Obervorschütz
Vorlage:Infobox Ortsteil einer Gemeinde
Obervorschütz ist der südlichste Ortsteil der nordhessischen Kleinstadt Gudensberg im Schwalm-Eder-Kreis. Das typisch nordhessische Haufendorf liegt am Emsbach im historischen Chattengau, wurde im Zuge der hessischen Gebiets- und Verwaltungsreform am 1. Februar 1971 Stadtteil von Gudensberg, und hatte 2005 1.400 Einwohner.
Topographie
An der evangelischen Kirche hat der Ort eine Höhe von 170 m ü. NN.
Die Basaltkuppenlandschaft der Umgebung hat vulkanischen Ursprung. Zu diesen Basaltkuppen gehören in Obervorschütz der „Nacken“ mit dem Denkmal des Kaisers Wilhelm I. im Norden und die Kuppe des Judenfriedhofs im Westen. Der Nacken ist eine geologische Besonderheit, da er durch waagerechten Basaltsäulenverlauf charakterisiert ist. Der fruchtbare tiefbraune Lößboden, der sich an den dem Wind abgewandten Seiten angesammelt hat, liegt auf einer Tonschicht. Er hat sehr hohe landwirtschaftlichen Bodenwerte, und die gesamte Gegend zwischen Gudensberg und Fritzlar wird daher volkstümlich „Hessenlands Krone“ genannt („Dorla, Werkel, Lohne -- Hessenlandes Krone“). Die Tonschicht ist mit Gipskristallen und geringen Mengen Eisenerz durchsetzt. Oberhalb des jüdischen Friedhofs liegt eine heute ungenutzte und renaturisierte Lehmgrube, deren Erzeugnisse zur Ausfachung beim Fachwerkhausbau benutzt wurden.
Das Quellgebiet des „Flutgrabens“, der westlich von Obervorschütz in die Ems mündet, ist besonders wasserreich und wurde früher zur Trinkwassergewinnung genutzt. Dort befindet sich noch immer eine (heute ungenutzte) Wassergewinnungsanlage. Eine Quelle mit erheblich geringerer Ausschüttung, die „Waals Quelle“, liegt westlich von Obervorschütz. Im ehemaligen Pfarrgarten südlich des Dorfes liegt der kleine Tümpel „Paars Dich“ (Pfarrersteich) in einem kleinen Waldstück. Noch heute erinnern Straßennamen an diesen Wasserreichtum, der vermutlich auch ausschlaggebend für die frühe Besiedlung war. Der Straßenname „Hohe Litt“ wird hergeleitet aus dem Verb “leiten“ im Sinne von Wasser umleiten. Heute ist Obervorschütz an ein öffentliches Wasserversorgungsnetz angeschlossen, und der Wasserreichtum hat nur noch einen untergeordneten wirtschaftliche Stellenwert.
In Mattäus Merians Topograhia Germaniae von 1646 heißt es von dem Amt Gudensberg über die Dorfschaft Obervorschütz:
- „Das Ampt bestehe in mehr als etlich und zwanzig Dorffschafften unnd ist weit umbfangen ; aber in den leydigen Kriegswesen mehrentheils abgebrannt worden. Hat sonst überauß stattliche Dorffschafften gehabt: unnd begreifft allenthalben grosse weite ebene sehr fruchtbare Felder, wenig Gebürg, aber viel unterschiedene spitzige Hügel, daran dickes Gebüsche unnd Steinfelsen so ihre underschiedene Namen haben hat auch wenig Wildbahnen.“
Flora und Fauna
Flora
Die Ems ist gesäumt von Erlen, Weiden und Pappeln. Die Hecken bestehen aus Hagebuttensträuchern, Holunderbüschen, Weißdorn, Schlehe und Faulbäumen.
Fauna
Im Frühjahr und Herbst ziehen Kraniche über Obervorschütz. Grünspechte, Rauchschwalben und Mehlschwalben sammeln sich im Spätsommer an der Ems, um nach Afrika zu ziehen. Die Populationen von Spatzen und Meisen sind merklich zurückgegangen. Größter einheimischer Jäger ist der Rotfuchs, aber es gibt auch Steinmarder und Wiesel, und am Nacken findet man Dachse. Hasen und Kaninchen bevölkern die Hecken. In den Scheunen leben Fledermäuse und Schleiereulen.
