Bessarabien
Bessarabien (rumänisch "Basarabia") in Südosteuropa war zwischen 1812-1940 die offizielle Bezeichnung für einen Landesteil des russischen Zarenreichs und später Name einer rumänischen Provinz. Bessarabien ist eine historische Bezeichnung und besteht heute nicht mehr als eigenständiges Gebiet, sondern ist Teil des Staatsgebietes der Ukraine und Moldawiens.
Name
Der Begriff Bessarabien (rumänisch "Basarabia") leitet sich vom walachischen Fürstengeschlecht Basarab ab, das dort im 13. Jahrhundert und 14. Jahrhundert herrschte, und hat nichts mit "Arabien" zu tun. Der Name "Bessarabien" erschien erstmals als selbständige Gebietsbezeichnung auf Landkarten des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
Geographie
Bessarabien ist ein Übergangsland zwischen den Karpaten und der osteuropäischen Steppe. Die Fläche beträgt bei einer Ausdehnung von ca. 450 km × 100 km rund 45.000 km². Das südliche Drittel des Landstrichs Bessarabien gehört heute zur Ukraine. Die nördlichen zwei Drittel sind heute Teil von Moldawien und machen den Hauptteil des Staatsgebietes aus.
Das Gebiet liegt zwischen den Flüssen Pruth im Westen und Dnjestr im Osten. Im Süden ist es vom Schwarzen Meer begrenzt. Der Landschaftscharakter ist im Süden hügelig-wellig und baumfrei, im Norden mit den Ausläufern der Karpaten wald- und gebirgsreicher. Alle Flüsse fließen bei geringem Gefälle in südöstliche Richtung und münden ins Schwarze Meer. Im Sommer fallen die kleinen (Steppen-)Flüsse fast trocken.
Klima
Das Klima des Gebietes ist kontinental, mit trockenheißen Sommern und kalten Wintern. Im Süden herrscht ein Steppenklima mit geringen Niederschlägen (300 mm), was zu Missernten in der Landwirtschaft führen kann. Im Norden sind 600 mm Niederschlag üblich.
Landwirtschaft
Bessarabien war eine von Wein-, Mais- und Obstanbau geprägte Landschaft mit fruchtbarem Ackerboden. Der größte Teil Bessarabiens lag auf fruchbarem Schwarzerdeboden, der bis zu 5 m dicke Schichten bildete.
Geschichte
Frühzeit und Mittelalter
Das älteste Volk auf bessarabischem Gebiet waren die Skythen im 6. Jahrhundert v. Chr. Noch in vorchristlicher Zeit gründeten auch Griechen und Phönizier Kolonien an der Schwarzmeerküste. Ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. war Bessarabien Teil des Reiches Dacia. Im 1. Jahrhundert eroberte das Römische Reich Teile des Landes. Ihm wird die Sicherung des Landes durch den Trajanwall zugeschrieben. In der Völkerwanderungszeit zwischen dem 3.-11. Jahrhundert war Bessarabien Durchzugsgebiet von Wandervölkern, darunter Goten, Hunnen, Awaren, Madjaren. Im 13. Jahrhundert ließen sich Tartaren der Goldenen Horde am nördlichen Schwarzmeer nieder. Im Einflussbereich des Osmanischen Reichs war Bessarabien größtenteils zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert.
Im Mittelalter waren verschiedene walachische und moldauische Fürsten, darunter Negru Vodä Basarab und Ladislas Basarab, recht einflussreich. Sie beherrschten im 13. und 14. Jahrhundert rund 150 Jahre lang das Gebiet. Kontakte unterhielten sie mit der Kiewer Rus, mit Ungarn und Polen.
Russische Kolonisierung ab 1812
Noch zum Osmanischen Reich gehörend wurde Bessarabien im dritten Türkenkrieg zwischen 1806-1812 von Truppen des russischen Zaren Alexander I. erobert. Beim Friedensschluss von Bukarest 1812 bekam Russland das Land zugesprochen. In dem ostmoldauischen Gebiet errichtete man das Gouvernement Bessarabien, das kleinste des Zarenreichs. Hauptstadt wurde das mittelbessarabische Kischinew (Chişinău).
Da nach dem Abzug von nomadisierenden Tartarenstämmen der südliche Landesteil, der Budschak menschenleer und weitgehend unbebaut war, warb Russland gezielt im Ausland Kolonisten dafür an. Die russische Krone versprach ihnen Privilegien, wie:
- Landschenkung
- zinsloser Kredit
- Steuerfreiheit auf 10 Jahre
- Selbstverwaltung
- Religionsfreiheit
- Freiheit vom Militärdienst.
Ab 1814 wanderten insgesamt etwa 9.000 deutsche Auswanderer ein, die später die Volksgruppe der Bessarabiendeutschen bildeten. Sie gründeten insgesamt 150 deutsche Siedlungen, hauptsächlich im baumfreien Steppengebiet des Budschak. Die russische Krone siedelte unter ähnlichen Bedingungen neben Russen auch weitere Nationalitäten, wie Bulgaren, Ukrainer und Schweizer, an.
