Julian Milejski
Bestimmt eine schlimme Sache die hier passiert ist. Dazu ist der Artikel noch gut geschrieben. Ist die dargestellte Person aber wirklich relevant? -- 88.67.128.221 17:37, 27. Jan. 2008 (CET)

Julian Milejski (* 10. Oktober 1921 in Polen; † 4. Mai 1942 in Stelle, Landkreis Harburg; Schreibweise des Nachnamens auch Mileyski) war ein Pole, der in der Zeit des Nationalsozialismus als Zwangsarbeiter wegen „Rassenschande“ von den Nationalsozialisten ermordet wurde.
Leben
Milejski wurde während des Zweiten Weltkrieges von den Nazis aus seinem Heimatland Polen verschleppt und zur Zwangsarbeit in Deutschland gezwungen.[1] Er musste auf einem Bauernhof in Stelle arbeiten und unterlag als polnischer Zwangsarbeiter den sogenannten Polen-Erlassen, die das Nazi-Regime im März 1940 verfügt hatte. Nach diesen diskriminierenden Vorschriften, die gemäß der rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus von einer Minderwertigkeit von polnischen Zwangsarbeitern ausgingen, musste Milejski zum Beispiel ständig ein sogenanntes Polenabzeichen auf seiner Kleidung tragen. Durch diese Erlasse waren ihm unter anderem auch der Kontakt mit Deutschen strengstens verboten, wobei sexuelle Kontakte mit Staatsangehörigen „deutschen oder artverwandten Blutes“ als „Rassenschande“ galten und mit dem Tode bestraft wurden.
- Siehe Hauptartikel Rassenschande gemäß den NS-Rassengesetzen
Milejski hatte ein Verhältnis zu einer Frau aus Hamburg, die ausgebombt und dann in Stelle auf dem gleichen Bauernhof untergekommen war.[2] Er bekam wegen der ihm drohenden Folgen Angst und wollte sich von seiner Geliebten trennen, die ihn daraufhin denunzierte und bei der Polizei wegen angeblicher „sexueller Nötigung“ anzeigte. Am 4. Mai 1942 wurde Milejski von einem SS-Kommando abgeholt und zum Verhör vor das Rathaus von Stelle abtransportiert, wo er schwer misshandelt wurde. Danach wurde er in ein Waldstück am Rande der Gemeinde Stelle gebracht, wo Helfer bereits an einer alten Eiche einen Galgen gezimmert hatten. Nach und nach wurden die anderen Zwangsarbeiter der Gegend herangefahren, für die der Lynchmord ein abschreckendes Exempel sein sollte. Einige von ihnen mussten Milejski auf eine Kiste stellen, andere ihm eine Schlaufe um den Hals legen.[2] Mehrere Steller Einwohner waren zugegen und sahen tatenlos zu.[1]
Nach Augenzeugenberichten rief Milejski in Todesangst noch „Maria hilf, Maria hilf“, als ein SS-Mann mit den Worten „Nun schrei’ mal nicht so, du bist ja gleich bei ihr“ gegen die Kiste trat. Wie die Zeugen weiter berichteten, erstickte Milejski qualvoll.[2] Bei seinem Tod war er 20 Jahre alt.[1]
Aufarbeitung und Gedenken
„Ich stand vor dem Rathaus unter der alten Eiche, als plötzlich ein Lastwagen mit mehreren Männern vorgefahren kam“, erinnerte sich später die Steller Einwohnerin Mariechen Grundel; es war das letzte Mal, dass die damals Neunjährige den jungen Polen lebend sah. Das Schicksal des Zwangsarbeiters ließ die Rentnerin nicht los und sie bat 2003 den damaligen Bürgermeister von Stelle, sich für einen Gedenkstein für Milejski am Tatort einzusetzen. Im Verwaltungsausschuss der Gemeinde wurde dies jedoch abgelehnt.[3]
Erneute Aufmerksamkeit erregte der Fall, als der damalige Stadtarchivar und frühere Ehrenbürger von Stelle, Gerhard Rieckmann im Jahre 2005 seine Dokumentation über die nationalsozialistische Vergangenheit von Stelle veröffentlichte.[3] In dieser kritischen Ortschronik mit dem Titel Vergangen, aber nicht vergessen. Stelle unterm Hakenkreuz berichtete er auch über die Ermordung des Zwangsarbeiters im Jahre 1942.[1]
Ab Ende 2006 befasste sich eine Gruppe von Schülern der Harburger Haupt- und Realschule Hanhoopsfeld in einem Wahlpflichtkurs zum Thema „NS-Terror in Hamburg-Harburg und Umgebung“ unter anderem auch mit dem Schicksal von Julian Milejski, welches dieser in Stelle im benachbarten niedersächsischen Landkreis Harburg erlitten hatte. Grundlage war die Veröffentlichung von Rieckmann.[1] Die Schüler suchten im November 2006 gemeinsam mit ihrem Geschichtslehrer Günter Schwabe das Waldstück bei Stelle auf, wo Milejski 1942 gehenkt worden war. Von Ortseinwohnern erfuhren sie, dass dieser Hain mit Namen „Kaiser-Wilhelm-Park“ im Ort auch unter den Vulgärbezeichnungen „Henkerswald“ oder „Polenwald“ bekannt ist.[2][4]