Geschichte
Das Gebiet dürfte bereits schon zur Zeit der frühesten bäuerlichen Kultur um 3000 v. Chr. besiedelt gewesen sein. Dies belegt der prähistorische Fund eines Steinbeils, das heute im Fritzlarer Geschichts- und Heimatmuseum im Hochzeithaus aufbewahrt wird. Zumindest hielten sich vorchristliche Jäger, Sammler und Fischer zeitweise am Emsbach auf. Um 400 v. Chr. wurde die Gegend von nun seßhaft werdenden Menschen dauerhaft und dichter besiedelt. Um 250 v. Chr. wanderten Chatten ein. Zur Zeit der Römer war das Gebiet mit dem Emstal von Straßen durchzogen; so durchquerte z. B. die „Sälzerstraße“ das südlich von Obervorschütz liegende „Oberste Holz“ über dem Nordufer der Eder. An der Stelle der heutigen Emsbrücke befand sich früher eine Furt, die das Überqueren der Ems und der sumpfigen Emsaue ermöglichte. Germanicus hat vermutlich die Region mit seinen römischen Legionen um 14 bis 16 n. Chr durchzogen, da das Mattium, wie Tacitus in seiner Germania beschreibt, wohl im nahen Maden oder Metze gelegen haben mag oder aber mit der Altenburg beim nahen Niedenstein identisch war. Obervorschütz gehörte geografisch der Sakrallandschaft Mattium an.
Aus fränkischer Zeit wurde ein aus dem 5. Jahrhundert stammendes goldenes Wehrgehängefragment, ein Goldener Löwenbeschlag, mit bemerkenswert feiner Bearbeitung im geometrischen Tierstil gefunden; dieser wird im Fritzlarer Geschichts- und Heimatmuseum aufbewahrt. Im 8. Jahrhundert wurde die Region nach dem Fällen der Donareiche 723 in oder bei Geismar durch Bonifatius christianisiert. Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass bereits im 8. Jahrhundert eine ständige Siedlung in der Emsaue aufgrund leicht erreichbarer und zugänglicher Wasserquellen angelegt wurde. Wahrscheinlich hatte Obervorschütz schon verhältnismäßig früh ein eigenens Gotteshaus; die Kirche ist dem Heiligen Martin, dem Schutzheiligen der Franken geweiht. Die Siedlung hatte wohl zur fränkischen Zeit schon eine Größe, die einen Kirchenbau rechtfertigte.
Westlich von Obervorschütz liegt die frühzeitliche Wüstung Oberdorf.
Die erste schriftliche Erwähnung des Orts findet sich als „Burrisuzze“ in einer Urkunde des Klosters Hasungen von 1074, die heute im Staatsarchiv Marburg aufbewahrt wird. Seit 1076 gehörte Obervorschütz zum Archidiakonat Fritzlar des Erzbistums Mainz. Von 1260 existiert im Stiftsarchiv Fritzlar eine Urkunde, dass die Herren von Elben die Gerichtbarkeit in Obervorschütz ausüben durften. Weiterhin ist Obervorschütz 1275 nachweisbar als „villa superior Vorskutheund“ und 1357 als „Obirm Vorschütz“. Das „Burrisuzze“ von 1074 wandelte sich durch Lautverschiebungen über „Vorsuzze“, „Vorschuzze“ schließlich zu „Obrin Vorschütz“ zum heutigen Ortsnamen. Obervorschütz bedeutet geschützter Wohnraum. 1275 traten erstmals Ober- und Niedervorschütz als zwei getrennte Siedlungen auf. Im 14. Jahrhundert wechselten die Besitzer des Dorfs oftmals. Dies führte zu zahlreichen Fehden, an die heute noch der Flurname Strutthecke (= Streithecke) erinnert.
