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Mobbing

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Das Wort Mobbing wird umgangssprachlich häufig statt Schikane verwendet. Das Wort kommt aus dem Englischen. Mob bedeutet dort Meute, to mob anpöbeln, über jemanden herfallen. Es wurde erstmals 1968 von Konrad Lorenz verwendet. Er bezeichnete damit Gruppenangriffe von unterlegenen Tieren auf einen überlegenen Gegner- dort von Gänsen auf einen Fuchs. Der Soziologe Peter-Paul Heinemann übernahm 1974 den Begriff aus dem Tierreich und verwendete ihn für das Phänomen, dass Gruppen eine sich von der Norm abweichend verhaltende Person attackieren. Geprägt wurde der Begriff durch den schwedischen Wissenschaftler Heinz Leymann. Anders als in den skandinavischen Ländern und im deutschsprachigen Raum wird in anderen Ländern meist der englische Begriff bullying verwendet.

Jungen wenden eher körperliche Gewalt an, Mädchen bevorzugen Intrigen und verbale Gewalt.

Definition

Mobbing im engeren Sinne steht für Schikanen und Intrigen gegen Personen am Arbeitsplatz, die systematisch, regelmäßig und über einen längeren Zeitraum vorkommen. Mobbing kann es auch in anderen öffentlichen Bereichen geben, wie im Verein oder in der Schule. Dem Mobbing in der Schule kommt wegen seiner spezifischen Art besondere Aufmerksamkeit zu. Dabei werden einzelne Schüler ausgegrenzt und schikaniert. Mobbing ist verwandt mit anderen Arten des Konflikts, unterscheidet sich aber durch seine lange Dauer, die besondere Einseitigkeit der Beziehung und dem Ziel, die jeweilige Person aus der Institution zu drängen. Die Schikanen können z.B. darin bestehen, jemanden lächerlich zu machen, ihm/ihr Informationen vorzuenthalten, Gerüchte zu verbreiten oder beim Vorgesetzten zu verpetzen. Wissenschaftler bemühen sich um eine eindeutige Operationalisierung des Mobbingbegriffs. Im LIPT (Leymann Inventar des psychologischen Terrors) sind 45 Handlungen aufgeführt, von denen eine oder mehrere mit einer bestimmten Häufigkeit und Dauer vorkommen müssen, um als Mobbing gewertet zu werden. Die Handlungen sind in fünf Kategorien aufgeteilt:

  • Angriffe auf die Möglichkeiten zu kommunizieren (z.B. Unterbrechen, Anschreien).
  • Angriffe auf die sozialen Beziehungen (beispielsweise jmd. das Gespräch verbieten).
  • Angriffe auf Qualität und Perspektiven der Arbeit (Verletzende Kritik an der Arbeit, jmd. sinnlose Aufgaben übertragen oder bewusst überfordern etc.).
  • Angriffe auf das soziale Ansehen (z. B. Gerüchte verbreiten, Intrigen spinnen).
  • Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit und das psychische Wohlbefinden (beispielsweise Beleidigen, Anpöbeln).

Durch Mobbing kann das Opfer erheblichem psychischem Druck (→ Stress) ausgesetzt werden, der sogar zu chronischen Erkrankungen führen kann. Besonders anfällig für Mobbing sind hierarchische Institutionen mit einer geringen Kontrolle. Systematische Schikanen in nichtöffentlichen Beziehungen wie der Familie oder in Liebesbeziehungen werden meist nicht als Mobbing bezeichnet. Ein Sonderfall ist das systematische Tyrannisieren durch eine früher nahestehende, manchmal aber auch gänzlich unbekannte Person, das sogenannte Stalking.

