Willensnation
Als Willensnation (auch Staatsnation) ist ein Staat im Sinne einer gewollten Gemeinschaft von ansässigen Bürgern unterschiedlicher ethnischer Herkunft zu bezeichnen. Das verbindende „Zusammengehörigkeits- und Identitätsgefühl” (Gemeinschaftsgefühl) hat sich dabei nach sozialpsychologischen Gesichtspunkten entwickelt. Es ist somit kein Indiz für ein Volk, das durch gemeinsame Sprache und Kultur miteinander verbunden ist. In einer Willensnation leben zwar ethnisch verschiedene einheimische Volksgruppen, die sich aber dem gemeinsamen Staatswesen, dem Vielvölkerstaat, zugehörig fühlen.
Dagegen bezeichnen sich typische Einwandererstaaten wie Kanada oder die USA usw. als „Nationen”, obgleich sie die Voraussetzungen für den Begriff einer Nation nicht erfüllen, sondern auch hier steht die Bezeichnung für „Willensnationen bzw. Willensgemeinschaften”. Auch diese Staaten sind nicht durch ethnische Gemeinsamkeit ihrer Bürger geprägt, sondern sehen ihre Daseinsberechtigung allein aus dem Willen der Bürger nach einem gemeinsamen Staatswesen.
Die ethnische Inhomogenität spielt für den Begriff der Staatsnation eine untergeordnete Rolle. Das Konzept der Staatsnation wurde – zumindest auch in der Rückschau – auf die Ereignisse der Französischen Revolution für Frankreich entwickelt.[1] Frankreich gilt daher als Musterbeispiel einer Staatsnation (franz. État-nation), obwohl bereits 1789 die ethnische Integration in Frankreich weit fortgeschritten war. Die Verwendung der Bezeichnung Nation besitzt hier eher psychologischen Charakter, denn damit sollen die unterschiedlichen Ethnien ein Gemeinschafts- und ein „Wir-Gefühl” für den Staat entwickeln und somit gegenteilige Kräfte bändigen und damit den Fortbestand des Staates garantieren.
Die Willensnation steht im Gegensatz zur Kulturnation, der eigentlichen Nation, also einer ethnischen Gemeinschaft von Menschen, die sich durch Sprach- und Kulturgemeinschaft auszeichnet, aber nicht unbedingt vor Staatsgrenzen haltmacht, sondern an kulturellen Eigenarten der Bevölkerungsteile, gebunden ist und von relevanten Faktoren wie Sprache, kulturgeographischen Ähnlichkeiten, gemeinsamer Kunst- und Geistesgeschichte usw. bestimmt wird.
In der Schweiz wird der Begriff „Willensnation“ benutzt, um damit die Verbundenheit aller ansässigen Schweizer Bürger auszudrücken, obgleich die Schweizer verschiedenen sprachlichen, konfessionellen und kulturellen Gruppen zugeordnet werden können.
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Ernest Renan, Qu’est-ce qu’une nation?
Literatur
- Ernest Renan, Qu’est-ce qu’une nation?, Rede vor der Sorbonne, 1882, Paris.