Der hessische Landgraf Hermann der Gelehrte ließ um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert auf dem heutigen Kirchof eine Befestigungsanlage mit Schutzmauer und Wehrturm anlegen. Die bittere Rivalität zwischen dem Erzstift Mainz, mit seiner nordhessischen Bastion Fritzlar. und den hessischen Landgrafen bestimmte den Lauf der Ereignisse in der Umgebung. Die Herren von Elben wurden vom Landgrafen zu Patronats- und Gerichtsherren von Obervorschütz ernannt. Im 15. Jahrhundert war Obervorschütz wohl angesehen, und der Grebe Hermann Koch wurde mit Hochachtung genannt. Dem damaligen Ortspfarrer wurde von seinen geistlichen Vorgesetzten die gleiche Achtung entgegengebracht wie den führenden Geistlichen in Kassel und Fritzlar. Bis 1535 war das Dorf hessisches Lehen der Herren von Elben. Dann zog Landgraf Philipp I. den Ort ein und gliederte ihn 1536 in das Amt Gudensberg ein.
Um 1620 betreute der Theologe und Philosoph Daniel Angelocrater die christliche Gemeinde von Obervorschütz. Tillys Truppen, die im Winter 1624/25 im nahen Werkel ihr Winterquartier aufgeschlagen hatten, plünderten und zerstörten Obervorschütz. Ein zweites Mal wurde das Dorf im Dreißigjährigen Krieg verwüstet, diesmal von kroatischen Truppen 1640 unter Führung von Octavio Piccolomini. Anschließend wütete die Pest in Obervorschütz.
1627 erschien die älteste nachweisbare Abbildung der Umgebung von Obervorschütz auf dem Stich der Stadt Gudensberg des Kupferstechers Matthäus Merian d.Ä. In der Topographia Germaniae, die von 1642 bis 1688 von ihm herausgegeben wurde, ist der Fischreichtum des Emsbaches erwähnt, den wohl auch der Gudensberger Theologe Conrad Mel zu schätzen wusste. In der Tropographia Germaniae heißt es: „Dieses Ampt wird mitten durch den starcken Fluß Embs welches ein ein sehr stattliches Fischwasser gerheilet und erstreckt sich an den Habichtswalde“.
Von 1678 gibt es einen Nachweis über das Vorhandensein einer Schule, die schon im Dreißigjährigen Krieg bestanden hatte; eine Schulchronik des Lehrers Johannes Koch belegt, dass der Unterricht zunächst nur in den Wintermonaten stattfand. 1726 wurde verordnet, dass die Kinder auch im Sommer die Schule zu besuchen hatten.
1700 hatte Obervorschütz 485 Einwohner, die in 92 Häusern lebten.
Eine örtliche jüdische Gemeinde ist zumindest von 1730 an durch den seitdem beurkundeten jüdischen Friedhof nachweisbar. Diese Gemeinde wurde um 1938 vernichtet, und das von Deutschen jüdischen Glaubens betriebene „Gasthaus Adler“ wurde danach nicht mehr weiter genutzt. Am 12. Oktober 2003 wurde der jüdische Friedhof von Unbekannten geschändet; eine Bilddokumentation erinnert in der Gudensberger Synagoge an dieses Verbrechen.
1757 wurde an den spätgotischen Wehrturm die evangelische-lutherisch reformierte Kirche angebaut und 1785 vollendet. Während des Siebenjährigen Kriegs zerstörten französischte Truppen das Dorf; sie zogen 1762 wieder ab. Es folgte eine lange Aufbauzeit bis in 19. Jahrhundert, die gekennzeichnet war durch eine starke Bevölkerungszunahme. Um 1820 wurde der „Totenacker“ um die Kirche letztmalig genutzt. Die Sandsteinbrücke über die Ems, an der Stelle der ehemaligen Furt, stammt von 1824. Im Jahre 1849 lebten 189 Familien und 979 Menschen in Obervorschütz.
Mit der Industrialisierung ging die Einwohnerzahl stark zurück, weil viele in die Industriestädte zogen oder sogar nach Amerika auswanderten. 1846 wurden bei einer Brandkatastrophe 6 Häuser zerstört. 1866 wurde der Eisengrubenbergbau in Obervorschütz endgültig eingestellt. Am 23. September 1878 nahm Kaiser Wilhelm I. ein Militärmanöver beim Nacken ab; ein vom damaligen Kreis Fritzlar und privaten Personen 1879 gestiftetes Denkmal erinnert an diesen Kaiserbesuch. Von 1914 bis 1918 fielen 41 Obervorschützer im Ersten Weltkrieg. Die Gemeinde stiftete 1922 ein Säulendenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs nahe dem heutigen Friedhof.
