Brabanzonen
Brabanzonen (aus dem französischen Wort "brabançon" = Einwohner von Brabant) waren Söldner aus Brabant, zum Beginn des Mittelalters eines Gebietes in Niederlothringen zwischen den Flüssen Schelde im Norden, Dilöe (Dyle) im Osten und Haine im Süden.
Herkunft
Im Gegensatz zu den armen Gegenden Europas - aus Wales, Cornwall, der Bretagne, der Gascogne, Navarra, Aragon, dem Baskenland, Böhmen usw. kamen kaum gerüstete und schlecht ausgebildete Bauernkrieger - lieferten die reichen Städte Norditaliens und Niederlothringens einen stetigen Überschuss an arbeitslosen Handwerksburschen, landlosen Bauernsöhnen, fahrendem Volk, entlaufenen Mönchen und nachgeborenen Söhnen des städtischen Adels.
Waffengeübte, mit Helm, Kettenhemd oder eisenbeschlagenem Lederwams gepanzerte und mit Langspieß oder dem "Goedendag", einer Art Hellebarde, oder der Armbrust bewaffnete Bürgermilizionäre zogen daher auf der Suche nach Soldgebern in Rotten ("routiers") umher. Sie dienten als einfache Fußsoldaten, die nicht an den ritterlichen Ehrenkodex gebunden waren und zudem oft in der Handhabung von "unehrengaften" Distanzwaffen wie Langbogen und Armbrust geübt waren, im 12. und 13. Jahrhundert als Fußsoldaten in Frankreich und Deutschland unter wechselnden Kriegsherren.
Einsatz und Kriegszüge
Zunächst von den normannisch-englischen Königen angeworben, später auch von den Plantagenêts, in geringerem Umfang auch von den Kapetingern und den Staufern, beschränkte sich das Einzugsgebiet dieser Söldnertruppen nicht mehr allein auf den Niederrhein. Söldner aus Geldern ("Geldoni"), genueser Armbrustschützen, sarazenische Bogenschützen aus Sizilien und abenteuerlustige und waffengeübte Männer aus dem einfachen Volk, darunter vielfach auch Kriminelle und Gewalttäter, strömten aus allen Gebieten herbei, um auf den Kriegszügen der Brabanzonen Sold und rasche Beute zu finden.
Die Brabanzonen oder "Cotteraux" bzw. "Coterelli" waren nicht nur jederzeit für Kampfeinsätze gegen Bezahlung verfügbar, sondern auch wegen ihrer Brutalität gefürchtet. Nach ihrer Entlassung verselbständigten sich diese Söldnertruppen und zogen als gefürchtete Banden weiterhin raubend und mordend umher.
So hatte Kaiser Barbarossa bei seinem drittem Italienzug etwa 1.500 Brabanzonen in seiner Streitmacht, geführt durch den ehemaligen Geistlichen Wilhelm von Cambray. Diese Horden marschierten nicht im Gefolge des Kaisers, sondern streiften sich selbst verpflegend außerhalb des Reichsgebietes durch Burgund. Der Abt von Cluny beschwerte sich, dass zu allem Elend „auch noch wie eine furchtbare Pest die Deutschen kommen, die man Brabanzonen nennt. Mit Eisen und Blut durchziehen sie alle Orte und nichts vermag vor ihnen zu schützen.“ Da es an Sold fehlte, so rissen die Brabanzonen nach der Schlacht die gesamte Beute an Rüstungen, Pferden und Geld an sich.
Nach ihrer Entlassung verselbständigten sich diese Söldnerhaufen und zogen als gefürchtete Banden weiterhin raubend und mordend bis in den Südwesten Frankreichs, ständig weiteren Zulauf erhaltend, zermalmten jeden lokalen Widerstand von Rittern oder Bauern und warteten auf neue Auftraggeber.
In diesen zwischen Frankreich und England umstrittenen Gebieten warb der englische König Heinrich II. ein Brabanzonenheer aus den arbeitslosen Veteranen des Italienfeldzugs an, schlug mit ihnen 1173 die Aufstände in der Normandie und in der Bretagne nieder, brachte sie dann nach England und wieder zurück in die Normandie. Allein ihr Erscheinen reichte nun, um den Gegner zu Friedensverhandlungen zu zwingen.
