Nation
Der Begriff Nation bezeichnet meist eine größere, in der Regel zusammen lebende Gemeinschaft von Personen, die über gleiche Geschichte, Sprache, Kultur, politische Strukturen und häufig auch über ein geschlossenes Territorium und in einfachen Gesellschaften auch über gemeinsame Abstammung verfügen können (Nationalität).
Im 18. Jahrhundert in der Folge der Französischen Revolution entstanden, entfaltete die Vorstellung der Nation sogleich eine hohe Dynamik und Flexibilität, die Anfangs gegen feudale Unzulänglichkeiten und absolutistische Mißwirtschaft (Frankreich, Deutschland) oder auch gegen wirtschaftlich und politisch einengende Kleinstaaterei (Deutschland) gerichtet war. Der Begriff Nation wies in die Moderne. Im Zwanzigsten Jahrhundert wurde der Begriff politisch mißbraucht und wird im 21. Jahrhundert im Zuge der Globalisierung mehr und mehr fragwürdig.
Es gibt unterschiedliche Definitionen einer Nation. Häufig kommt es dabei zu Überschneidungen und Berührungspunkten. Diese Überschneidungen und Berühungen wurden 1882 von Ernest Renan in seiner klassischen Rede vor der Sorbonne diskutiert. Aus dieser Rede stammt die bis heute moderne und diese Überschneidungen differenzierende und im Abschluß summierende Definition des Begriffs Nation:
- Das Dasein einer Nation ist ein tägliches Plebiszit.
Ebenen des Begriffs Nation:
1. Nation ist ethnische Homogenität (Volk, Stamm, Tribalismus, Reservation)
- Die Definition von Nation durch ethnische Zugehörigkeit ist die in der Geschichte am häufigsten mißbrauchte und wissenschaftlich am wenigsten tragende Definition des Begriffs Nation und beruhte häufig auf einer Verwechselung von ethnischer (so genannte völkische mit kultureller Zugehörigkeit. Nach dem angeblichen Ideal einer ethnischen Homogenität kann ein moderner Millionenstaat kaum begründet werden, wenn man sich die Vorfahrenanzahl vergegenwärtigt und mit der Anzahl lebender Menschen in der Vergangenheit ins Verhältnis setzt. Eine in der in der Geschichte gewachsene Einheit eines Volkes in einem Staat ist eine Einbildung. Die Verortung in einem angeblich zugehörigen Lebensraum verletzt häufig Eigentumsrechte anderer Personen. #: Dieses Verständnis bietet anderen ethnischen Gruppen (Minderheiten) nur bei tolerantem Staatsverständnis Aufstiegschancen. Aus dem Ideal „ethnischer Reinheit“ erwächst das Risiko der Diskriminierung anderer Ethnien. Der ethnische Nationenbegriff überschreitet leicht rassistische Grenzen, keine der klassischen europäischen Nationen können ethnisch begründet werden.
2. Nation ist Homogenität der Sprache und Tradition (Kulturnation)
- Nation ist die durch die Geschichte bewahrte Einheit in Sprache, Kultur und Traditionen. Sie lässt sich nicht durch territoriale Grenzen definieren. Dies galt für die Kulturnation Deutschland im 19. Jahrhundert, ebenso für die ungarischen Minderheiten aus den seit 1920 durch den Vertrag von Trianon unabhängig gewordenen Nachbarstaaten.
- Gegenwärtig ist z.B. ein gewisses Streben nach einer Nation z.B. unter den Kurden beobachtbar. Der Gedanke einer kurdischen Nation ist erst spät im 20. Jahrhundert entstanden. Der Prozess wird von heftigen Auseinandersetzungen von innen und außen begleitet.
3. Nation ist ein politischer Zusammenschluss als Staat (Staatsnation)
- Nation ist die politisch souverän organisierte und geordnete Gemeinschaft. Territorialer Zusammenhang kann, muss aber nicht sein. Ethnische Gegebenheiten sind nachrangig. Fehlen territoriale, ethnische oder kulturelle Klammern, sind solcherlei Nationen leicht Angriffen von innen und außen ausgesetzt und können häufig nur durch totalitäre, autokratische oder absolutistische Regierungsformen existieren. Beispiele (in der Geschichte): Preussen, Osmanisches Reich, West- und Ost-Pakistan, Jugoslawien, Sowjetunion.
4. Nation als territorialer Zusammenschluss (Territorialstaat)
- Die Nation definiert sich nicht über Ethnien, Sprache sondern hauptsächlich über das Staatsterritorium. Die USA haben in ihrer Geschichte große Teile des heutigen Territoriums von Nachbarländern (Mexiko, Russland) und Kolonialstaaten (Frankreich, England, Spanien) abgekauft (Alaska, Kalifornien, Texas, Neumexiko, Oregon, und andere). Beispiele bieten die Schweiz und die Vereinigten Staaten von Amerika.
5. Nation als religiöser Zusammenschluss (Religionsstaat, Staatsreligion)
- Eine in der Geschichte häufiges konstituierendes Element von Nation war und ist bis heute in einigen feudalen Ländern die Staatsreligion. Gab es in der Geschichte viele Nationen, die sich über die Religion definierten (Spanien der Reconquista, Frankreich Ludwigs XIV, England Heinrich VIII), so waren in den absolutistischen Staaten aber regelmäßig die Religion des Fürsten ausschlaggebend (Staatsreligion). Das die Bevölkerung einen Glaubenswechsel nicht mitmachen brauchte, gab es allerdings auch (in Preussen war der Fürst reformiert-evangelisch, die Bevölkerung jedoch lutherisch-evangelisch). Beispiele für Religionsstaaten: Iran des Ayatollah Chomeini, Afghanistan der Taliban, Saudi Arabien der wahabitischen Saudi-Familie.
Semantisches Netz (Schlag- und Stichwörter)
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Weblinks
- Ernest Renans Rede vor der Sorbonne Was ist eine Nation nahm 1882 die Europäische Gemeinschaft vorweg.
Nation bezeichnet auch einen Zusammenschluss von Studenten an mittelalterlichen Universitäten nach Herkunftsregionen. Siehe: Nationes