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Aufstand der venezianischen Siedler auf Kreta (1363–1366)

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Der Aufstand der Siedler auf der Insel Kreta war eine der schwersten Erschütterungen des venezianischen Kolonialreichs. Er dauerte von 1363 bis 1366 und zog eine schwere demographische und Wirtschaftskrise nach sich. Als Ursache gilt einerseits die Wirtschaftspolitik Venedigs, die den venezianischen Siedlern hohe Beiträge zur Lebensmittelversorgung der Stadt Venedig, aber auch ihrer großen Flotte abzwang, ihnen zu niedrige Preise für ihren Weizen anbot und ihnen zugleich die Arbeitskräfte in eigenem Interesse entzog. Dazu schöpfte sie Gewinne aus der erzwungenen Annahme überbewerteter Münzen zu Lasten der Händler und Siedler ab. Zum anderen war der Einfluss der Siedler in Venedig stark gesunken, schließlich geriet die tragende Schicht der von Venedig nach dem Vierten Kreuzzug eingerichtete Feudalstruktur der Insel ins Wanken. Auslöser des Aufstands war die willkürliche Festsetzung einer Abgabe. Seine Unterdrückung erfolgte durch Söldner unter der Führung eines Condottiere.

Vorgeschichte

Kreta war infolge des Vierten Kreuzzugs ab etwa 1210 an Venedig gekommen. Die Stadt sandte zahlreiche Siedler auf die Insel, die als feudale Herrenschicht abgegrenzt von der griechischen Bevölkerung lebte. Die Hauptaufgaben der Insel waren die Sicherung des Handels, Bemannung der Flotten und Lebensmittelversorgung Venedigs und seiner Kriegsmarine. Die Bedingungen setzte überwiegend Venedigs Senat fest, der in Krisenzeiten wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse der kolonialen Feudalherren nahm. Solche Krisen traten ab 1348 immer wieder durch Pestwellen auf, vor allem aber waren es die Kriege mit Genua, die umfangreiche Mittel erforderten. Dazu kam eine Wirtschaftskrise, die Venedig vor allem in den 1360er Jahren erfasste.

Die Jahre 1360–62 bezeichnen dabei die schärfste Phase der protektionistischen Wirtschaftspolitik Venedigs (vgl. Wirtschaftsgeschichte Venedigs), die in großem Maßstab auf Kosten des Kolonialreichs ging. Die durch die Pest von 1348 drastisch geschrumpfte Bevölkerung hatte schon lange mangels Arbeitskräften Mühe, den Boden zu bearbeiten – trotzdem forderte Venedig kampffähige Männer für seine Schiffe, vor allem im Krieg gegen Genua von 1350 bis 1355.

1354 kam es zu einer ersten Verschwörung unter Führung der Gradenigo und Venier, die aber schnell zusammenbrach. Trotzdem musste Kreta ab 1359 wegen einer befürchteten Invasion durch die Türken von Aydin zwei Galeeren bemannen und mitfinanzieren. 1360 wurde den Galeeren, die von Kretas Kolonisten ausgerüstet wurden, auch noch verboten, Waren mitzuführen, womit auch diese Einnahmequelle entfiel. Darüber hinaus lehnte Venedig jede Exportgenehmigung für Weizen rigoros ab und verbot sogar die Verschiffung zwischen den kretischen Häfen.

1362 zog eine verheerende Pestwelle über die Insel. Als in dieser Situation auch noch eine große Schiffsladung von Silbermünzen (Torneselli) einlief und Venedig verlangte, sie zu einem viel zu hohen Kurs einzutauschen, sich zudem Soldzahlungen verzögerten, gleich zweimal Steuern erhöht wurden, stand die Insel vor der offenen Empörung.

Verlauf

Am 8. August 1363 widersetzten sich die Kreter einem jährlichen Extrazoll zur Reinigung des Hafens und der Ausbesserung der Dämme. Am 10. September erreichte die Nachricht Venedig. Ein Aufruf des Dogen zum Stillhalten verhallte. Die Hauptstadt Candia war das Herz der Rebellion. Bald schloss sich auch Chania dem Aufstand an, der die gesamte Insel erfasste, und einige Männer versuchten auch Negroponte (Evvia), ja, Modon und Koron hineinzuziehen.