Inzwischen bereitete Barbarossa einen nächsten Italienzug und nahm die Brabanzonen unter Führung des Erzbischofs Christian von Mainz erneut in seinen Heerbann, wobei die reichen italienischen Provinzen Lombardei und Tuszien reichliche Beute brachten.
Anschließend wandten sich die Rotten erneut dem Südwesten Frankreichs zu, rechtzeitig um sich beim Kriegszug des Herzogs von Angoulême an der Plünderung von Richard Löwenherz' Besitzungen im Poitou zu beteiligen.
Schließlich setzten sie sich auf einer Burg im Limousin fest, von wo sie ausgedehnte Raubzüge unternahmen. Erst 1177 stellte sich ihnen ein reguläres Heer entgegen, erschlug mehrere Tausend Brabanzonen, darunter vermutlich auch deren Anführer Wilhelm von Cambray.
Dennoch fanden die Brabanzonen im anhaltende Kleinkrieg zwischen dem englischen König Heinrich, seinen rebellischen Söhnen und Frankreich immer wieder neue Beschäftigung und füllten ihre Lücken mit reichlichem Zulauf von Basken, Navarresen und Gascognern auf.
In der Schlacht bei Bouvines 1214 traf das französische Heer auf die kombinierten Streitkräfte des englischen Königs Johann Ohneland und des deutschen Kaisers Otto IV.. Deren Brabanzonen schlugen zunächst das französische Fußvolk in die Flucht, worauf die französischen Ritter davor zurückschreckten, den festen und mit Langspießen ausgestatteten Block der Brabanzonen anzugreifen. Erst als die Ritter an den Flügeln des deutsch-englischen Heeres geschlagen worden waren, nahmen französischen Truppen die Brabanzonen von allen Seiten in die Zange und rieben sie auf.
Niedergang und Ende
Heimsuchung und Terror durch Brabanzonen war für die betroffenen Landstriche schlimmer als der Durchzug eines Ritterheeres. Gerade darin, dass nämlich diese Truppen dem Gegner weniger auf dem Schlachtfeld als vielmehr durch Verwüstung und Plünderung seiner Ländereien Schaden zufügten, bestand das Ziel ihrer Kriegsführung. Dazu zählten gewöhnliche Verbrechen wie das Niederbrennen von Dörfern und Feldern, die Vernichtung von Obstbäumen und Weinstöcken, das Schlachten des Viehs und Massakrieren der Bevölkerung oder deren Vertreibung. Als besonders verächtlich galten Frevel wie Plünderung von Friedhöfen und Gräbern, Kirchenraub, Brandschatzung von Klöstern oder Schändung von Nonnen.
Kaiser Friedrich und Ludwig VII. von Frankreich hatten bereits 1171 vertraglich besiegelt, die "ruchlosen Menschen, die Brabanzonen oder Coterelli genannt werden", nicht in ihren Reichen zu dulden. 1179 wurde die Kriegsführung auf dem Laterankonzil mit solchen Söldnerverbänden mit dem Kirchenbann belegt, ebenso gegen die, die sich weigerten, die Waffen gegen sie zu ergreifen. 1215 rief Papst Innozenz zum Kreuzzug gegen die gefürchteten Söldnerrotten auf, und auch Johann ohne Land wurde im selben Jahr von den englischen Baronen gezwungen, sein Söldnerheer zu entlassen.
Das Phänomen der Brabanzonen kam in Frankreich, England und im Reich im 13. Jahrhundert daher weitgehend zum Erliegen. Dennoch zeigte der Sieg der Mailänder 1176 bei Legnano gegen die deutschen Ritter, der der schottischen Hochländer 1297 gegen ein englisches Ritterheer am Stirling, 1302 der der flämischen Bürgermilizen bei Courtray und der der Schweizer gegen das Habsburger Ritterheer bei Morgarten 1315, dass kampferprobte Fußsoldaten mitunter gegen schwer bewaffete Ritterheere siegen konnten.
Auch der Einsatz gedungener Kriegsknechte setzte sich fort: Parallel zu den italienischen Söldnertruppen unter den Condottiere waren dies im 14. Jahrhundert die berüchtigten Armagnaken, im 15. Jahrhundert die böhmischen Hussitenkrieger; im 16. Jahrhundert schließlich lösten schweizerische Reisläufer und deutsche Landsknechte das System der ritterlichen Lehenskrieger ab
Quellen
Forenarchiv (http://www.iphpbb.com/foren-archiv/1/6400/5240/die-brabanzonen-allgemein-69743956-653-75.html)