Zum Inhalt springen

Politisches Spektrum

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. Januar 2005 um 18:37 Uhr durch 217.234.229.127 (Diskussion) (Typische Interpretationen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Politische Parteien und Ideen innerhalb der modernen Demokratien werden häufig vereinfachend anhand der eindimensionalen Systematik des politischen Spektrums klassifiziert. Dabei werden sie auf einer Achse platziert, deren Enden mit den einprägsamen und in ihrer eigentlichen Bedeutung weitestgehend wertneutralen Attributen links und rechts bezeichnet werden. Diese Sichtweise wird heute von den meisten politischen Parteien und auch von den meisten Medien angewandt, obwohl sie bei differenzierteren Betrachtungen - insbesondere bei politischen Randthemen - versagt und die Unzulänglichkeit auch allgemein anerkannt wird.

Herkunft

Der Begriff der politischen Linken entstammt der Sitzordnung der Abgeordneten im französischen Parlament. Dort war der traditionell "ehrenvollere" Sitz rechts vom Parlamentspräsidenten dem Adel vorbehalten, so dass das Bürgertum, welches im Vergleich zum Adel als progressiv galt, links saß. Seitdem sitzen konservative Fraktionen meist rechts und progressive Fraktionen meist links, und auch außerhalb des Parlaments werden die beiden Attribute zur groben Klassifizierung der Parteien verwendet. (siehe auch Diskussion zu diesem Artikel)

Typische Interpretationen

Der Gegensatz links-rechts steht im allgemeinen Verständnis stellvertretend für die nachfolgend beschriebenen Gegensätze.

Egalitär-Elitär

Angetrieben vom französischen Idee der Egalité schrieb sich die Linke vor allem die Gleichheit aller Menschen auf die Fahne. Insbesondere sollte der Benachteiligung oder gar Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen entgegen gewirkt werden. Dies betraf zunächst hauptsächlich die weniger wohlhabenden sozialen Schichten, wurde später aber auch auf religiöse oder ethnische Minderheiten, Frauen, ältere Menschen, Behinderte, Homosexuelle und andere Bevölkerungsgruppen angewandt. Die Rechte hingegen rechtfertigte hingegen die Notwendigkeit einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Ungleichbehandlung. Diese kann von sozialer Benachteiligung oder einem unterschiedlichen rechtlichen Status (z.B. Apartheid) bis hin zur gezielten staatlichen Verfolgung (z.B. Rassismus) reichen.

Diese Interpretation von links-rechts ist immer noch die populärste, obwohl gerade bei ihrer Anwendung die Unzulänglichkeit der eindimensionalen politischen Einordnung sehr deutlich wird. So kommt es zum einen bei der Etablierung links-gerichteter Systeme immer auch mehr oder weniger stark zur Bildung unterschiedlich privilegierter Schichten (z.B. thematisiert in George Orwells Animal Farm) und zum Teil auch zu Formen von Benachteiligung oder Diskriminierung (z.B. Umsiedlung und Verfolgung von Minderheiten in der Sowjetunion). Zum anderen berufen sich auch allgemein als rechts eingestufte Gruppierungen sehr oft auf egalitäre Ideen. Dabei wird die Gleichstellung innerhalb einer Gruppe und gleichzeitig die Ungleichbehandlung oder Ausgrenzung anderer Gruppen propagiert. Besonders deutlich wird dies bei dem Konzept des "Nationalsozialismus" und bei Vokabeln wie "Artgleichheit" oder "Volksgemeinschaft".

Progressiv-Konservativ

In der Anfangszeit der westlichen Demokratien, insbesondere im 19. Jahrhundert, bemühten sich die Linken vor allem um die Verbesserung der Lebensbedingungen der unteren Schichten, insbesondere der Arbeiter, und um die Wahrung der Menschenrechte und damit um eine kontinuierliche Erneuerung der Gesellschaft, während die Rechten für die Wahrung des Status Quo eintraten, weswegen sie dann auch die Bezeichnung "konservativ" erwarben. Mit den ersten demokratisch gewählten oder gewaltsam etablierten Links-Regierungen befanden sich jedoch zum Teil auch die Rechten in der Rolle der Reformer und die Linken in der Rolle der Bewahrer.