Der britisch-amerikanische Schriftsteller W. H. Auden, der 1929 auf einer Reise in Gudensberg übernachtete, erwähnt in seinem Gedicht „It was Easter as I walked in the public gardens“ neben Gudensberg, als Gutensberg, die Basaltkuppen der Umgebung sowie die Ziegelei in Obervorschütz und beschreibt den alten Brauch des Männergesangvereins, auf dem Kirchplatz zu singen.
Im Zweiten Weltkrieg fielen 61 Obervorschützer, und 31 werden seitdem vermisst. Von 1942 bis 1945 arbeiteten Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in der örtlichen Landwirtschaft anstelle der in den Krieg eingezogenen Männer. Während dieser Zeit verstarben zwei russische Angehörige der Roten Armee und ein polnischer Soldat, die als Gefangene in der Landwirtschaft arbeiten mussten. Im Frühjahr 1945 wurde Obervorschütz von amerikanischen Truppen eingenommen, die dann am westlichen Ortsrand in der Hecke am „Himmelreich“ lagerten und den Nachschub sicherten. Der letzte örtliche Heimkehrer des Zweiten Weltkriegs kehrte 1949 aus sowjetischer Gefangenschaft zurück.
Das Dorfgemeinschaftshaus wurde 1954 im Rahmen des hessischen Sozialen Plans im Zentrum begonnen zu errichten und mehrfach umgebaut. Anlässlich des 900-jährigen Bestehens des Dorfes verfasste der Historiker Richard Brachmann für das Heimatfest vom 17. Juni bis 19. Juni 1955 die Festschrift 900 Jahre Obervorschütz. 1955 wurde nahe dem Friedhof bei der „Jägereiche“ das neue erweiterte Ehrenmal zum Gedenken an die Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkriegs eingeweiht und das Dorfgemeinschaftshaus eingeweiht. 1963 erfolgte eine grundlegende Restaurierung der Kirche. 1966 wurde der Sportplatz eingeweiht. Der Pädagoge und Psychologe Eckhard Preuschhof untersuchte 1972 die Früheinschulung fünfjähriger Schülerinnen und Schüler in der Grundschule Obervorschütz. 1974 wurde das evangelische Gemeindehaus eingeweiht und dort 1975 ein Jugendclub eröffnet. Der letzte Weidenkorbflechter aus Obervorschütz, Otto Martin, verstarb 1975. Er lebte über 90 Jahre am Ufer des Emsbaches, aus dessen Weiden er Korbwaren produzierte.
Letztmalig wurde 1978 ein traditionelles Kuhgespann zur Feldarbeit und zum Transport von Gütern in Obervorschütz eingesetzt.
Am 15. November 1978 trat Obervorschütz dem Abwasserverband Mittleres Emstal bei, einem Zusammenschluss der Städte Niedenstein, Gudensberg und Fritzlar. Zwei Jahre später wurde in der Emsaue östlich von Obervorschütz am tiefsten Punkt bei 163 m NN die Kläranlage des Abwasserverbandes eröffnet. Sie hat eine Endausbaugröße von 19.500 EW. Insgesamt wurden 18 Millionen Euro investiert. Das Brauch- und Regenwasser wird in Sammler geleitet, durchläuft zuerst eine mechanische, dann eine biologische und schließlich eine chemische Reinigungsstufe, und fließt abschließend gereinigt in den Vorfluter Emsbach. Die 1979 entstandenen Luftbildaufnahmen von Obervorschütz befinden sich heute im Archiv des Fotokünstlers Peter Piller. 1980 wurde der Ausbau der Ortskanalisation durchgeführt, und 1984 der Anschluss an die Abwasserkläranlage fertig gestellt.
