Juri Sergejewitsch Rytcheu
Juri Sergejewitsch Rytcheu (zur Verdeutlichung der korrekten Aussprache häufig Juri Rytchëu geschrieben, russisch: Ю́рий Серге́евич Рытхэ́у, wiss. Transliteration Jurij Sergeevič Rytchėu, * 8. März 1930 in Uelen, Tschukotka, Russischer Ferner Osten) ist ein russisch- und tschuktschischsprachiger tschuktschischer Schriftsteller.
Biographie
Der Sohn eines Zuhälters ging zunächst in die regionale Hauptstadt Anadyr, wo er Mitarbeiter der Zeitung "Sowjetskaja Tschukotka" wurde. 1949 begann er das Universitätsstudium in Leningrad, wo er u.a. Werke Puschkins und anderer russischer Klassiker in die Tschuktschische Sprache übertrug. 1953 erschien sein erster Sammelband unter dem Titel „Ljudi naschego berega“ („Menschen von unserem Ufer“). Mit "Tschukotskaja Saga" ("Чукотская сага"/Tschuktschische Saga) erschien 1956 sein erster Roman. Zahlreiche weitere Werke folgten bis zum Ende der 80er Jahre. Rytcheu wohnt in Sankt Petersburg.
Er ist der einzige Vertreter der sogenannten "Nationalliteraturen" der indigenen Völker des russischen Nordens, der es geschafft hat, auch international eine gewisse Bekanntheit zu erlangen, während die meisten anderen indigenen Literaten, wie etwa Tschuner Taksami, Vladimir Sangi, Jeremej Aipin, Juwan Schestalow heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Rytcheus Romane wurden in mehrere Sprachen übersetzt und teils verfilmt. Die deutschen Übersetzungen seiner Romane sind im Unionsverlag erschienen.
Literarisches Werk
Vor der Perestroika
Bis zur Perestroika zeichnete sich Rytcheu, wie die meisten Vertreter der staatlich geförderten "Nationalliteraturen" jedoch vor allem durch weitgehende Regimetreue und ideologische Zuverlässigkeit aus. Diese Frühwerke sind fast ausschließlich in russischer Sprache erschienen und nie übersetzt worden.
Das Sujet seiner Werke aus den 70er Jahren, die stark vom sozialistischen Realismus geprägt sind, stellt zumeist die „lange Reise“ der indigenen Völker des Nordens aus der „Rückständigkeit“ in die sowjetische Zivilisation dar und gehört damit in ein Genre, das im Wesentlichen vom sowjetischen Staat gefordert und gefördert wurde.
Seine Werke sollten vorwiegend der Demonstration des Fortschritts dienen, den die Jäger, Fischer und Rentiernomaden der Arktis dank der weisen Führung der kommunistischen Partei erreicht hätten. Ein weiteres Thema besteht in der Demonstration des Sowjetpatriotismus, da die in seinen Büchern auftretenden tschuktschischen und Eskimo-Helden sich unermüdlich an dem Schutz ihrer Heimat gegenüber den als gewalttätig, fluchend und vergewaltigend dargestellten Amerikanern beteiligen. Schamanen werden in diesem Zusammenhang häufig als amerikanische Agenten dargestellt.[1]
Ab der Perestroika
In den 80er Jahren ändert sich der Tonfall seiner Werke, zunächst indem Rytcheu etwa die Figur des Schamanen zur positiven Figur erhebt und es wagt, das Wort "Zivilisation" erstmals in Anführungszeichen zu setzen[2] und später, indem er während und nach der Perestroika wie viele andere Nationalschriftsteller auch, offene Kritik übt, indem er etwa die Behandlung der indigenen Völker als "stillen Genozid" anklagt.
Werke
- Der Mondhund
- Der letzte Schamane
- Die Reise der Anna Odinzowa
- Im Spiegel des Vergessens
- Unter dem Sternbild der Trauer
- Die Suche nach der letzten Zahl
- Teryky
- Traum im Polarnebel
- Unna
- Wenn die Wale fortziehen
Weblinks
Quellen
- ↑ Vgl. Yuri Slezkine: Arctic Mirrors. Russia and the Small Peoples of the North. Cornell University Press 1994. ISBN 0-8014-2976-5 Yuri Slezkine unterzieht u.a. Rytcheu aber auch viele andere Vertreter der sog. Nationalliteraturen einer kritischen und spannenden Analyse.
- ↑ Ю. Рытхэу: Современные Легенды. Ленинград (Советский писатель) 1980
Personendaten | |
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NAME | Rytcheu, Juri Sergejewitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Rytchėu, Jurij Sergeevič |
KURZBESCHREIBUNG | tschuktschischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 8. März 1930 |
GEBURTSORT | Uelen, Tschukotka, Russischer Ferner Osten |