhafte Blockade des Parlaments mittels des Liberum Veto, der Bildung von adligen, legalen Konföderationen gegen die Interessen des Staates und des Königs, wenn zum Beispiel die Magnaten ihre Rechte der Goldenen Freiheit durch den König beschnitten sahen.

Vorsichtige Reformbemühungen von König Stanislaus II. August, der 1764 nach dem Tod Augusts III. zum König gewählt wurde, führten zur Intervention Russlands, der sich Stanislaus II. August beugte, wogegen sich die Konföderation von Bar, ein Streitbund oppositioneller Adliger sowohl gegen den König als auch gegen Russland, formte.

Deren militärische Niederlage mündete 1772 in der Ersten Teilung Polens. Diese Ereignisse führten im geschrumpften Staat letztlich zu einer Stärkung des Reformlagers um Hugo Kołłątaj, Stanisław Staszic und Ignacy Potocki, so dass ernsthafte innere Reformen möglich wurden, die während des Vierjährigen Sejms in der Ausarbeitung und Verabschiedung der Verfassung von 1791 gipfelten.

Die Verfassung und ihre Folgen

Der Bürgerstand erhielt die gleichen Rechte wie der Adel, eine demokratisch gewählte Volksversammlung sollte eine Regierung berufen, der König sollte im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie rein repräsentative Funktionen übernehmen (etwa so wie heutzutage in Spanien). Der „heilige römisch-katholische Glaube“ wurde zur „Nationalreligion“ erklärt bei gleichzeitiger Garantie der Religionsfreiheit für andere Bekenntnisse aber einem Verbot zum Übertritt zu diesen bei Strafe der Apostasie.

Die Verfassung vom 3. Mai wurde von den Nachbarländern Polens, nicht zuletzt wegen der zeitgleichen Vorgänge in Frankreich, als eine Bedrohung für deren absolutistische Herrschaftsform gesehen und nach der Konföderation von Targowica und der Intervention Russlands, die im Russisch-Polnischen Krieg von 1792 gipfelten, von Preußen unter Friedrich Wilhelm II. und dem Russischen Reich unter Katharina II. im Rahmen der Zweiten Teilung Polens 1793 außer Kraft gesetzt.

Zitate aus dem Inhalt

  • "Die Herrschende Nationalreligion ist und bleibt der heilige römisch-katholische Glaube mit allen seinen Rechten, Der Übergang von dem herrschenden Glauben zu irgend einer andern Confession wird bei den Strafen der Apostasie untersagt. Da uns aber eben dieser heilige Glaube befiehlt, unsern Nächsten zu lieben; so sind wir deshalb schuldig, allen Leuten, von welchem Bekenntnisse sie immer auch seyn mögen, Ruhe in ihrem Glauben und den Schutz der Regierung angedeihen zu lassen. Deshalb sichern wir hiemit, unsern Landesbeschlüssen gemäß, die Freiheit aller religiösen Gebräuche und Bekenntnisse in den polnischen Landen." (I. Artikel)
  • "Jede Gewalt in der menschlichen Gesellschaft entspringt aus dem Willen der Nation." (Beginn des V. Artikels)
  • "Die vollziehende Gewalt soll keine Gesetze weder geben noch erklären, keine Abgaben und Steuern, unter welchem Namen es auch sey, auflegen, keine Staatsanleihen machen, die vom Reichstage gemachte Eintheilung der Schatzeinkünfte nicht abändern, keine Kriege erklären, keinen Frieden, keinen Tractat und keine diplomatische Acten definitiv abschließen können. Es soll ihr bloß freistehen, einstweilige Unterhandlungen mit den auswärtigen Höfen zu pflegen, ingleichen einstweiligen und gemeinen Bedürfnissen zur Sicherheit und Ruhe des Landes abzuhelfen; aber hievon ist sie verpflichtet, die nächsten Reichstagsversammlung Bericht zu erstatten." (Auszug aus dem VII. Artikel)
  • "Die richterliche Gewalt kann weder von der gesetzgebenden, noch vom Könige [Anm.: also der vollziehenden Gewalt] ausgeübt werden, sondern von den zu diesem Ende gegründeten und erwählten Magistraturen." (Beginn des VIII. Artikels)

Die obigen Übersetzungspassagen sind entnommen aus : K.H.L. Pölitz, Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789, 3.Bd., F.A. Brockhaus, Leipzig 1833.

Siehe auch

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