Von 1986 bis 1993 war der „Lauterbacher Hof“ in Obervorschütz Alterswohnsitz des bedeutenden Sozialphilosophen und Schriftstellers Ulrich Sonnemann. Literarische Erwähnung fand Obervorschütz 1995 durch den österreichischen Schriftsteller Josef Haslinger, der 1995 ein Jahr als Dozent an der Universität Kassel lehrte und Teile des Romans „Opernball“ dort verfasste.
- "Ein gewisser Stefan Roepel aus Obervorschütz hielt es für nötig, die Welt darüber aufzuklären, dass es die goldenen Tafeln nie gegeben habe".:
2005 wurde in Obervorschütz die 950-jährige Gründung gefeiert. 2005 bis 2006 wurde das Kanalnetz nochmals erneuert und zudem am 8. Oktober 2006 ein Klärschlammentwässerungsfeld bei der Kläranlage in Betrieb genommen. Am 17. Oktober 2007 besuchte der hessische Ministerpräsident a. D. und Bundesfinanzminister a. D. Hans Eichel anläßlich des einhundertjährigen Bestehens des SPD-Ortsvereins das Dorfgemeinschaftshaus in Obervoschütz.
Wirtschaft
Um den historischen Dorfkern mit zahlreichen Fachwerkbauten entstehen vermehrt moderne Neubauten.
Die umliegenden Felder werden landwirtschaftlich genutzt. Auf dem fruchtbaren Lößboden werden Kohl, Zuckerrüben, Weizen, Roggen, Hafer, Mais und Raps von ortsansässigen Landwirten, meist im Nebenerwerb, angebaut. Der Garten- und Obstanbau verliert zunehmend an Bedeutung und wird ausschließlich zur Eigenversorgung gepflegt. Bei der Tierhaltung wird vorwiegend Futterbau für Milchkühe, Schweinemasthaltung und Schweineremontierung in kleinen Bestallungen betrieben. Zudem gibt es eine Schäferei. Die Haltung von Kleintieren hat nur noch züchterische Bedeutung. Die Selbstvermarktung von veredelten landwirtschaftlichen Produkten durch Hofläden gewinnt zunehmend an Bedeutung. Bis zum Jahr 2000 wurde traditionell im Herbst das gemeindeeigene Straßen- und Streuobst durch den Ortsvorsteher versteigert. Die Obstversteigerung von Gemeindeobst versorgte die Bürger im Winter mit Vitaminen. Fallobst wird auch noch heute in eine naheliegende Gudensberger Süßmosterei eingeliefert und gegen Lohnmost vermostet.
Zum Dorf gehören drei Wassermühlen am Emsbach. Zwei davon werden noch heute betrieben und stellen Mehl für regionale Bäckereien, beziehungsweise Futtermittel für die Tiermasthaltung her. Eine orthopädische Schuhfabrik hat einen überregionalen Ruf erlangt. Obervorschütz ist Standort einer Bäckerei, zwei Zimmereien, zwei Dachdeckern, einer Rollladenfabrik, einer Bankfiliale, eines Bauunternehmens und weiterer kleinen Handels- und Dienstleistungsbetriebe. Einige Einzelhändler nutzen den modernen E-Commerce Vertriebsweg im Internet und handeln nunmehr weltweit. Viele Arbeitnehmer pendeln ins Nahe Kassel, Baunatal oder ins Umland. Ausgewandert sind Obervorschützer nach Chile, in die Schweiz, die USA, Frankreich und die Samoa-Inseln.
Der Tonabbau einer Ziegelei wurde um 1980 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Das Gelände wurde 2006 in einen Golfplatz mit 6 Löchern umgestaltet. Zunehmend wird der umliegende Wald wieder zur Gewinnung von Heizmaterial genutzt. Photovoltaikanlagen erzeugen neuerdings auf Standorten mit Südhanglage Elektrizität, die ins öffentliche Netz eingespeist wird.
Brauchtum und Veranstaltungen
Der nahe Emsbach hat zum Spitznamen der männlichen Einwohner geführt, die „Emmesgänser“ genannt werden. Dieser Spitzname hat seinen Ursprung in der Jahrhunderte andauernden Hütehaltung von Gänsen. Seit 2003 erinnert ein Denkmal nahe der Emsbrücke daran.
