Gleitschirmfliegen

Die Luftsportart Gleitschirmfliegen ist i.e.S. Gleitsegeln mit Gleitschirm. Die heute oft synonym verwendeten Begriffe Gleitsegeln, Gleitsegelfliegen oder Paragleiten enthalten demgegenüber grundsätzlich keine Aussagen zur Art des verwendeten Schirms.
Geschichte
Definitionsgemäß begann Gleitschirmfliegen 1965 mit dem ersten "echten" Gleitschirm, dem Sailwing von David Barish. Nachdem die von diesem propagierte neue Sportart "Slope Soaring" (s.a. Gleitsegeln) damals nur geringe Resonanz fand und Barish nach dem Einstellen der Fallschirm-Forschungsprogramme durch die NASA letztlich auch die Weiterentwicklung des Sailwing aufgab, führte dies Ende der 60er auch zu einem vorläufigen Ende des "Gleitschirmfliegens i.e.S.".
Die Entwicklung des Gleitsegelns brach damit aber nicht ab, sondern setzte sich (allerdings im Prinzip vorerst als Spezialdisziplin des Fallschirmsports) in der Form des Bergfliegens fort, bis es Anfangs der 80er erneut zur Entwicklung eigenständiger Gleitschirme kam und sich Gleitschirmfliegen doch schließlich als eigene Sportart durchsetzte. Fast so, wie es sich Barish schon 1965 vorgestellt hatte.
Weiterer geschichtlicher Hintergrund siehe Gleitsegel und Gleitsegeln
Starten, Fliegen und Aufdrehen

Starten
Gestartet werden Gleitschirme üblicherweise von Bergen oder Hügeln oder durch Windenschlepps.
Vorwärtsstart (auch Alpinstart genannt)
Der Pilot steht vor dem Gleitschirm und läuft langsam los. Durch den Zug an den vorderen Tragegurten über die Leinen bringt er den Gleitschirm über sich. Durch den "Gegenwind" wird das Segel mit Luft gefüllt und der Gleitschirm formt sich zu einem Flügel mit aerodynamischem Profil. Der Pilot beschleunigt nun weiter durch Vorwärtslaufen und ab einer bestimmten Geschwindigkeit fängt der Schirm an zu tragen und hebt den Piloten in die Luft.
Rückwärtsstart
Hier steht der Pilot mit dem Gesicht zum Schirm, den Aufwind im Rücken. Durch einen Zug an den Leinen beginnt der Schirm nun wie beim Vorwärtsstart über den Piloten zu steigen. Nun muss dieser sich ausdrehen, damit er entgegen dem Wind loslaufen kann.
Bei dieser Startmethode ist es für den Piloten möglich, bereits während dem Steigen des Schirms Korrekturen durchzuführen. Dadurch empfiehlt er sich insbesondere bei starken Windverhältnissen.
Steuern
Gesteuert wird der Gleitschirm durch eine rechte und linke Steuerleine, die über mehrere Leinen mit der Hinterkante des Gleitsegels verbunden sind. Bei Zug an einer Steuerleine wird der Gleitschirm einseitg angebremst und lenkt in Richtung der angebremsten Seite in die Kurve. Gewichtsverlagerung zur kurveninneren Seite unterstützt das Einleiten einer Kurve zusätzlich.
Beschleunigen
Durch ein fußgesteuertes Seilzugsystem oder sog. Trimmer kann der Pilot den Anstellwinkel des Gleitschirms beeinflussen. Durch Beschleunigen wird die Vorderkante des Schirms nach unten gezogen, dieser nimmt dadurch mehr Geschwindigkeit auf. Der kleinere Anstellwinkel bewirkt neben der erhöhten Vorwärtsgeschwindigkeit ein stärkeres Sinken sowie eine erhöhte Dynamik des Schirms bei Störungen der anliegenden Strömung, hervorgerufen durch Turbulenzen in der Luft. Aus diesem Grund wird der Beschleuniger nur eingesetzt, wenn Gebiete mit sinkenden Luftmassen durchquert werden müssen (z.B. Fallwinde) oder um gegen stärkeren Wind voranzukommen.
Aufdrehen
Unter Ausnutzung von Thermik kann mit diesem Fluggerät Höhe gewonnen werden. Diese Aufwinde können bis zur Wolkenuntergrenze ausgenutzt werden. Unter normalem Luftrecht (ICAO) darf bis maximal 3.048 Meter über Normalnull (=FL 100), in speziellen Zonen (z.B. in den Schweizer Alpen am Wochenende) bis max. 5.600 m aufgestiegen werden. Mit dieser gewonnenen Höhe kann man eine weitere Thermik im Umkreis von 1-3km (abhängig von Windstärke, Höhe der umliegenden Berge und Gleitleistung des Fluggeräts) suchen, bei der das Spiel weitergeht. Diese Flugart bezeichnet man als Thermikfliegen.
Eine weitere Spielart wird Soaren genannt. Hierbei werden Aufwinde, die durch dynamischen Wind an Hindernissen wie Bergflanken entstehen, zum Höhengewinn ausgenutzt.
Bei geeigneter Anwendung dieser Techniken können grössere Strecken (siehe Rekorde) zurückgelegt werden.
Ausbildung und Lizenz
In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist eine Ausbildung mit abschließender Lizenz zum Gleitschirmfliegen vorgeschrieben. Diese darf nur durch eine zugelassenen Flugschule erfolgen.
Deutschland