Folgen für die Opfer

Mobbing kann schwerwiegende Folgen für die psychische und manchmal auch physische Gesundheit der Opfer haben. Die Problematik der Folgen hängt von der Dauer, sowie von der Heftigkeit und der Stärke des Mobbings ab. Verstärkend kann wirken, wenn das Opfer ein ohnehin beschädigtes Selbstbild besitzt und familiäre Vorbelastungen eine Rolle spielen. Zu den Folgen können gehören:

Mobbing am Arbeitsplatz

Mobbing am Arbeitsplatz nennt man "Bossing", wenn man vom Vorgesetzten gemobbt wird. Dies zeichnet sich dadurch aus, dass der Vorgesetzte seine Macht benutzt. Meistens tut er dies, um jemanden aus der Firma hinaus zu ekeln, da er im Falle einer Entlassung Entschädigungsgeld bezahlen müsste.

Häufig geschieht Mobbing auch unter Arbeitskollegen, wenn sie einander nicht mögen oder jemanden "hinausekeln" wollen.

Zahlen

In Deutschland schätzt man die Zahl der Mobbing-Opfer auf über 800.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (2004). Frauen haben dabei ein signifikant höheres Risiko (75 %), Mobbing-Opfer zu werden. Der volkswirtschaftliche Schaden wird auf etwa 15,3 Milliarden Euro beziffert.

Ursachen

Ursache für Mobbing ist meist ein ungelöster Konflikt, der u.a. durch Konkurrenz, Leistungsdruck oder Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes entstehen kann. Nach G. Ogger (Nieten im Nadelstreifenanzug) sind Mobber mittelmäßige inkompetente Vorgesetzte.

Manche Vorgesetze, die in ihrem Leben keine Menschlichkeit erfahren haben, können diese nicht weitergeben und suchen nach einem Opfer (Soziopath).

Andere Vorgesetzte, die als Kind ohne emotionale Grundausstattung erzogen wurden, sind nach dem Psychoanalytiker A. Gruen Reaktionsmaschinen. Sie sind außengelenkt und achten nur auf ein äußeres Erscheinungbild. Gleichzeitig verachten sie die Bedeutung eines liebenden Innenlebens (z.B. Mitgefühl). Es sind Psychopathen, die einen Feind (ein Opfer) benötigen, um ihre 'Leere' zu überspielen, damit sie sich 'selbst' spüren.

Klassische Auslöser in einem Betrieb sind beispielsweise Über- bzw. Unterforderung, Streß, Leistungsdruck, Stellenabbau, Unklarheiten in der Arbeitssituation oder diffuse Zuständigkeiten, aber auch Langeweile. Zu viel Bürokratie oder eine starre Hierarchie begünstigen ebenfalls das Auftreten von Mobbing, ein Beispiel wäre das häufige Auftreten in deutschen Behörden. Dazu kommt, daß ein wenig ausgeprägtes Konfliktmanagement zusätzlichen Nährboden für eine Mobbingsituation darstellt. Oft wird die Verantwortung auch "nach unten" abgewälzt und es herrscht eine fehlende Gesprächsbereitschaft.

In der Regel kann man sagen, daß in Betrieben, in denen gemobbt wird, grundsätzlich etwas mit dem Betriebsklima nicht stimmt.

Was kann man tun?

Grundsätzlich muß gesagt werden, daß ein Mobbingsystem sehr kompliziert sein kann, denn man kann auch zurückmobben.

Grenzen setzen

Ein wichtiger Punkt für ein Mobbingopfer ist, daß es dem Täter Grenzen setzt, soweit es ihm möglich ist und sich das Opfer in der dazu seelisch notwendigen Verfassung befindet. Es ist außerordentlich wichtig, daß dem Mobber ein klares "STOP!" signalisiert wird. Ansonsten wird dem Täter vermittelt, daß er ruhig weiter mobben kann.

Hilfe von außen

Wer den Mobber nicht selber zur Rede stellen kann, sollte sich - wenn möglich - Hilfe innerhalb des Betriebes suchen, wenn Kollegen dafür nicht in Frage kommen, dann bietet in der Regel der Betriebsrat bzw. Personalrat die ideale Anlaufstelle.

Darüber hinaus kann man sich Hilfe von außen holen, ein konkreter Anlaufpunkt stellt hier eine Mobbingberatungsstelle dar.

