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Genetischer Fingerabdruck

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Als genetischer Fingerabdruck wird ein DNA-Profil eines Individuums bezeichnet, das für dieses einzigartig ist. Die DNA wird aus Zellen gewonnen, die aus Gewebeteilen, Sperma, Hautzellen oder Speichel stammen. Das Verfahren wird in der Molekularbiologie auch als Fingerprinting bezeichnet.


Methoden

Für den genetischen Fingerabdruck werden derzeit zwischen acht und 15 Abschnitte aus der DNA mit Hilfe der PCR-Methode vervielfältigt. Untersucht werden nicht die Gene an sich, sondern kleine, sich wiederholende Abschnitte von "Füllmaterial" im Erbgut, die keine genetische Information tragen und Minisatelliten oder VNTRs (variable number tandem repeats) genannt werden. Bei diesen DNA-Abschnitten handelt es sich um tandemartige Wiederholungen einer bestimmten Sequenz (Repeats), die im Genom aller Säugetiere vorkommen. Variabel ist dabei die Anzahl der Wiederholungen. Diese Anzahl - und nicht (!) etwa die DNA-Sequenz der betreffenden Abschnitte - wird bei dem genetischen Fingerabdruck untersucht. Je nach Anzahl der Wiederholungen hat der vervielfältigte Abschnitt also eine bestimmte Länge, die sich z.B. über eine Gel-Elektrophorese im Agarosegel als Bande darstellen läßt. Ist ein Mensch an einem Genort heterozygot (besitzt beispielsweise ein Allel mit zehn Wiederholungen und eines mit 15), entstehen zwei Banden unterschiedlicher Länge. Es handelt sich hier also nicht um eine Sequenzierung sondern um eine reine Fragmentlängen-Analyse.

Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Individuen an einem VNTR-Locus eine unterschiedliche Anzahl von Wiederholungen haben, ist sehr hoch. Wenn mehrere dieser Regionen untersucht werden, ergibt sich somit ein Bandenprofil, das mit einer bestimmten Häufigkeit in der Gesamtpopulation vertreten ist. Hierüber kann dann eine statistische Aussage getroffen werden, wie viele Menschen untersucht werden müssen, um zufällig einen zu treffen, der genau dieses Muster aufweist. Bei den oben genannten acht bis 15 untersuchten VNTR-Systemen, liegt diese Zahl häufig in einem Bereich von mehreren Milliarden. Man sollte hierbei jedoch immer im Hinterkopf behalten, dass es sich um eine rein statistische Aussage handelt.

Diese Informationen werden in ein mathematisches Modell umgewandelt, das sich digital verarbeiten und somit automatisiert vergleichen lässt. Das mathematische Modell ist ein reiner aggregierter Zahlencode.

Im Gegensatz zu anderen DNA-Analysen, bei denen mittels Sequenzierungen Gene aus den codierenden Bereichen der DNA untersucht werden, die durchaus Rückschlüsse z.B. auf eventuelle Krankheiten des Individuums zulassen, lassen sich aus dem Zahlencode der Fragmentlängen-Analyse keine Eigenschaften des Individuums ableiten. (Lediglich das Geschlecht - eine Information, die jedoch in aller Regel auch aus einem Passbild abgelesen werden kann - ist über einen Locus auf den Geschlechtschromosomen bestimmbar: Frauen besitzen zweimal ein Fragment der gleichen Länge (XX) und Männer weisen zwei Fragmente (XY) unterschiedlicher Länge auf.) Anderslautende Behauptungen (etwa die Feststellung der Haarlänge oder sogar die Möglichkeit der Erstellung von Phantombildern aus den "Gen"-Daten usw.) werden gerne weitergetragen, entbehren aber jeglicher erst zu nehmender wissenschaftlicher Grundlage (Nessy wurde auch noch nicht gefunden ...).

Rechtliches (Deutschland)

Ein genetischer Fingerabdruck darf in Deutschland nur auf richterlichen Beschluss hin genommen werden. Der Richter darf einen genetischen Fingerabdruck nur dann anordnen, wenn die Voraussetzung einer schweren Straftat im Sinne des Stgb gegeben ist, bei deren Wiederholung ein genetischer Fingerabdruck zur Findung des Täters hilfreich sein kann. (Unwahrscheinlich ist daher zum Beispiel die richterliche Anordung bei schwerem Betrug). Bei Ersttaten wird meist von einem genetischen Fingerabdruck abgesehen. Die Zellen für den genetischen Fingerabdruck dürfen ddann durch einen Polizisten entnommen werden. In einigen Bundesländern ist es der Polizei erlaubt, zur freiwilligen Abgabe eines genetischen Fingerabdrucks aufzufordern (z.B. Bayern). In anderen Bundesländern (z.B. NRW) ist auch dazu eine richterliche Erlaubnis nötig.

Rechtlicher Vergleich zwischen daktylischem Fingerabdruck (Klassischer Fingerabdruck) und genetischem Fingerabdruck

Voraussetzung für die Abnahme des daktylischen Fingerabdrucks und des genetischen Fingerabdrucks ist die Begehung einer Straftat nach dem StGB.

