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Ökologismus

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Der Begriff Ökologismus bezeichnet im englischen Sprachraum (als ecologism) eine geistige Haltung, welche die Umwelt zentral setzt und Menschen eingebunden in ökologische Zusammenhänge sieht. Häufig wird Ökologismus gleichbedeutend mit einem auf umweltethischer Orientierung basierenden Umweltschutzengagement (auf englisch environmentalism) verwendet. Im deutschsprachigen Raum dagegen dient der Begriff überwiegend als (abwertende) Fremdbezeichnung im Sinne eines -ismus.

Ökologismus und Umweltschutz nach Dobson

Nach Andrew Dobson erfüllt Ökologismus alle Charakteristika einer politischen Ideologie und sollte daher in einer Reihe mit anderen etablierten Ideologien wie Konservatismus, Liberalismus oder Sozialismus gesehen werden. Ökologismus, so Dobson, biete eine analytische Beschreibung der Gesellschaft, setze eine bestimmte wünschenswerte Form von Gesellschaft voraus, und biete drittens eine Programmatik für politisches Handeln.

Nach Dobson erfüllt Umweltschutz als politisches Konzept nicht die Charakteristika einer Ideologie und sollte daher eher als weiches oder hellgrünes Denken verstanden werden. Umweltschutz setzt demnach darauf, durch geschicktere Anwendung effizienterer oder sauberer Technologien zu einer nachhaltigen Wirtschaft gelangen zu können. Ökologismus hingegen erachtet weit reichende Umwälzungen im Verhältnis des Menschen zur Natur zur Erreichung dieses Zieles für notwendig und sieht die gegenwärtige soziale und politische Ordnung als in sich nicht fähig zur Nachhaltigkeit. Er kann als hartes oder dunkelgrünes Denken angesehen werden, was seine Verbindung mit Konzepten wie Tiefenökologie oder den Grenzen des Wachstums deutlich macht.

Ökologismus sieht vor allem einen starken Anthropozentrismus als Ursache globaler Umweltzerstörung, der sich in menschlicher Herrschaft über die Natur niederschlägt. Während manche Ökologisten deshalb anthropozentrisches Denken prinzipiell kritisieren, glauben andere dass jedes Denken notwendigerweise anthropozentrisch sein muss und differenzieren daher zwischen unterschiedlichen Ausprägungen solchen Denkens. Kritisiert wird in jedem Fall, dass in der Moderne der Mensch zunehmend als atomistisches Wesen wahrgenommen wurde, das losgelöst von ökologischen und teilweise sogar sozialen Zusammenhängen existiere. Dieses Bild, gemeinsam mit der besonderen Betonung der Rationalität unter anderem in der Wissenschaft, habe zu einer Geringschätzung der Natur und zu menschlicher Herrschaft über sie geführt. Die Folge sei, dass Natur fortan nur noch als instrumentell zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse wahrgenommen wurde, nicht jedoch als Wert an sich.

Umweltethik

In Teilen des ökologistischen Diskurses wird dem eine Umweltethik entgegen gesetzt, welche diesen Schwachpunkt beheben soll. Nach einer anderen Position bedürfe die Umweltkrise nicht nur der Lösung ethisch-philophischer Probleme, sondern eines neuen Wertesystems und eines neuen Verständnisses von der Eingebundenheit des Menschen in die Ökologie. Der Philosoph Hans Jonas prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des ökologischen Imperativs (in Anlehnung an Immanuel Kants kategorischen Imperativ), dessen Wortlaut heißt:

„Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“

Jonathon Porritt greift diesen Imperativ in seiner Argumentation auf und schreibt, dass er die Abhängigkeit allen menschlichen Lebens von den Ökosystemen der Erde verdeutliche und klar mache, dass das Überleben der Menschheit des Überlebens der Ökosphäre bedürfe. Murray Bookchin vertrat seit den 1970er Jahren das Konzept der sozialen Ökologie, das dem Biozentrismus mancher Ökologisten entgegen gestellt war und die Ursache für Umweltzerstörung nicht in der Existenz von Menschen an sich, sondern in bestimmten sozialen und ökonomischen Strukturen sah. Unter diesen hielt er den Kapitalismus für eine der bedeutendsten. Außerdem trug Bookchin mit seinen Schriften zur Entwicklung des Öko-Anarchismus bei. Schließlich weist der Ökologismus Parallelen zur Bewegung des Ökofeminismus auf, sichtbar an den Schriften von Maria Mies.