Rumänische Zeit nach 1918
Nach Ausbruch der russischen Revolutionswirren übernahm im November 1917 ein neu gegründeter Landesrat (Sfatul Tzärii) mit Sitz in der bessarabischen Hauptstadt Kischinew (Chişinău) die Regierung. Als aufgelöste russische Armeeeinheiten plündernd durch das Land zogen und Bolschewiken die Hauptstadt besetzt hatten, rief der Landesrat Anfang 1918 Rumänien um militärischen Beistand an. Einmarschierte rumänische Truppen stellten die Sicherheit im Lande wieder her. Im Januar 1918 erklärte sich Bessarabien zunächst unabhängig, um im März 1918 bei großer Begeisterung der Bevölkerung den Anschluss an Rumänien zu proklamieren. Die Bevölkerung war seit jeher mehr rumänisch als russisch geprägt, auch wenn Russland das Land seit 1812 kolonisiert hatte. Obwohl Bessarabien ab 1918 zu Rumänien gehörte, wurde es weiterhin von Stalin beansprucht.
Bei der rumänischen Volkszählung von 1930 hatte Bessarabien ca. 2,8 Millionen Einwohner. Die Bevölkerung bestand aus:
- 57 % Rumänen (Moldauer)
- 12 % Russen
- 11 % Ukrainer
- 7 % Juden
- 6 % Bulgaren
- 3 % Deutsche
- 1 % andere, darunter Gagausen, Zigeuner, Griechen, Armenier, Kosaken.
Das Verhältnis der verschiedenen Ethnien untereinander war - nicht nur in der Zwischenkriegszeit - ein friedliches Nebeneinander. Mischehen jedoch gab es aufgrund der unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten kaum.
Sowjetische Besetzung 1940
Am 28. Juni 1940 besetzte die Rote Armee der Sowjetunion das zu Rumänien gehörende Bessarabien. In einem geheimen Zusatzprotokoll des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffsvertrages von 1939 (Hitler-Stalin-Pakt) hatte das Deutsche Reich der Sowjetunion Bessarabien als Interessengebiet zugestanden.
Unmittelbar nach der Okkupation kollektivierte die Sowjetunion die Landwirtschaft, löste Großgrundbesitz auf, verteilte Land an landlose Bauern und gründete Sowchosen sowie Kolchosen. Gleichzeitig setzte eine Welle der Repression mit Verhaftungen und Deportationen (etwa 25.000 Personen) gegen die Bevölkerung ein. Sie richtete sich gegen die vermeintlich politische Opposition, wie Gutsbesitzer, Kulaken (Großbauern), Großkaufleute, Parteimitglieder, frühere Weißgardisten. Von der Verfolgung waren nur die Bessarbiendeutschen ausgenommen, die unter dem Schutz des Deutschen Reiches standen. Im September 1940 ermöglichte ihnen ein zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion geschlossener Vertrag die Aussiedlung. Nahezu alle 93.000 Angehörigen der Volksgruppe, darunter auch die Eltern des späteren deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler, schlossen sich der Umsiedlung an. Die Aktion unter der Devise Heim ins Reich war im November 1940 abgeschlossen.
Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit
Am 22.Juni 1941 begann der deutsche Überfall auf die Sowjetunion als das Unternehmen Barbarossa, dem sich auch rumänische Truppen anschlossen. Ende Juli 1941 war Bessarabien nach einjähriger sowjetischer Besatzungszeit zurückerobert.
Bereits während der militärischen Rückeroberung begingen rumänische Soldaten unter Beteiligung der Bevölkerung Pogrome gegen bessarabische Juden. Gleichzeitig gab es Tötungsaktionen der berüchtigten SS- Einsatzgruppen (hier die Einsatzgruppe D) an Juden unter dem Vorwand, sie seien Spione, Saboteure, Kommunisten. Die politische Lösung der Judenfrage war vom rumänischen Diktator Marschall Ion Antonescu jedoch eher durch Vertreibung als durch Vernichtung gewollt. Die jüdische Bevölkerung (ca. 200.000 Personen) kam zunächst in Ghettos oder Auffanglager, um sie 1941/42 bei Todesmärschen in das rumänisch okkupierte Transnistrien zu deportieren.
Nach dreijähriger Friedenszeit in Bessarabien war 1944 die deutsch-sowjetische Front bis an die östliche Landesgrenze am Dnjestr wieder herangekommen. Am 20. August 1944 begann die Rote Armee mit etwa 900.000 Soldaten eine groß angelegte Sommeroffensive. In einer Zangenoperation überrannten die Angreifer Bessarabien in fünf Tagen. In Kesselschlachten bei Kischinew und Sarata wurde die nach Stalingrad neu gebildete 6. deutsche Armee mit ca. 650.000 Soldaten aufgerieben.
Nach dem Krieg verschwand die geografische Bezeichnung Bessarabien für das einstige Gouvernement des russischen Zarenreichs endgültig von der Landkarte. Die Sowjetunion teilte das Gebiet in die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik im Norden und die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik im Süden auf. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 entstanden daraus die unabhängige Republik Moldawien und der süd-östliche Teil wurde in die Ukraine eingegliedert.
Museum
- Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien e.V., Florianstr. 17, 70108 Stuttgart, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10-16 Uhr
Literatur
- Immanuel Wagner, Zur Geschichte der Deutschen in Bessarabien, Stuttgart 1958
- Axel Hindemith, Bessarabien im 2. Weltkrieg in Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien, Hannover 2004, ISBN 3-9807392-5-2
- Ute Schmidt, Die Deutschen aus Bessarabien, Köln 2004, ISBN 3-412-05004-0
Verwandte Themen
- Bessarabiendeutsche
- Landsmannschaft der Bessarabiendeutschen
- Hilfskomitee der Ev.-luth. Kirche aus Bessarabien
- Budschak
- Portal Südosteuropa/Rumänien