Brauchtum
Kindersegen wird durch das Streuen von Zucker auf die Fensterbank und das damit verbundene Anlocken des „Klapperstorches“ erbeten. Kinder kommen der Sage nach aus dem „Paars Dich“. Mit Hä geht schonn rinn wird ein neuer Schwiegersohn von den Nachbarn begrüßt. Während der „Rauhtage“ zwischen Weihnachten und Neujahr soll keine Wäsche gewaschen werden, da dies im neuen Jahr anhaltendes Unglück bringen soll. Bei Blitz und Gewitter soll man nicht trinken oder essen, da sonst der Blitz ins Haus schlägt.
Verstirbt ein Dorfbewohner, so wird am Tag des Versterbens die Totenglocke der Kirche geläutet. Am Beerdigungstag versammelt sich ein Trauerzug vor dem Haus des Verstorbenen und zieht zum Friedhof. Der Zug formiert sich nach dem Verwandschaftsverhältnis zum Verstorbenen; die nächsten Verwandten führen den Zug an und Freunde und Bekannte schließen ihn ab. Bis zum Bau der Friedhofshalle 1968 führte ein vom einem Pferd gezogener Trauerwagen mit dem Sarg den Zug an.
Veranstaltungen
Seit 1988 wird der Winter mit einem Saalkarneval ausgetrieben. Ende April wird die Kirmes veranstaltet, deren Höhepunkt ein bunter Umzug ist. Hauptattraktion dieses Umzugs ist der verkleidete und geheim gehaltene Kirmesbär, der das Publikum aufschreckt. Gebändigt wird der Kirmesbär durch den Bärenführer. Eine Sonnenwendfeier findet am 31. Mai mit einem Feuer auf dem „Nacken“ statt.
Am 6. Dezember, dem Nikolaustag, der in Obervorschütz „Glowesabend“ genannt wird, ziehen verkleidete Kinder nach Einbruch der Dunkelheit von Haus zu Haus, sagen Kinderverse auf und erbitten kleine Geschenke und Süßigkeiten. Am Martinstag stellt sich ein Laternenzug nach Einbruch der Dunkelheit aus singenden Kindern zusammen, der durch das Dorf zieht.
Zum Neujahr und im Sommer finden Laufveranstaltungen statt.
Regionale Küche
Traditionell sind die Wurstwaren „Weckewerk“, „Möhrnworscht“, „Aahle Worscht“ und „Strakke“, die noch bei Hausschlachtungen mit handwerklichem Geschick angefertigt werden. Aus Kartoffeln stellt man die „Schnäpperte“ her, und aus Schmand und Heringen den „Schmandhäring“. „Himmel un Äre“ ist ein einfaches Gericht aus Kartoffeln und Äpfeln. „Kälberzähne“ ist ein einfaches Suppengericht aus Gerste. Der „Grüne Kuchen“ ist ein Teigwarengebäck aus Brotteig und Lauch. Zu Silvester wird die „Silvesterkreppel“ aus Hefeteig gebacken.
Sagen
Sage vom durstenden Heer Karls des Großen
Im 8. Jahrhundert soll eine nicht nachweisbare Schlacht Karls des Großen gegen den Sachsenherzog Widukind in der Umgebung von Obervorschütz stattgefunden haben. Diese Begebenheit ist in zahlreiche Sagen eingeflossen. Die Sage Das durstende Heer Karls des Großens könnte ihr glückliches Ende am Quellgebiet westlich von Obervorschütz oder am Emsbach gefunden haben, da in der weiteren Umgebung keine andere geeignete Stelle zum Tränken eines Reiterheeres nachzuweisen ist.
Sage vom Teufel und dem Fritzlarer Dom
Der Sage nach wollte der Teufel mit dem Wodanstein in Maden vom Lamsberg, oder vom Mader Stein bei Gudensberg, aus die erste Kirche des Bonifatius in Fritzlar zerschmettern. Der Stein blieb ihm aber beim Werfen im Ärmel hängen und fiel auf das Feld zwischen Maden und Obervorschütz. Die Eindrücke und Löcher am Stein deutete man als Teufelskrallen.
