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Elektronische Gesundheitskarte

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Die elektronische Gesundheitskarte (auch elektronische Patientenkarte genannt) soll nach Ansicht ihrer Befürworter in Deutschland eine leistungsfähige Chipkarte sein, die die Datenübermittlung zwischen medizinischen Leistungserbringern, Krankenkassen, Apotheken und Patienten in Zukunft kostengünstiger gestalten sowie entscheidend vereinfachen und beschleunigen soll. Allerdings ist bislang nicht geklärt, wie die Architektur beschaffen sein und wo die Daten hinterlegt werden sollen. Gesicherte Aussagen über die Leistungsfähigkeit sind daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich.

Rund 80 Millionen gesetzlich Krankenversicherte sollen vom 1. Januar 2006 an diese Chipkarte erhalten. Dies sieht das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung rechnet allerdings damit, dass die Ausgabe zwar 2006 beginnen, aber erst "in einigen Jahren" abgeschlossen sein wird.

Vorgesehene Struktur

Die Chipkarte soll ein Foto des Versicherten enthalten und die elektronische Übermittlung ärztlicher Verordnungen (z. B. Rezepte) erlauben. Die Karte enthielte außer einer Reihe relevanter persönlicher Informationen (Geburtsdatum, Krankenkasse, Adresse, Zuzahlungsstufe, etc.) eine Art elektronischen Schlüssel. Informationen zu aktuellen und früheren Erkrankungen und Behandlungen, Angaben zur Notfallversorgung etc. sollen auf zentralen Servern gespeichert werden können. Zugriff auf diese Informationen sollen nur Ärzte und Apotheker über eine gesicherte Online-Verbindung bekommen. Dafür brauchten sie einen elektronischen Arztausweis (Health Professional Card). Nur bei gemeinsamer Verwendung von Health Professional Card und Patientenkarte sind Zugriffe durch Leistungserbringer möglich. Die Chipkarte soll über eine PIN geschützt werden, die dem Patienten separat ausgeliefert wird. Durch Eingabe der PIN wird der Zugriff auf den Informationsbestand über die Patientenkarte erst ermöglicht.

Kostenerwartungen

Die Umstellungskosten von der bisherigen Versichertenkarte mit Speicherchip auf die neue Gesundheitskarte mit Mikroprozessorchip werden von der auf Chipkarten und Sicherheitstechnologien spezialisierten Firma Giesecke & Devrient auf 1,7 Milliarden Euro geschätzt. Man erhofft sich andererseits Einsparungen, zum Beispiel durch die Einführung des elektronischen Rezeptes. Die Krankenkassen veranschlagen zur Zeit für jedes der jährlich 700 Millionen Rezepte Bearbeitungskosten von 40-50 Cent.

Die Finanzierung der Karten, der Lesegeräte und der technischen Infrastruktur in den Arztpraxen und Krankenhäusern ist noch offen. Das Bundesgesundheitsministerium geht davon aus, dass die Kosten im Wesentlichen von den Leistungserbringern und Krankenkassen aufgebracht werden. Allerdings könnte dies zu einer Beitragssatzsteigerung führen. Die Industrie hat großes Interesse an dem Projekt gezeigt und eine Vorfinanzierung angeboten.

Ärzte-Vertreter und Krankenkassen haben sich – laut Pressemeldung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 8. August 2004 – auf Eckpunkte der Finanzierung geeinigt. Die Einführung der Gesundheitskarte soll demnach 1,6 Milliarden Euro kosten. Davon sollen die Kassen den größten "Batzen" übernehmen. Ärzte, Kliniken und Apotheker müssten sich mit 600 Millionen beteiligen.

Kritikerstimmen, Datenschützer

Einige Krankenkassen, Ärzteverbände und Politiker bezweifeln, ob der geplante Termin für die Einführung eingehalten werden kann. Sie befürchten ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Einführung der LKW-Maut in Deutschland. Zudem befürchten Kritiker, dass die Karte das Recht der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Die elektronische Gesundheitskarte wurde daher mit dem deutschen Big Brother Award 2004 ausgezeichnet. Nach Meinung des BMGS (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) soll der Patient der „Herr seiner Daten“ sein und bleiben. Das setzt voraus, dass er in die Lage versetzt wird, die über ihn gespeicherten Daten einsehen zu können. Dafür ist im häuslichen Bereich ein spezielles Lesegerät notwendig, auch muß bei der gewünschten Serverlösung ein Weg eröffnet werden, dem Patienten Zugriff an seine dort gespeicherten verschlüsselten Daten zu ermöglichen.

Anfälligkeit und andere Anwendungsprobleme

Die Erfahrung zeigt, dass Chipkarten sehr anfällig gegen versehentliche Beschädigungen sind. Kritiker, Datenschützer, Böswillige und Saboteure könnten sich dies zu Nutze machen, indem sie massenhaft die neuen Chipkarten aus Versehen in die Mikrowelle legen, mit Magnetstreifen an Pinwänden befestigen und vieles mehr. Diese könnte in den Praxen zu erheblichem Mehraufwand und sogar zum Scheitern des gesamten Projektes führen. Viele Situationen der ärztlichen Tätigkeit sind in der bisherigen Planung kaum berücksichtigt worden. Dazu gehören nicht planbare Situationen wie schwere Unfälle mit z.B. mehreren Verletzten, Versorgung durch den Notarztwagen, etc. Auch ist ungeklärt, wie der Zugriff an die Patientendaten gelingen soll, wenn der Patient den eigenen Ausweis nicht mit sich führt.

Vergleich mit Gesundheitskarten-Projekten im Ausland

In Österreich ist im Dezember 2004 der Testlauf für eine "e-card" vorgesehen, die in der ersten Ausbaustufe den Papier-Krankenschein ersetzen soll.

In den USA läuft derzeit ein Gesundheitskartenprojekt an, das noch weit fortgeschrittener ist: die Gesundheitskarte soll dort durch einen kleinen subcutanen Chip ersetzt werden. Allerdings haben Bürgerrechtler deutliche Bedenken dagegen. (1)

Literatur

Balthasar, Dirk: Integration von Versicherten-Daten in telematische Strukturen desGesundheitssystems unter Berücksichtigung des Akzeptanzproblems. Masterarbeit 2003

Warda, Frank; Noelle, Guido: Telemedizin und eHealth in Deutschland - Materialien und Empfehlungen für eine nationale Telematikplattform. Veröffentlicht in der Schriftenreihe des DIMDI.

Mario Lehmann, Joachim Preißler: Vertrauen-bildendes- und Betriebssystem - ein Modell zum Umgang mit persönlichen Daten veröffentlicht unter www.Gesundheitskunde.de 10/2004

Siehe auch