Venedig forderte als erstes Rhodos, Zypern, Byzanz, ja sogar Genua zum Handelsboykott auf – wie sich später herausstellte, sorgten die Genuesen von Pera und Chios heimlich für Kornzufuhr an die Rebellen. Erste Galeeren riegelten sodann die Gewässer um die Insel ab, Truppen wurden auf Istrien und in Chioggia angeworben. Von der Anwerbung türkischer Truppen sah man zunächst noch ab. Nachdem ein Condottiere namens Galeotto Malatesta mit seiner Forderung nach 5.000 Goldflorin, sowie 200 Rittern und 500 Mann Fußvolk als zu teuer abgelehnt worden war, übernahm der Veronese Luchino dal Verme, den man in Mailand anwarb, den Auftrag, den Aufstand zu unterdrücken.

Nach strengem Verbot an alle Kalfaterer außerhalb des Arsenals zu arbeiten und Verstärkung der Schiffbauleitung, die schließlich acht große Galeeren bereitstellte, sowie Anwerbung von 300 Engländern, brachen Ende Januar 1364 drei Galeeren mit Waffen und Lebensmitteln an Bord auf. Wenige Tage später standen 1.000 Reiter und 2.000 Mann Fußvolk bereit. Allerdings wartete man noch auf ein tausendköpfiges Kreuzfahrerheer, das sich auf dem Weg nach Zypern befand.

Luchino, an den Venedig inzwischen mindestens 20.000 Dukaten Sold allein für ihn und seine Armeeführer bezahlt hatte, besiegte die Aufständischen und eroberte Candia. Er erhielt eine Rente auf Lebenszeit von jährlich 1.000 Dukaten.

Der Senat versuchte nun – der Aufstand schleppte sich bis ins Jahr 1366 fort – eine Aussöhnungspolitik. Gegen die Führer der Rebellion wurde jedoch mit größter Härte vorgegangen. Das galt vor allem für Micheletto Falier, ein Mitglied der Familie jenes Marin Falier, der zehn Jahre zuvor als Doge einen Umsturzversuch unternommen hatte.

Auch nach dem harten Winter 1364/65 war die Rebellion noch nicht endgültig erstickt; nun wurden auch türkische Söldner angeworben, zunächst 1.000, später bis zu 5.000. Daneben wurden Vasmulli, Nachkommen von Lateinern und Griechinnen, und auch Sklaven angeworben. Für den Landbau entstand vor allem im Raum Chania und Rethimno durch die endlosen Kämpfe großer Schaden durch Vertreibung, Ermordung und durch Verbrennung der noch auf dem Halm stehenden Ernten. Wann die letzten Aufständischen aufgaben, ist nicht bekannt.

Nachwirkungen

1367–71 versuchte man, die eingezogenen Lehen zu versteigern, aber nur 18 Adlige, acht „Bürger“ und zwei „aus den unteren Ständen“ waren bereit, die geforderten Gegenleistungen zu erbringen. Die Insel erholte sich von dem Aufstand nur langsam, aber die Lage der Siedler verbesserte sich dennoch in winzigen Schritten. Lokale Teuerungen waren weiterhin keine Seltenheit, so etwa 1385 und 1386 um Rethimno. Erstmals gestattete man aber dortigen Siedlern, ein Viertel der Ernte innerhalb des Kolonialreichs auszuführen. Die Lasithi-Ebene wurde bis 1463 zur Strafe für den Aufstand nicht bebaut – erst ab 1497 betrieb man hier wieder Landbau.

Die feudale Führungsschicht hatte starke Verluste erlitten, die nur bedingt ausgeglichen werden konnten. Diese Lücke füllten nun zunehmend Griechen. Außerdem sorgte das nach wie vor ungünstige Preisgefüge dafür, dass sich viele Milites auf andere Landprodukte konzentrierten, wie Wein, Zuckerrohr oder Käse. Dies minderte langfristig die Abhängigkeit der Insel vom Weizenanbau.

Literatur

  • Hippolyte Noiret, Documents inédits pour servir à l’histoire de la domination vénitienne en Crète de 1380 à 1485, Paris 1892
  • J. Jegerlehner, Der Aufstand der kandiotischen Ritterschaft gegen das Mutterland Venedig (1363–1365), in: BZ 12 (1903) 78–120, Teil II, ab S. 101: Urkunden, die den Aufstand betreffen
  • Lettere di Mercanti a Pignol Zucchello (1336–1350), Hg. Raimondo Morozzo della Rocca, Venedig 1957
  • Freddy Thiriet (Hg.), Duca di Candia. Ducali e lettere ricevute (1358–60; 1401–1405), Venedig 1978

Siehe auch