  • Die Abnahme eines genetischen Fingerabdrucks kann nur bei schweren Straftaten durch richterlichen Beschluss erlaubt werden (§ 81g Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 81f Abs. 1 S. 1 Strafprozessordnung).
  • Der daktylische Fingerabdruck wird durch einen Polizisten genommen, wenn dieser der Ansicht ist, dass es sich um eine Straftat, also einen Verstoß gegen das Recht handelt, bei dem angenommen wird, dass die Wahrscheinlichkeit der Tatwiederholung höher ist als die, dass eine nicht überführte Person diese Straftat begeht.

Im polizeilichen Bereich werden (üblicherweise staatliche) Laboratorien damit beauftragt, aus DNS-Proben die für die Identifizierung wichtigen Teile herauszufiltern und der polizeilichen DNA-Datenbank des BKA zu Verfügung zu stellen, die dann unbekannte DNA-Profile (etwa von Tatortspuren oder unbekannten Leichen) mit gespeicherten DNA-Profilen von bekannten Personen vergleicht. Die bekannten Profile stammen von Straftätern, bei denen man durch Mundhöhlenabstrich (freiwillig) oder Hautabrieb (wenn die Person ein Eindringen in eine Körperöffnung verweigert) eine biologische Probe abgenommen hat.

Interpretation

Das Ergebnis eines DNA-Tests alleine kann nicht über Schuld oder Nichtschuld eines Verdächtigen entscheiden. Es wird nur als Indiz gewertet, das durch weitere ergänzt werden muss. Viele Verdächtige legen allerdings ein Geständnis ab, wenn man sie mit dem Ergebnis konfrontiert.

Ist das nicht der Fall, muss das Ergebnis interpretiert werden, wobei Fehlschlüsse nicht auszuschließen sind. Eine ungültige Schlussfolgerung macht alle nachfolgenden ungültig:

  1. falsche Übereinstimmung durch falsch positive Testergebnisse
  2. bei einer zufälligen Übereinstimmung muss der Verdächtigte nicht der Urheber der Spur sein
  3. das biologische Material kann von jemand anderem hinterlegt worden sein
  4. das biologische Material muss nicht zum Tatzeitpunkt hinterlegt worden sein
     ----------      ----------      ----------      ----------      ----------
    |berichtete|    |tatsächl. |    |Urheber   |    |am Tatort |    |schuldig  |
    |Überein-  | -> |Überein-  | -> |          | -> |anwesend  | -> |          |
    | stimmung | 1  |stimmung  | 2  |          |  3 |          | 4  |          |
     ----------      ----------      ----------      ----------      ----------
      | |                 ^                                                ^
      | `-----------------´                                                | 
      | Urhebertrugschluss                                                 |
      |                                                                    |
      `-------------------------------------------------------------------´
        Trugschluss des Anklägers

Der Trugschluss des Anklägers (Gigerenzer 2002) besteht in der falschen (!) Annahme:

P(unschuld|Übereinstimmung) sei P(Übereinstimmung), wobei P für die Wahrscheinlichkeit steht.

So wird auch oft in den Medien berichtet: da beide Proben mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million zufällig übereinstimmen, ist auch die Wahrscheinlichkeit der Unschuld eins zu einer Million, oder die Wahrscheinlichkeit der Schuld eine Million zu eins. Dies ist ein Fehlschluss und falsch (siehe auch bedingte Wahrscheinlichkeit).

Beispiel

Das Labor vergleicht zwei DNA-Proben, die eines Verdächtigen und die am Tatort gefunden. Es berichtet, dass beide Proben mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:1.000.000 zufällig übereinstimmen. Dies sagt aber nichts weiter aus, als dass man unter einer Millionen Menschen einen mit einer solchen Zufallsübereinstimmung (!) findet.

Der Täterkreis kann aufgrund von Indizien (Geschlecht, wahrscheinlicher Aufenthalt in der Nähe) auf 10 Menschen eingschränkt werden, es gibt also 10 Menschen mit einer zufälligen Übereinstimmung. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Verdächtige der Urheber der Spur ist 1:10, und nicht etwa 1.000.000:1. ([1]).

Fehler

Als falsch-positives Ergebnis wurde unter anderem auch der Fall eines 28-jährigen Arbeiters bekannt, der ein halbes Jahr unschuldig wegen Mordes in Haft saß. Das Ost-Berliner Humboldt-Institut hatte bei der Analyse die Proben verunreinigt; der Staatsanwalt entschuldigte sich schriftlich.

Quellen

  • Koehler, J. J., Chia, A. & Lindsey, J. S. (1995). The Random Match Probability (RMP) in DNA Evidence: Irrelevant and Prejudicial? Jurimetrics Journal. 35, 201-219.
  • Gerd Gigerenzer: Das Einmaleins der Skepsis. Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken. (2002) ISBN 3827000793


Siehe auch