Kritik am Ökologismus

Ch. Strawe bezeichnete den Ökologismus als "folgenschwerste Ideologie der Gegenwart", deren Vordenker vor allem aus der neomarxistischen Szene und dem anthroposophischen Umfeld stammten.[1]

Heinrich Eilingsfeld bezeichnete den Ökologismus als eine mit romantischer Irrationalität aufgeladene Ideologie des Umweltschutzes, die mit neomarxistischen gesellschaftspolitischen Konzepten für den politischen Kampf präpariert wurde.[2]

Der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx schrieb 1996, der Ökologismus biete alle spirituellen Hilfsmittel erfolgreicher Glaubenssysteme: Rituale, egalitäres Pathos, Endzeitgrusel und das Gefühl, einer verkannten Elite der Rechtgläubigen anzugehören.[3][4]

Der Evolutionsbiologe und Ökologe Josef H. Reichholf hält die Vorstellung von einem "Gleichgewicht der Natur" für einen grundlegenden Irrtum des "religiösen Ökologismus", da Ökosysteme immer im Fluss seien.[5]

Im deutschen Sprachraum wurde der Begriff - ähnlich wie durch Kenny - von dem Historiker Joachim Radkau in seinem im Jahr 2000 erschienenen Buch Natur und Macht. Weltgeschichte der Umwelt als Ideologie (und seiner Diktion nach als einzige Alternative zum Kapitalismus) beschrieben.

Die Publizisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch griffen den Begriff im Jahr 2002 auf: „Ökologismus hegt einen konservativen Groll gegen jeglichen Wandel und wittert überall Verfall und Niedergang.“[6] Ökologisches Verhalten sei demnach dann ökologistisch, wenn Radikalität oder Ideologie im Sinne eines Öko-Fundamentalismus im Vordergrund stünden sowie die Belange des Umwelt- und Tierschutzes generell Vorrang vor menschlichen Bedürfnissen und Interessen beanspruchen würden. Sie bezeichnen Ökologismus auch als Glauben, der es „in Deutschland beinahe schon zur neuen Staatsreligion gebracht“ habe.[7]

Josef Joffe in der Zeit stellt ebenfalls einen endzeitreligiösen, chiliastischen Aspekt der Ökodebatte fest und macht dies insbesondere beim von Joffe als „Klimatismus“ bezeichneten Umgangs mit der globalen Erwärmung fest.[8] Ähnlich bezeichnet auch Henryk Broder den Umgang mit der globalen Erwärmung als „religiöse Erweckungsbewegung“.[9]

Literatur

  • Brian Baxter: Ecologism: An Introduction. Edinburgh University Press, 2000, ISBN 978-0748611775
  • Andrew Dobson: Green Political Thought. Routledge, Vierte Ausgabe 2007, ISBN 978-0415403528
  • Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung - Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Suhrkamp Verlag 1984, ISBN 3-518-375857
  • Michael Kenny: Ecologism, in: Robert Eccleshall et al.: Political Ideologies: An Introduction. Routledge, Dritte Ausgabe 2003, S. 151-180. ISBN 978-0415236782
  • Maria Mies und Vandana Shiva: Ökofeminismus. Beiträge zur Praxis und Theorie. Rotpunktverlag, 1995, ISBN 978-3858691224
  • Jonathon Porritt: Seeing Green. Blackwell Publishers, 1984, ISBN 978-0631138921
  • Mark J. Smith: Ecologism: Towards Ecological Citizenship. Open University Press, 1998, ISBN 978-0816633012
  • Joachim Radkau: Natur und Macht. Weltgeschichte der Umwelt., C.H.Beck Verlag, 2002 ISBN 978-3406486555

Kritik des Ökologismus

Quellen

  1. Ch. Strawe, Anthroposophie und Marxismus, Stuttgart, 1986
  2. Heinrich Eilingsfeld, Der sanfte Wahn - Ökologismus total, Mannheim, 1989.
  3. http://www.konservativ.de/buch/max_oeko.htm
  4. http://www.sonntagsblatt.de/artikel/2000/3/3-s7.htm
  5. Josef H. Reichholf: Die falschen Propheten - Unsere Lust an Katastrophen.
  6. D. Maxeiner, M. Miersch: Lexikon der Öko-Irrtümer. Fakten statt Umweltmythen. Piper Verlag, 2002.
  7. Dirk Maxeiner, Michael Miersch: Lasset uns Mülltrennen. Der Ökologismus als neue Religion der Wohlstands-Eliten. In: Cicero, Februar 2005
  8. Josef Joffe: »Ich bin Dein Gore … und Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.« Der Klimatismus als neue weltliche Religion. In: Die Zeit vom 18. Oktober 2007, Nr. 43
  9. Beitrag in Broders Videoblog Broder, oder!, 12. März 2007