Kulturlandschaft
Definitionen
Definition „Kulturlandschaft“
- „Eine vom Menschen zwar intensiv genutzte, jedoch durch kleinräumige Wirtschaftsweisen geprägte Agrarlandschaft, deren Haushalt durch eine Vielzahl von Landschaftselementen ökologisch relativ stabil ist und in ihrer Physiognomie naturräumliche Verschiedenheiten wahrt.“ (Briemle 1978)
- „Die Kulturlandschaft entsteht durch die dauerhafte Beeinflussung, insbesondere auch die wirtschaftliche und siedlungsmäßige Nutzung der ursprünglichen Naturlandschaft durch menschliche Gruppen und Gesellschaften im Rahmen der Ausübung ihrer Grunddaseinsfunktionen. Ihre regional differenzierte Ausprägung ist nicht durch die Natur determiniert, wohl aber von ihr beeinflusst und zwar um so stärker, je geringer die technologische Entwicklung der die Kulturlandschaft gestaltenden Gruppe ist. Die Kulturlandschaft erhält ihre regionale Ausprägung insbesondere durch die Wohnfunktion (Art und Verteilung der menschlichen Siedlungen), die Art der wirtschaftlichen Tätigkeit (agrarische Landnutzung, Rohstoffgewinnung, Industrie und Gewerbe) und die Ausbildung des Verkehrsnetzes.“ (Diercke 1991)
Das Wort Kultur (im landbaulichen Sinne) wird dabei nicht nur verstanden als Urbarmachung und Pflege des Bodens, sondern vielmehr als Ausdruck des menschlichen Schaffens im ländlichen Raum schlechthin. Für die landschaftliche Ausstattung gelten somit die gleichen Maßstäbe wie für die kulturellen Bauten und das geistig-kulturelle Gedanken- und Brauchtumsgut. Demzufolge ist nicht nur die Pflanzendecke relevant, sondern auch jedes sichtbare Zeichen für die Landschaftsverbundenheit des Bauern. Bei Art, Umfang und Intensität der Bewirtschaftung machte er sich den sich weitgehend selbst stabilisierenden Naturhaushalt zunutze. Solche von Menschen geschaffene Landschaftselemente sind z. B. Heckensäume und Gehölzinseln neben Feldern zum Schutz vor Wind und Austrocknung. Einzelbäume wie Obsthochstämme oder Eichen als Schattenbäume auf Viehweiden. Aber auch Feldraine und Trockenmauern zur Minderung von Erosionsschäden und zur Erleichterung der Bewirtschaftung. Lesesteinriegel wurden bei der Urbarmachung von steinigen Wiesen oder Feldern angelegt. Diese ehemals in Sinne einer bäuerlichen Landwirtschaft nützlichen Landschaftselemente stören heute oftmals bei der Bewirtschaftung großer Flächen. Sie erfahren Schutz z. B. durch die Ausweisung als Kulturdenkmäler.
Demgegenüber weisen Industriegebiete und viele Großstädte eine entsprechende durch Industrie- und Verkehrsanlagen gekennzeichnete Kulturlandschaft auf.
Definition „Wirtschaftslandschaft“
- „Eine durch großräumige Wirschaftsweisen intensiv genutzte Agrarlandschaft, die durch nivellierende Eingriffe des Menschen, Ausräumung von raumgliedernden Landschaftselementen sowie durch Uniformität geprägt ist und deren Haushalt über künstliche Eingriffe im ökologischen Gleichgewicht gehalten wird.“ (Briemle 1978)
Diese Definition beschränkt sich nicht nur auf die Pflanzendecke als Indikator für den Grad der Nutzungsintensität, sondern bezieht auch den Grad der Entfernung des Menschen von einer gewachsenen Kulturlandschaft ein, zu welcher der gestaltende Landwirt noch ein inniges Verhältnis hatte. Aus sozioökologischen Gründen ist es ein Anliegen der Industriestaaten, ihre gewachsenen Kulturlandschaften zu erhalten und nachhaltig zu pflegen (siehe auch Landschaftspflege).
Allgemeines
Evolutionäre Aspekte
Kulturlandschaft (allg.) bezeichnet die durch den Menschen geprägte Landschaft. Wichtige Faktoren (sogenannte Wirkfaktoren) für die Entstehung und Entwicklung der Kulturlandschaft sind sowohl Beschaffenheit (Standortbedingungen) des Naturraums, die ursprüngliche Fauna und Flora, die menschlichen Einflüsse als auch die daraus resultierenden Wechselwirkungen.
Regionale Aspekte
Die mitteleuropäische Kulturlandschaft ist durch die landwirtschaftliche Nutzung geprägt. Diese Nutzungsform schuf bis zur Intensivierung (ab Mitte 20.Jh.) extrem artenreiche Habitate bzw. Biotope (z.B. Feuchtgebiete, Moorbiotope, Streuobstwiesen). Diese gingen aus wirtschaftlich-profitorientierten Beweggründen der Landschaft verloren. Doch noch immer sind die bestehenden Kulturlandschaften - je nach Grad der regional erheblich differenzierten Intensivierung - in ihrer Gesamtheit (Biodiversität) artenreicher, als es eine vom Wald beherrschte, humide Florenregion erlaubt.
