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Gottesurteil

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Die Bezeichnung Gottesurteil (oft auch nur in der einfachen Form des Ordals benannt) ist die deutsche Übersetzung von den im Mittellateinischen gebräuchlichen Begriffen iudicium dei oder iudicium divinum.

Über Bezeichnungen wie godes ordal (ags.) oder godis ordil (mnd.) erfolgte die direkte Übertragung unter Einbeziehung des wohl aus dem Althochdeutschen stammenden Wortes ordel ( = Ur-Sprung bzw. Ur-Teil) in die Volkssprache bis hin zum Begriff Gottesurteil.

Dem Gottesurteil liegt die Vorstellung zugrunde, ein Gott greift - oder auch mehrere Götter greifen - im Zusammenhang eines Rechtsfindungsprozesses ein, um den Sieg der Gerechtigkeit zu garantieren.

Die Geschichte der Gottesurteile reicht weit in die Anfangsphase der menschlichen Zivilisation zurück.

Erste schriftlich überlieferte Beschreibungen von Gottesurteilen bzw. Ordalen stammen aus Mesopotamien:

  • Im 10. Paragraphen des Codex Urnammu, der um 2100 v. Chr. vom sumerischen König Urnammu von Ur aufgestellt wurde, ist die Rede von einem Flussordal, einer Art Wasserprobe.
  • Im Gesetzbuch von Hammurabi auf dem 18. Jahrhundert v. Chr. sind ebenfalls Gottesurteile mit Hilfe des Wassers aufgeführt.

Auch das Alte Testament liefert Beweise für die frühe Anwendung von Gottesurteilen. So etwa laut Levitikus 5,21 ff. oder 1. Samuel 10, 17 ff.

Ebenso kannte die Antike, also die griechische und römische Kultur Ordale.

Über die beiden letzt genannten Kulturstufen - nämlich die hebräische und die griechisch-römische - fanden die Gottesurteile Eingang in das Christentum und so in das europäische Mittelalter. Obwohl sie hier niemals gänzlich unumstritten waren, fanden sie immer wieder Anwendung in Rechtsfindungsprozessen, bei denen ein Geständnis oder Zeugen fehlten.

Im 13. Jahrhundert wurde die Beteiligung von christlichen Geistlichen an solchen Gottesurteilen durch die Bestimmungen des IV. Laterankonzils untersagt. Dies trug dann allmählich zum Verschwinden der Gottesurteile aus dem Rechtsleben bei, zumal auch von weltlicher Seite immer öfter ein Verbot der Gottesurteile erging. So lehnte beispielsweise Kaiser Friedrich II. in seinen Konstitutionen von Melfi die Durchführung von Gottesurteilen als fehlerhaft ab.

Dennoch gab es auch weiterhin Beispiele für die Anwendung von Gottesurteilen. So wurde z.B. gelegentlich im Zusammenhang mit der Ketzerverfolgung die Feuerprobe angewandt.

Im Zuge der Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit erlebten einige Gottesurteile noch einmal eine Art Renaissance und tauchten als sogenannte Hexenproben wieder auf. Hier ist in erster Linie die Wasserprobe zu nennen, aber auch die Feuerprobe fand manchmal noch Anwendung.


Arten der Gottesurteile:

1. einseitige Ordale Unter den einseitigen Ordalen fasst man all jene zusammen, bei denen der vermeintliche Rechtsbrecher sich alleine einem Gottesurteil unterziehen muss und lediglich mit den Elementen, vor allem mit Wasser, Feuer und Erde, in Kontakt tritt. Hierzu gehören etwa:

  • Wasserprobe, bei der der Angeschuldigte gebunden ins Wasser geworfen wird.
  • Feuerprobe, wobei der Deliquent sich ursprünglich direkt dem Feuer aussetzen musste. Später wurde dieses Gottesurteil gleichsam auf indirekte Art durchgeführt, etwa indem ein heißes Eisen zu tragen war.
  • Trankordal
  • Rasengang
  • das Liegen im Grab unter der Erde
  • Bahrprobe
  • Losordal

2. zweiseitige Ordale Hier steht dem Beklagten ein Kläger gegenüber oder ein Unfriedensstifter einem anerkannten Friedliebenden. Hierzu gehören etwa:

Manchmal findet man auch die Charakterisierung der Gottesurteile unter die Kategorien Abwehrordal und Ermittlungsordal. Bei ersteren stand das Abwehren von Anklagen im Vordergrund durch das erfolgreiche Bestehen eines Gottesurteils; bei letzterem stand der Versuch des Klägers im Vordergrund die Wahrheit seiner Anschuldigung unter Beweis zu stellen, gleichsam seine Rechtschaffenheit zu demonstrieren.

Vielfach sind es in unserem modernen Sprachgebrauch noch Reste der ehemaligen Anwendung und auch Popularität der Gottesurteile nachvollziehbar geblieben.

So erinnert beispielsweise das Sprichwort "Dafür halte ich meine Hand ins Feuer." an das alte Gottesurteil der Feuerprobe.

Aus dem offiziellen Rechtsleben verschwanden die Gottesurteile letztendlich im Zuge der Aufklärung.