Die Ausbildung beginnt mit einer theoretischen Einweisung und einfachen Übungen zum Aufziehen in einem Grundkurs. Nach drei bis sieben Tagen und 20 Flügen mit einer Höhendifferenz von 40 bis 100 Metern zwischen Start- und Landeplatz kann man einen Lernausweis erhalten.
Der nächste Schritt ist eine Höhenflugausbildung mit einer theoretischen Ausbildung in den Fächern Luftrecht, Meteorologie, Gerätekunde und Verhalten in besonderen Fällen im Umfang von 20 Unterrichtsstunden und 40 Flügen mit verschiedenen Übungen im praktischen Teil. Dabei wird unter Aufsicht von zwei Fluglehrern die Höhendifferenz schrittweise auf über 500 Meter gesteigert. Nach erfolgreich bestandener theoretischer und praktischer Prüfung erhält der Pilot den beschänkten Luftfahrerschein, genannt A-Schein.
Mit dem A-Schein darf der Pilot von einem zugelassen Startplatz starten und auf einem der zugehörigen Landeplätze landen. Der B-Schein (unbeschränkter Luftfahrerschein) lässt, wiederum ausgehend von einem zugelassenen Startplatz, Überlandflüge mit beliebigem Landeplatz zu (Außenlandung).
Schweiz
Erste Schritte werden unter Aufsicht eines Fluglehrers an einem Übungshang gemacht. Hier wird das Boden- und Starthandling geübt und bei den ersten Hüpfern auch die grundlegenden Steuermanöver geübt. Danach beginnt die Schulung an den sog. Höhenflügen. Damit sind Flüge gemeint, die eine Höhendifferenz zwischen Start- und Landeplatz von mehr als 200 Metern aufweisen.
Parallel dazu erfolgt die theoretische Ausbildung: Material-, Wetterkunde, Fluglehre und -praxis sowie die Gesetzgebung sind die fünf Bereiche, zu denen eine theoretische Prüfung abgelegt werden muss. Nach der theoretischen erfolgt die praktische Prüfung an der während dreier Flüge das Beherrschen des Fluggeräts bei Start, definierten Flugmanövern und der Ziellandung gezeigt werden muss.
Nach diesen beiden Prüfungen, die der SHV im Auftrag des BAZL durchführt, darf man in der Schweiz einen Einzelplatz-Gleitschirm ohne Einschränkungen bezüglich Flugdistanz fliegen. Lediglich für Biplace-Gleitschirme ist eine weitere (sehr strenge) Prüfung notwendig.
Ausrüstung
Zur Ausrüstung eines Gleitschirmpiloten gehört natürlich in erster Linie der Gleitschirm (Kappe). Weiter benötigt er noch ein Gurtzeug, in dem er sitzt. Zur Vermeidung von Verletzungen ist im Gurtzeug ein Protektor (Schaumstoffkissen oder Airbag) untergebracht, der unsanfte Stöße auf den Boden mildert. Das Gurtzeug wird durch Karabinerhaken mit den Tragegurten des Schirms verbunden. Im Weiteren besteht die Ausrüstung noch aus einem Rettungsfallschirm, der als Rettungsgerät bei nicht mehr fliegbarem Hauptschirm fungiert.
Viele Gleitschirmpiloten haben als technisches Hilfsmittel ein Vario zur Höhenkontrolle und ein GPS zur Positionsbestimmung dabei. Manche Piloten führen zusätzlich ein Funkgerät mit. Dieses dient meist der privaten Kommunikation, Flugfunk ist bei dieser Fliegerei nicht vorgeschrieben.
Zur Bekleidung werden gerne warme, winddichte Textilien (z.B. Goretex) verwendet, da es mit zunehmender Flughöhe kälter wird. Schuhe mit hohem Schaft als Knöchelschutz und ein Helm (Pflicht) gehören ebenso zur Ausrüstung.
Wettkampf
Der Gleitschirmsport wird in verschiedenen Disziplinen ausgeübt:
- Als klassische Disziplin hat sich das Streckenfliegen etabliert. Hier gibt es neben clubinternen, regionalen und nationalen Wettkämpfen auch internationale Wettkämpfe (siehe PWC und PGGP).
- Eine jüngere Wettkampfdisziplin des Gleitschirmsports ist das Gleitschirm-Akro. Eine Meisterschaft wird für 2005 etabliert.
Für bekannte Gleitschirmpiloten siehe auch: Liste der Gleitschirmpiloten
Rekorde
- Der aktuelle Weltrekord im Streckenfliegen liegt bei 423,4 km und wurde am 21. Juni 2002 in Zapata, Texas vom Kanadier William Gadd erflogen.
- Der aktuelle Europarekord liegt bei 323,5 km und wurde am 10. Juni 2004 vom Schweizer Chrigel Maurer auf der Strecke Niesen im Berner Oberland - Landeck in Tirol erflogen.
- Der aktuelle Höhenrekord wurde von 'Mad Mike Küng' im April 2004 aufgestellt. Er sprang von einem Ballon in 10'100 Meter ab.
Weblinks
- http://www.dhv.de/ - Deutscher Hängegleiter-Verband e. V.
- http://www.shv-fsvl.ch/ - Schweizerischer Hängegleiter Verband
- http://www.gleitschirm-faq.de/ - Antworten zu Fragen rund ums Gleitschirmfliegen
- http://www.verheddert.de/para/abc.html - Gleitschirm-ABC
Literatur
- Fachzeitschrift GLEITSCHIRM Zeitschrift für Gleitschirmflieger, Thermik Verlag (Wels)
- Buch Gleitschirmfliegen - Theorie und Praxis , Peter Janssen, Karl Slezak, Klaus Tänzler, Nymphenburger Verlag