Mobbingtagebuch

Ein wichtiges Hilfsmittel ist auf jeden Fall ein Mobbingtagebuch, in dem der Verlauf der Mobbingsituation so genau wie möglich festgehalten werden sollte. Ideal ist hier beispielsweise ein Kalender in Buchform, der für jeden Tag ausreichend Platz bietet. Dabei sollte jedes Mal die Uhrzeit und die jeweilige Situation festgehalten werden, in der gemobbt wurde, wer welche Handlung begangen hat, wer mit anwesend war und die Situation eventuell mitbekommen hat und wie man sich dabei gefühlt hat. Wenn es körperliche oder gesundheitliche Reaktionen als Folge gab, dann sollte vermerkt werden, in welchem zeitlichen Abstand sie aufgetreten sind.

Außerdem bietet sich in diesem Tagebuch auch die Möglichkeit, eventuelle Arztbesuche, die aufgrund der Vorfälle nötig sind, zu dokumentieren. Auch die eigenen Abwesenheitszeiten (Urlaub, Krankheit, etc.) und die des Mobbers sollten eingetragen werden, um scheinbare "Lücken" schließen zu können.

Man kann überdies zu Hause "weitergemobbt" werden, denn nicht selten kommt es vor, daß die Betroffenen beispielsweise in einem Krankheitsfall daheim angerufen und unter Druck gesetzt werden. Diese Vorfälle gehören selbstverständlich auch in das Mobbingtagebuch.

Sollte es aufgrund des Mobbings zu einer Gerichtsverhandlung kommen, dann bietet dieses Mobbingtagebuch eine deutliche Hilfe in Form der Beweissicherung.

als Außenstehender

Als Außenstehender, der erfährt, daß ein Kollege gemobbt wird, sollte man in jedem Fall bereit sein, dem Opfer zur Seite zu stehen. Es wird leider meistens geschwiegen, getreu dem Motto "Ich bin doch nicht der einzige, der mitkriegt, was hier läuft." Auch spielt häufig der folgende Gedanke eine Rolle: "Wenn keiner etwas unternimmt, dann ist der Angreifer vielleicht im Recht. Ich will mich nicht blamieren, indem ich etwas falsches tue." Schließlich haben Zeugen einer Mobbingsituation auch oft schlicht und einfach nur Angst, mit in den Konflikt hineingezogen zu werden.

Auf jeden Fall sollte aber das Gespräch mit dem Mobber gesucht werden; sollte es sich hier nämlich um einen unbewußten Mobber halten, dann kann man diesem eventuell durch Aufzeigen der Destruktivität seines Verhaltens vor Augen führen, was er eigentlich macht. Außerdem sollte man Mitläufer ansprechen, die sich womöglich gar nicht der Tragweite ihres Verhaltens bewußt sind.

Prävention

Wichtig ist natürlich auch die Prävention von Mobbing. Dazu sollten Diskussionen zum Thema angeregt und nicht vermieden werden, denn Aufklärung hilft dabei, so manche Mobbingsituation erst gar nicht entstehen zu lassen.

In einer Beratungssituation sollte man auf jeden Fall einen neutralen Standpunkt wahren und Vorbeurteilung vermeiden. Außerdem ist eine einfühlsame und sachliche Gesprächsführung vonnöten und es sollten auch die Erwartungen des Opfers geklärt werden.

Forschung

1974 veröffentlichte Stanley Milgram die Ergebnisse vom Milgram-Experiment, eine Versuchsanordnung, an der Yale-Universität, zur Erforschung der Frage: Wie weit erwachsene Menschen bereit sind, einer Anweisung (Direktion) einer Autoritätsperson, folgezuleisten. Der Untergebene Bekam die Anweisung dem Opfer Elektroschocks zuzufügen (Simuliert). In der Mehrzahl der Fälle gewann klar die Direktion durch die Autorität, gegenüber dem Gewissen des Untergebenen, obwohl für den ausführenden Untergebenen, die Schmerzenschreie der Opfer (simuliert) genau zu hören waren. Das Experiment zeigte, dass die meisten Versuchspersonen durch die Situation veranlasst wurden, sich an der Autorität des Versuchsleiters statt an dem Schmerz der Opfer zu orientieren.