Statt einer Gedenkstätte stießen die Jugendlichen dort auf eine „wilde Müllkippe“. Bei nachfolgenden Besuchen räumten die Schüler auf und entsorgten mit Hilfe von Eltern den Müll. Um das damalige Verbrechen aufzuarbeiten und die Erinnerung an die Ermordung Milejskis als Mahnung wach zu halten, entwickelten sie einen Fragebogen und konfrontierten damit im Februar und März 2007 Steller Bürger. Sie trafen dabei auf eine „Unkultur des Verschweigens“, wie ihr Lehrer es nannte. Die jungen Leute des Ortes „wußten nichts“, die meisten Älteren „wollten darüber nicht reden“ und auch der Bürgermeister und der Rat des Ortes „zeigten kein Interesse“, wie Medienvertreter nach Gespächen mit den Schülern, ihrem Lehrer und Ortsansässigen sowie eigenen Recherchen berichteten.[2][5] Auch im Schulunterricht der örtlichen Steller Schule spielte das NS-Opfer Milejski als Teil der örtlichen NS-Vergangenheit bislang keine Rolle.[6]
Die Schüler recherchierten daraufhin nach Angehörigen des Mordopfers und organisierten mit Hilfe ihres Lehrers eine Gedenkveranstaltung in Stelle, die im Juni 2007 unter Beteiligung von mehr als 100 Schülern der Schule Hanhoopsfeld in Form eines Gedenkmarsches vom Steller Bahnhof und am Ort des früheren und neuen Rathauses vorbei zur Hinrichtungsstätte stattfand. Begleitet von dem katholischen Pfarrer Günter Rössler aus der Kreisstadt Winsen (Luhe) legten die Teilnehmer im Gedenken an Julian Milejski einen Kranz nieder, beteten und legten eine Schweigeminute ein. In seiner Gedenkpredigt bemängelte Pfarrer Rössler, dass es am Tatort immer noch kein Mahnmal gibt:
„Augenscheinlich will die Gemeinde lieber einen Mantel des Schweigens über die Vergangenheit legen.“
Zum Abschluss stellten die Schüler mit Hilfe von einigen Steller Bürgern provisorische Gedenktafeln auf.[2][6] Die Aktion erregte öffentliches Interesse; außer in verschiedenen deutschen Medien wurde darüber auch in polnischen Zeitungen und im polnischen Rundfunk ausführlich berichtet.[5]
Die Schüler, von denen einige inzwischen die Schule beendet haben, blieben weiterhin aktiv und wollen eine Patenschaft für das Waldstück übernehmen. Darüber hinaus hoffen sie weiter auf einen Gedenkstein für Julian Milejski. Für ihr Engagement wurde die frühere Schülergruppe der Schule Hanhoopsfeld mit dem „Bertini-Preis für junge Menschen mit Zivilcourage“ für 2007 ausgezeichnet; die Preisübergabe erfolgte am 27. Januar 2008, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Über die Auszeichnung wurde bereits in mehreren deutschen Medien berichtet;[2][7][8] sowie auch in der größten deutschsprachigen Zeitung in den USA, der Amerika Woche[9].
Weblinks
- Vergangen, aber nicht vergessen! Trauerzug zum Gedenken an Julian Milejski, Aufruf von Schülerinnen und Schülern der Geschichts-AG der Schule Hanhoopsfeld in Hamburg-Harburg, anlässlich eines Gedenkmarsches und einer Gedenkveranstaltung am 26. Juni 2007 in Stelle (PDF-Datei)
- Gedenktag in Stelle. Schüler trauern um den ermordeten Julian Mileyski, Bericht vom 2. Juli 2007 auf der Webseite der Schule Hanhoopsfeld in Hamburg-Wilstorf im Bezirk Hamburg-Harburg
Quellen und Einzelnachweise
- Gerhard Rieckmann: Vergangen, aber nicht vergessen. Stelle unterm Hakenkreuz. Selbstverl., Stelle 2005.
- ↑ a b c d e Gerhard Rieckmann: Vergangen, aber nicht vergessen. Stelle unterm Hakenkreuz. Selbstverl., Stelle 2005.
- ↑ a b c d e f g Gegen die Unkultur des Verschweigens. Harburger Schüler kämpfen um das Andenken eines NS-Mordopfers / Mit Bertini-Preis ausgezeichnet, Bericht von Dirk Averesch, Weser-Kurier Bremen, 24. Januar 2007
- ↑ a b Aktion gegen das Verschweigen, Bericht im Nordheide-Wochenblatt, Buchholz in der Nordheide, 27. Juni 2007
- ↑ Schüler recherchieren gegen das Vergessen, Bericht im Hamburger Abendblatt, 28. Juni 2007
- ↑ a b Pamięć wraca do Stelle, Bericht von Bartosz T. Wieliński in der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, 27. Juni 2007 (polnisch)
- ↑ a b Recherche: „Es gibt Untaten, über die kein Gras wächst“ (Ernst Bloch), Bericht von Günter Schwabe, Hamburger Lehrerzeitung, 8. September 2007
- ↑ Noch mehr Bertini-Preisträger, Bericht von Andreas Schmidt, Hamburger Abendblatt, 20. Dezember 2007
- ↑ Schüler kämpfen um das Andenken eines NS-Mordopfers – Bertini-Preis, Onlinebericht auf glaubeaktuell.net, 22. Januar 2008
- ↑ Schüler kämpfen um das Andenken eines NS-Mordopfers - Bertini-Preis, DPA-Bericht von Dirk Averesch, Amerika Woche – Die deutsche Zeitung für Amerika, 21. Januar 2008
Personendaten | |
---|---|
NAME | Milejski, Julian |
ALTERNATIVNAMEN | Mileyski, Julian |
KURZBESCHREIBUNG | polnischer Zwangsarbeiter und NS-Opfer |
GEBURTSDATUM | 10. Oktober 1921 |
GEBURTSORT | Polen |
STERBEDATUM | 4. Mai 1942 |
STERBEORT | Stelle |