Internationalistisch-Nationalistisch

Der egalitären Grundidee entsprechend verfolgte die Linke lange Zeit einen internationalistischen Ansatz, insbesondere in den sozialistischen Ländern. Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die sozialistische Idee, zur Befriedigung patriotischer Emotionen in der Bevölkerung und vor allem aufgrund konkreter territorialer Machtansprüche wurden - wenn auch verdeckt - nationalistische Ziele propagiert oder zumindest verfolgt.

Während das rechte Lager bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts vehement eine nationalistische Politik und Ideologie verfolgte und auch immer noch propagiert, ist das bürgerliche Lager heute der Hauptmotor der Globalisierung, welche indirekt auch zum Abbau oder zumindest zur Verschiebung nationaler Schranken führt.

Verwendung heute

Während kommunistische, sozialistische und z.T. auch sozialdemokratische und grüne Parteien und Gruppierungen sich selbst als links bezeichnen, wird der Begriff rechts von der Mehrheit der Medien derart negativ assoziiert, dass wenn überhaupt nur radikale und extreme Gruppierungen sich selbst als rechts bezeichnen und von den Medien als rechts bezeichnet werden, obwohl sich das bürgerlich-konservative Lager oder zumindest ein Teil davon sich per Definition auch rechts der imaginären Mitte befinden müsste.

Da das Modell des politischen Spektrums nur unzureichend ist, um die Parteienlandschaft zu beschreiben, werden zusätzliche Attribute für die Einordnung herangezogen

  • kommunistisch (auch postkommunistisch)
  • sozialistisch
  • sozial
  • ökologisch
  • alternativ (seltener)
  • liberal (manchmal unterschieden nach wirtschaftsliberal und wertliberal, oft auch rechtsliberal oder linksliberal)
  • konservativ (auch wertkonservativ)
  • populistisch (oft rechtspopulistisch, seltener für die Linke oder gar die Mitte)
  • nationalistisch

Einordnung der politischen Strömungen

Die meisten Parteien benutzen das Modell des politischen Spektrums wenn überhaupt dann nur noch zur Herabsetzung anderer Strömungen. Immer mehr wird von den etablierten Partein die Idee propagiert, es ginge bei der Politik mehr um "handwerkliches Geschick" (politische Fähigkeiten und Erfahrungen) und "moralische Werte" (Offenheit gegenüber dem Wähler, Mut zu Veränderungen) als um ideologische Grundsatzpositionen. Zudem verfechten einige Parteien mehr oder weniger offen und konsequent eine Klientel-Politik (z.B. FDP für den Mittelstand, PDS für den Osten).

Liberalismus

Der Liberalismus lässt sich anhand dieser Sichtweise kaum einer bestimmten politischen Orientierung zuordnen, weil er einerseits sehr stark die rechtliche Gleichstellung propagiert, leistungsbedingte soziale Unterschiede jedoch als Anreiz für persönliches Engagement befürwortet. Oftmals wird von der Liberalen dem Gegensatz elitär-egalitär der Gegensatz liberal-regulativ entgegen gesetzt.

Konservatismus

Das "bürgerliche" Lager betont in der Eigendarstellung meist den konservativen (Bewahrung alter Werte) und seltener auf den elitären Aspekt der eigenen Politik. Gerade aus der Opposition heraus wird häufig mit egalitären Ideen geworben, zum Teil auch zur Abgrenzung von den Liberalen. Grundsätzlich kann man aber feststellen, dass die Konservativen ganz leicht arbeitergeberfreundlicher und wettbewerbsfreundlicher sind als die Sozialdemokraten.

Der Begriff rechts für die eigene Position wird von den Konservativen vermieden, der Begriff links wenn überhaupt meist nur stark abwertend benutzt.

Sozialdemokratie

Viele sozialdemokratische Parteien verabschieden sich ostentativ von der Klassifizierung als Links-Partei, um sich eine breitere Akzeptanz zu sichern. So warb die deutsche SPD 1998 mit dem Schlagwort der neuen Mitte.

Sozialisten

Die deutsche PDS definiert sich eindeutig als links, obwohl sie dort, wo sie an der Regierung beteiligt ist, sich oft von ihren egalitären Grundsätzen teilweise verabschiedet.

Grüne

Die Grünen werden in den meisten Ländern als links eingestuft. Bei bestimmten Themen und in einigen Ländern (Lettland) prinzipiell nehmen sie aber eher konservative Haltungen ein.

"Rechts-Populismus"

Einige neuere politische Parteien werden von den etablierten Parteien als "rechts-populistisch" bezeichnet, weil sie traditionell "rechten" Ideen durch die Kombination mit anderen Ideen eine breitere Akzeptanz verschaffen. Beispiel hierfür ist die österreichische FPÖ.