Sage von der Jägereiche
Unter der „Jägereiche“ am Friedhof soll der Sage nach ein hannoverscher Jäger auf der Jagd von einem Wilderer erschossen worden sein. Der Wilddieb begrub den Jäger auf einem freien Feld. Jahre später spross aus der Erde eine Eiche, aus Eicheln, die der Jäger in seiner Tasche gesammelt hatte.
Vereine, Religionsgemeinschaften und Parteien
- TSV 1896 Obervorschütz e.V.
- Kirmesteam Obervorschütz
- Karnevalsgemeinschaft Obervorschütz
- Gesangverein 1877 Obervorschütz e.V.
- SPD Ortsverein
- Evangelische Kirchengemeinde Obervorschütz-Maden
- Freiwillige Feuerwehr Obervorschütz 1934 e.V.
- Modellbauclub und Modellbauflughafen Obervorschütz
- VdK Ortsgruppe Obervorschütz e.V.
- Kleintierzuchtverein Obervorschütz e.V.
- NABU Gudensberg-Obervorschütz e.V.
- Förderverein Grundschule Obervorschütz e.V.
Bürgermeister mit Amtszeiten
- Konrad Freudenstein (1923 bis 1933)
- Konrad Scherp (1933 bis 1945)
- Heinrich Schöne (1945 bis 1966)
- Georg Haake (1966 bis 1974)
Freizeiteinrichtungen und Sehenswürdigkeiten
- Evangelische Kirche
- Sportplatz
- Golfpark Gudensberg
- Emspark mit Emmesgänser Denkmal
- Kriegerdenkmal
- Jugendclub Obervorschütz
- Sandsteinbrücke über den Emsbach von 1824
- Dorfgemeinschaftshaus
- Evangelisches Gemeindehaus
- Alter jüdischer Friedhof
- 2 Kinderspielplätze
- Vorschützer Wetterstein am neuen Spielplatz
- Nacken
- Wasserhäuschen
- Radwege
-
Hauptstraße Obervorschütz
-
Gudensberger Straße
Söhne und Töchter von Obervorschütz
- Daniel Angelocrater (Philosoph und Theologe, betreute die Gemeinde in Obervorschütz)
- Conrad Mel (Theologe, betreute die Gemeinde in Obervorschütz)
- Heinz Limmeroth (Fußballspieler und -trainer)
- Manfred Depho (Tierfotograf, gewann 1999 den renommierten Sven-Simon-Preis Foto mit einer Waldmaus im Sprung)
- Conrad Hemmerich (er wurde 1822 für seine Straftaten verurteilt, der Prozess sorgte hessenweit für Aufsehen.)
Archäologische Funde
Literatur
- Eduard Brauns: Wander- und Reiseführer durch Nordhessen und Waldeck, A. Bernecker Verlag, Melsungen 1971, S. 303
- Matthaeus Merian: Topographia Germaniae. Schuchhard, 1646, S. 80
- Josef Haslinger: Opernball. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1995, S. 371
- Grieben Reiseführer: Oberhessen, Kurhessen und Waldeck, Band 230, Karl Thiemig Verlag München, 1981, S. 119
- Karl E. Demandt: Geschichte des Landes Hessen. Johannes Stauda Verlag Kassel, 1980, S. 107
- Abwaserverband Mittleres Emstal: Informationsbroschüre des Zweckverbands von 2005, ohne Angabe des Verfassers und Verlags
- Richard Brachmann: Festschrift zum Heimatfest Obervorschütz vom 17. Juni bis 19. Juni 1955 aus Anlass des 900 jährigen Bestehens des Dorfes, der Einweihung des Dorfgemeinschaftshauses und der Einweihung des neuen Kriegerdenkmals. Bürgermeisteramt Obervorschütz, 1955
- Männergesangverein Obervorschütz (Hsrg.): MVG-100 Jahre Männergesangverein Obervorschütz. Rolf Griesel Verlag, Melsungen-Schwarzenberg, 1977, S. 19-23
- TSV Obervorschütz (Hersg.): Festschrift aus Anlaß des 100 jährigen Bestehens des TSV Obervorschütz vom 28. Mai bis 5. Juni 1994. Verlag Offsetdruck Isaring, Fuldabrück, 1994, S. 23- 29