Beim Stanford Prison Experiment wurden gesunde, normale Studenten in die Situation von Gefängniswärtern und Gefangenen versetzt, worauf es innerhalb weniger Tage zu Misshandlungen kam. Dies zeigt, dass Folter "normales" menschliches Verhalten ist, wenn Institutionen moralische Regeln außer Kraft setzen.

Ökonomische Folgen

Ein Mobbing-Opfer kostet seine Firma wegen Minderleistung (Krankheitsausfälle) cirka 25.000 Euro pro Jahr (Bundesagentur für Arbeit), bundesweit werden auf ganz Deutschland 50 Millionen Euro geschätzt.

Kündigung und Erwerbsunfähigkeit können die weiteren Folgen für den Arbeitnehmer sein. Für den Betrieb negative Folgen können Qualitätsmängel und ein beschädigtes Firmenimage sein (die wiederum Kosten verursachen).

Recht

Mobbing am Arbeitsplatz unterliegt einer besonderen gesetzlichen Kontrolle. Arbeitgeber stehen in der Pflicht, ihre Arbeitnehmer vor Mobbing zu bewahren. Dies ergibt sich aus Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes. Der Arbeitgeber ist verpflichtet das Persönlichkeitsrecht, die Gesundheit und die Ehre des Arbeitnehmers zu schützen. Anders als in Frankreich und Schweden gibt es in Deutschland zwar kein spezielles Mobbing-Schutzgesetz, aber aus den vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen, wie dem Arbeitsschutzgesetz, ergeben sich umfangreiche Schutz- und Handlungsmöglichkeiten. In den letzten Jahren wurde durch mehrere Gerichtsurteile grundsätzlich die Rechte der gemobbten Arbeitnehmer verstärkt und die Pflichten der Arbeitgeber erhöht. Das Landesarbeitsgericht in Erfurt hat am 10. April 2001 (Aktenzeichen 5 Sa 403/2000) entschieden, daß "der Arbeitgeber als Störer nicht nur dann in Anspruch genommen werden [kann], wenn er selbst den Eingriff begeht oder steuert, sondern auch dann, wenn er es unterläßt, Maßnahmen zu ergreifen oder seinen Betrieb so zu organisieren, daß eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen wird".

Mobbing kann zur fristlosen Kündigung des Mobbers führen. Man muß jedoch bedenken, daß Zeugen oft nicht bereit sind, vor Gericht auszusagen.

Siehe auch: Bossing, Mobbing in der Schule, Bullying, Stalking

Literatur

  • Neuberger, Oswald: Mobbing: Übel mitspielen in Organisationen. 3. Aufl., München: Hampp 1999 ISBN 3-87988-339-4
  • Haben, Gabriele und Harms-Böttcher, Anette: Das Hamsterrad. Mobbing-Frauen steigen aus. 2. Aufl., 2001 Berlin: Orlanda Frauenverlag 10,- € ISBN 3-929823-66-7
  • Leymann, Heinz: Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann. Neuausgabe 2002 Rowohlt 5,- € ISBN 3-499-26374-2
  • Stührenberg, Lutz: Professionelle betriebliche Kommunikation. Wiesbaden: Gabler 2003 ISBN 3-409-12316-4
  • Esser, Axel und Wolmerath, M.: Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung. 5. Aufl., 2003 Frankfurt a.M.: Bund-Verlag ISBN 3-7663-3496-4
  • Will, Birgit: „Wer anders denkt, fliegt raus. Zu Mobbing-Opfern werden oft die Kreativen und Intelligenten“, Süddeutsche Zeitung, 10.06.2003, Nr. 131, S. 18.
    Artikel mit Hinweis auf die Studie