Wertung der Randbereiche

Aufgrund der Vielzahl an Parteien erfolgt im deutschsprachigen Raum an den Enden des politischen Spektrums eine zusätzliche Abstufung mittels der Attribute radikal bzw. extrem. Obwohl das deutsche Verfassungsrecht mit der Freiheitlichen demokratischen Grundordnung ein Unterscheidungskriterium für die Verwendung der Begriffe geschaffen hat (siehe Extremismus), werden sie in den Medien und in der Umgangssprache oft synonym verwendet, z.T. auch um politische Gegner zu diskreditieren.

Unter Verwendung dieser Attribute ergibt sich folgende Skala:

Die Verwendung dieser Attribute stellt indirekt eine positive Korrelation zwischen der Radikalität von Ideen (d.h. wie sehr sie vom Status Quo abweichen) und der Vehemenz, mit der sie vertreten werden (latente oder offene Gewalt gegen Andersdenkende oder den Staat), her. Obwohl diese Korrelation naturgemäß in gewissem Maße gegeben ist (die Parteien der Mitte haben in der Regel die Unterstützung von Exekutive und Justiz und bedürfen selbst keiner extremen Maßnahmen), ist sie jedoch keineswegs zwingend. So gibt es moderate Gruppierungen mit radikalen Ideen und aggressive Verfechter allgemein akzeptierter Ansichten.

Als besondere Formen des Extremismus werden häufig die Begriffe Verfassungsfeindlichkeit und Verfassungswidrigkeit unterschieden. Während das Erstere die Gesinnung einer extremistischen Partei als gegen die Verfassung bzw. die herrschende Gesellschaftsform gerichtet beschreibt, hat eine rechtlich festgestellte Verfassungswidrigkeit einer Partei tatsächlich deren Verbot zur Folge. De facto spielen bei Entscheidungen, ob Parteien verboten werden sollen, und damit bei Abwägungen zwischen Verfassungsfeindlichkeit und Verfassungswidrigkeit, jedoch auch ermittlungstechnische Abwägungen eine Rolle, insbesondere, weil Gruppierungen, die durch ein Verbot in den Untergrund gezwungen werden, schwieriger zu beobachten und kontrollieren sind. Die Verwendung der Begriffe ist nicht unumstritten, da sie nicht wertneutral sind.

Einordnung der Parteien

In den Medien wird für die parlamentarischen Parteien meist folgende Darstellung gewählt.

Deutschland

PDS - Grüne - SPD - FDP - CDU - CSU - REP - DVU/NPD

Österreich

Grüne - SPÖ - ÖVP - FPÖ

Schweiz

SPS - FDP/CVP - SVP

USA

Demokratische Partei - Republikanische Partei

Alternative Modelle

Ein alternativer, aber ebenfalls stark vereinfachender Ansatz besteht darin, das politische "links-rechts"-Spektrum nicht als gerade, links und rechts immer weiter auseinanderlaufenden Linie, sondern als offenen Kreis zu sehen (sogenannte "Hufeisentheorie"): Durch sie soll zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die beiden Ränder in manchen Punkten näher sind als s der Rand zur Mitte ist. Dabei wird ignoriert, dass die Ähnlichkeiten zwischen den Rändern meist nicht in der Programmatik, sondern in der Methodik (Organisationsstrukturen, Methoden der Agitation etc.) bestehen. Dies ist bedingt durch die Radikalität der Ansichten an sich und der daraus resultierenden Stellung in der Gesellschaft.

Kritik

Ein Hauptkritikpunkt ist die extreme Vereinfachung der politischen Landschaft durch die Projektion verschiedener programmatischer Unterschiede auf eine einzige Achse. Darüber hinaus wird kritisiert, dass der Begriff Spektrum ein Kontinuität suggeriert (wie z.B. bei den Farbschattierungen des Lichtspektrums), obwohl auch ideologisch "benachbarte" politische Strömungen klare Bruchlinien aufweisen können und die einzelnen politisch-ideologischen Ausrichtungen keineswegs immer bruchlos ineinander übergehen.

Von einigen wird das Modell des politischen Spektrums als Propaganda des politischen Establishments verstanden, da es verändernde politische Strömungen und Parteien automatisch mit einer negativen Konnotation belegt.

Siehe auch: Verfassung, Grundgesetz, Medianwähler-Modell