Kulturlandschaften in der Liste der UNESCO-Welterbestätten
Folgende Kulturlandschaften im deutschsprachigen Raum wurden bisher in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen, da sie durch ihren „außergewöhnlich universellen Wert“ besonders erhaltenswert sind:
Deutschland
- 2000 - Dessau-Wörlitzer Gartenreich
- 2000 - Klosterinsel Reichenau im Bodensee
- 2002 - Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal
- 2004 - Kulturlandschaft Dresdner Elbtal
- 2004 - Fürst-Pückler-Park Bad Muskau
Österreich
- 2001 - Kulturlandschaft Neusiedler See (Fertőd) (grenzübergreifend mit Ungarn)
Niederlande
- 1995 - Polderlandschaft Schokland
Die Aufnahme in die UNESCO-Liste beinhaltet eine besondere Verpflichtung zum Erhalt dieser Kulturlandschaften.
Das wissenschaftliche Studium von Kulturlandschaften
Die Cultural Landscape als System der Interaktion menschlicher Tätigkeit und natürlicher Umwelt ist in einem Sinne, der über die UNESCO-Definition hinausgeht, Gegenstand des Studiengangs Master of Cultural Landscapes (MaCLands), der als European Master gemeinsam von den Universitäten Neapel, St.-Étienne und Stuttgart angeboten wird: (www.maclands.eu).
Literatur
- BMVBS/BBR (Hrsg.): Regionale Kulturlandschaftsgestaltung. Neue Entwicklungsansätze und Handlungsoptionen für die Raumordnung. BBR-Online-Publikation 18/2007, Bonn 2007, ISSN 1863-8732
- G. Briemle: Flurbereinigung. Bereicherung oder Verarmung der Kulturlandschaft? In: Schwäbische Heimat, 29. Jg. (1978), Heft 4, S. 226–233
- B. von Dziembowski, D. von König, U. Weilacher (Hrsg.): NEULAND. Bildende Kunst und Landschaftsarchitektur. Birkhäuser Verlag, Basel 2007, ISBN 9783764386191
- K. Buchwald, W. Engelhard: Handbuch für Planung, Gestaltung und Schutz der Umwelt. 4 Bände. BLV, München u. a. 1980, ISBN 3-405-12033-0
- K. Buchwald, W. Engelhard: Landschaftspflege und Naturschutz in der Praxis. BLV, München u. a. 1984, ISBN 3-405-11200-1
- P. Burggraaff, K.-D. Kleefeld: Historische Kulturlandschaft und Kulturlandschaftselemente. Angewandte Landschaftsökologie 20, Bonn-Bad Godesberg 1998, ISBN 3-89624-318-7
- P. Burggraaff (Red.): Kulturlandschaftspflege. Sukzession kontra Erhalten. NUA-Seminarbericht 3, 1999, ISSN 1436-0284
- V. Denzer u. a. (Hrsg.): Kulturlandschaft. Wahrnehmung - Inventarisation - Regionale Beispiele. Fundberichte aus Hessen, Beiheft 4, Wiesbaden 2005, ISBN 3-7749-3334-0
- U. Harteisen u. a. (Hrsg.): Kulturlandschaftsforschung und Umweltplanung. Tagungsdokumentation, GCA-Verlag, Herdecke 2000, ISBN 3-89863-043-9
- H. Küster: Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa. Von der Eiszeit bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39525-2
- Landschaftsverband Rheinland u. a. (Hrsg.): Kulturlandschaft digital - Forschung und Anwendung. Tagungsdokumentation, Beiträge zur Landesentwicklung 58, Selbstverlag, Köln 2005
- Stephan A. Lütgert (Hrsg.): Zukunft der Vergangenheit? Nachhaltige Inwertsetzung kulturlandschaftlicher Potenziale in marginalisierten Räumen. Tagungsband, Selbstverlag, Schöningen 2004, ISBN 3-00-010977-3
- Ulf Matthiesen (Hrsg.): Kulturlandschaften als Herausforderung für die Raumplanung. Verständnisse - Erfahrungen - Perspektiven. Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Hannover 2006, ISBN 3-88838-057-X
- C. Troll: Landschaftsökologie (Geoecology) und Biogeocoenologie. Eine Terminologische Studie. In: Revue Roumaine de Geologie Geophysique et Geographie, Série de Géographie, 14 (1971), S. 9–18
- C. Wiegand: K.-D. Kleefeld (Red.), Kulturlandschaften in Europa - Regionale und Internationale Konzepte zur Bestandserfassung und Management. Hannover 2001, ISSN 0175-5951
- Bauerochse/Haßmann/Ickerodt (Hrsg.), Kulturlandschaft - administrativ - digital - touristisch, Erich Schmidt Verlag, Berlin, 2007, ISBN 978 3 503 097944
Siehe auch
Siehe jedoch
Weblinks
- Deutsche Kulturlandschaft. Werden, Wandel und Bewahrung deutscher Kulturlandschaften Ein historisch-geografischer Längsschnitt
- Die Kulturlandschaft von morgen ist nicht die von gestern Robert de Jong, President International Committee of Historic Gardens-Cultural Landscapes, ICOMOS/IFLA (November 2002)
- UNESCO Cultural Landscapes (engl.)
- Europäische Kulturlandschaften, ein „künstlerisches Forschungsprojekt“
- Literatursuche im deutschsprachigen Teil des KVK nach „Kulturlandschaften“
- Kulturlandschaftsmuseum Grenzerfahrung, das erste Kulturlandschaftsmuseum im deutschen Sprachraum
- KuLaDigNW, Informationssystem über die Kulturlandschaft in NRW