Hausbuch (Schloss Wolfegg)

Das Mittelalterliche Hausbuch von Schloss Wolfegg ist ein nach 1480 entstandenes kalligraphisches und illustriertes Kompendium, in dem ein Sammler bürgerlicher oder adeliger Herkunft eine thematisch einzigartige Zusammenstellung von praktischem Wissen aufzeichnen ließ. Berühmt ist das Hausbuch jedoch für seine Bilderpracht, die die Texte in den Hintergrund treten lässt. Die figurenreichen Federzeichnungen des namentlich unbekannten Hausbuchmeisters und seiner Werkstatt gewähren einen lebendigen Einblick in die Weltauffassung des späten Mittelalters.
Zum Begriff
Als Hausbücher werden von Gelehrten verfasste und seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert bekannte Sammelhandschriften berufs- oder standesbezogener Inhalte bezeichnet; diese Schriften wurden zunächst von der adeligen Oberschicht, im 16. Jahrhundert auch von wohlhabenden und gebildeten Bürgern in Auftrag gegeben. Unterschieden werden drei unterschiedliche Typen der in den Hausbüchern gesammelten Texte: die sogenannte Hausväterliteratur, in der es vor allem um die richtige Bewirtschaftung, die oikologia, eines Hauswesens geht, die Artesliteratur mit Beschreibungen des Waffen- und Kriegswesens (wie sie zum Beispiel im Mittelalterlichen Hausbuch von Schloss Wolfegg enthalten sind) und die Erbauungsliteratur, die Zusammenstellung geistlicher Texte für den Hausgebrauch. Darüber hinaus finden sich in den Hausbüchern auch Texte, die sich auf die Biographie des Auftraggebers beziehen oder auf diesbezügliche besondere Ereignisse eingehen. Hausbücher sind sowohl für die Literaturwissenschaft als auch für die Geschichtswissenschaft von hohem Rang, weil sie, zumal in ihren Illustrationen, einzigartige Quellen darstellen für eine Vorstellung des spätmittelalterlichen Lebens.[1]

Inhalt und Aufbau
Von den ursprünglich 98 Pergamentblättern sind 63 erhalten. Auf ihnen finden sich 47 (teil-)kolorierte Federzeichnungen im Format 25 x 15 cm (ganzseitig) bzw. 35 x 26 cm (doppelseitig), die zum großen Teil auf die (lateinischen und deutschen) Texte Bezug nehmen. Die Themen der Illustrationen reichen von den Familienwappen des Auftraggebers und astrologischen Planetenbildern über den adeligen Zeitvertreib (Turniere, Jagd, Bade- und Frauenhäuser, amouröse Szenen) bis hin zu technischen Illustrationen in der Tradition des Bellifortis (Haus-, Handwerks- und Kriegsgeräte, Bergwerkstechnik sowie militärische Strategien).
Provenienz
Im 17. Jahrhundert gelangte das Hausbuch in den Besitz des Reichserbtruchsessen Maximilian Willibald Waldburg-Wolfegg und wurde seitdem in Schloss Wolfegg im oberschwäbischen Wolfegg aufbewahrt. Es wurde entsprechend dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung unter der Nummer 01404 als nationales Kulturgut verzeichnet. Im Februar 2008 bestätigte das Haus Waldburg-Wolfegg-Waldsee den Verkauf an einen nicht genannten inländischen Käufer.
Forschung
Hausbücher wurden zwar seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert erwähnt, zum Beispiel von dem Bibliothekar Johann Christoph Adelung[2], ihnen aber in der älteren Forschung des 19. Jahrhunderts, die sich zunächst auf die literarischen Texte des Mittelalters konzentrierte, wegen ihrer pragmatischen Ausrichtung wenig Bedeutung beigemessen. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden sie sowohl im Hinblick auf literatur- und buchwissenschaftliche Fragen als auch bezüglich der Auftraggeber- und Sammlerpersönlichkeiten von der Wissenschaft als bedeutende Quellen geschätzt. Das Mittelalterliche Hausbuch von Schloss Wolfegg wurde 1886 zum ersten Mal erwähnt und gilt seit seiner faksimilierten Veröffentlichung im Jahre 1997 als ein erstrangiges Werk seiner Gattung; Beschreibungen liegen bislang vor aus den Jahren 1912 und 1957 sowie in einem Kommentarband zum Faksimile.
Ausgaben
Bereits im 19. Jahrhundert gab das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg eine gestochene Faksimile-Ausgabe des Hausbuchs heraus. 1997 erschien eine moderne, fotografisch erstellte Faksimile-Ausgabe.
Literatur
- Dieter H. Meyer: Hausbuch. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Band II. Walter de Gruyter, Berlin und New York 2000, ISBN 3-11-015663-6 , S. 12–14
- Christoph Graf zu Waldburg Wolfegg: Venus und Mars. Das Mittelalterliche Hausbuch aus der Sammlung der Fürsten zu Waldburg Wolfegg. Prestel, München und New York 1997, ISBN 3-7913-1839-X
Einzelnachweise
- ↑ Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Band II
- ↑ Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Band II, S. 14