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Konkordatslehrstuhl

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Ein Konkordatslehrstuhl ist ein Lehrstuhl an einer Universität, der nicht in einer theologischen Fakultät angesiedelt ist, bei dessen Besetzung die Katholische Kirche aber dennoch miteinbezogen wird.

Konkordatslehrstühle bestehen in Deutschland vor allem an Universitäten in Bayern, aber auch in Freiburg und Mainz. Grundlage für diese Besonderheit im Verhältnis von Kirche und Staat sind Konkordate. Durch die Konkordatslehrstühle soll der katholischen Kirche in Bayern vor allem hinsichtlich der pädagogisch relevanten Lehre an Universitäten ein Mitspracherecht eingeräumt werden.

Situation in Bayern

Das Konkordat mit Bayern wurde bereits 1924 geschlossen, aber im folgenden immer wieder verändert. In der heute gültigen Fassung heißt es zur Besetzung der Lehrstühle in theologischen Fakultäten (§2, Art. 5): “An den in §1 genannten theologischen Fachbereichen werden Professoren und andere Personen, die zu selbständiger Lehre berechtigt sind, vom Staate erst ernannt, wenn gegen die in Aussicht genommenen Kandidaten von dem zuständigen Diözesanbischof keine Erinnerung erhoben worden ist.”

Zu den Konkordatslehrstühlen heißt es (§5, Art. 3): "Der Staat unterhält an den Universitäten Augsburg, Erlangen-Nürnberg, München (Ludwig-Maximilians-Universität), Passau, Regensburg und Würzburg sowie an der Gesamthochschule Bamberg in einem für das erziehungswissenschaftliche Studium zuständigen Fachbereich je einen Lehrstuhl für Philosophie, für Gesellschaftswissenschaften und für Pädagogik, gegen deren Inhaber hinsichtlich ihres katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben ist. Bei der Besetzung gilt §2 entsprechend."

Entsprechend gibt es an den sieben bayerischen Universitäten jeweils drei konkordatär gebundene Lehrstühle; hinzu kommt noch ein weiterer Lehrstuhl für Philosophie und Pädagogik in Würzburg, so dass die Gesamtzahl allein in Bayern 22 beträgt.

Nach den Recherchen von Konrad Lotter, der diese Informationen nur über den Umweg einer bayrischen Oppositionspolitikerin erlangen konnte, sind die Konkordatslehrstühle in Bayern mit den folgenden Professoren besetzt (Stand 2005):

  • Universität Augsburg: Christian Schröer (Philosophie), Hans-Otto Mühleisen (Politikwissenschaft), Eva-Maria Matthes (Pädagogik).
  • Gesamthochschule Bamberg: Uwe Voigt (Philosophie), Hans-Peter Blossfeld (Soziologie), Georg Hörmann (Pädagogik).
  • Universität Erlangen-Nürnberg: Maximilian Forschner (Philosophie; neu ausgeschrieben), Clemens Kauffmann (Politische Wissenschaft), Dieter Spanhel (Allgemeine Pädagogik), N. N.
  • Universität München (LMU): Wilhelm Vossenkuhl (Philosophie), Norman Braun (Soziologie), Hartmut Ditton (Allgemeine Pädagogik, Erziehungs- und Sozialisationsforschung).
  • Universität Passau: Wilhelm Lütterfels (Philosophie), Heinrich Oberreuter (Politikwissenschaft), Guido Pollak(Pädagogik).
  • Universität Regensburg: Rolf Schönberger (Philosophie), Karlfriedrich Herb (Politische Philosophie und Ideengeschichte), Hans Gruber (Pädagogik).
  • Universität Würzburg: Karl Mertens (Praktische Philosophie), Wolfgang Walter (Soziologie und politische Theorie, Vertretung), N. N. (Pädagogik)

Im Vergleich zu der Gesamtzahl der jeweiligen Lehrstühle ergibt sich folgendes Bild: 7 von 31 Lehrstühlen für Pädagogik sind von der katholischen Kirche kontrolliert (22,6%), in Politikwissenschaft sind es 3 von 12 (25%), in Soziologie 4 von 12 (33,3%) und in Philosophie haben 7 von 12 eine katholische Ausrichtung (36,8%).

Diese Angaben relativierend muss beachtet werden, dass das Prüfungsrecht der Katholischen Kirche bei der Besetzung der Lehrstühle keinesfalls zwangsläufig die Konfession des Personals festlegt. Dies ist in zumindest einem Falle (dem Lehrstuhl II für Politische Wissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg) sicher bestätigt, da es sich bei Clemens Kauffmann um einen Protestanten handelt.

Situation außerhalb Bayerns

Auf Konrad Lotters Publikation aufbauend haben die Laizisten die Situation außerhalb Bayerns recherchiert.

b) Situation in Mainz

In Mainz gibt es zwei Konkordatslehrstühle (Geschichte und Philosophie) auf Grundlage der Staatskirchenrechtliche Vereinbarung zwischen dem Bischof von Mainz und dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz über die Katholisch- Theologische Fakultät der Universität Mainz von 1946.

Besetzungen:

Lehrstuhl für Philosophie: Frau Univ.-Prof. Dr. Mechthild Dreyer

Lehrstuhle für Geschichte: Herr Univ.-Prof. Dr. Michael Matheus (beurlaubt)

c) Situation in Bonn

Auch in Bonn gab es zwei Konkordatslehrstühle, ebenfalls für Philosophie und Geschichte. Universitätsangaben zufolge soll bei der Besetzung des Geschichtslehrstuhls die Konfession zuletzt bei Professor Dr. Konrad Repgen eine Rolle gespielt haben. Die Rechtsgrundlage ist hier eine Vereinbarung bei der Universitätsgründung 1818 durch den Preußenkönig Friedrich-Wilhelm III., dessen Namen die Universität auch trägt. Das Mitspracherecht der Kirche für diese Lehrstühle ist also fast 200 Jahre alt. In die neue Verfassung der Bonner Universität von 1991 wurden die Konkordatslehrstühle aber nicht mehr aufgenommen; es ist also davon auszugehen, dass sie nicht neu besetzt werden.

d) Situation in Freiburg

Das Badenkonkordat von 1932 garantiert zwei Konkordatslehrstühle (Philosophie und Geschichte) in Freiburg.

Besetzungen:

Lehrstuhl für Philosophie: Herr Univ.-Prof. Dr. Maarten J.F.M. Hoenen

Lehrstuhl für Geschichte: Frau Univ.-Prof. Dr. Birgit Studt

e) Düsseldorf, Köln und Münster

Keine Konkordatslehrstühle gibt es derzeit entgegen verbreiteter Informationen in Düsseldorf, Köln und Münster.

Kritik

Kritiker betonen, dass die Konkordatslehrstühle der Trennung von Kirche und Staat widersprechen würden, die im grundgesetzlichen Bestimmungen verankert ist, z.B. Art. 33 GG, Absatz 3: "Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen."

Im Jahre 1977 gab es eine Popularklage gegen die am 25. September 1974 beschlossene Veränderung des Konkordatsgesetzes. Diese Änderung schrieb eine Erweiterung der Konkordatslehrstühle vor. Die Klage hatte drei Ansätze zum Beweis der Verfassungswidrigkeit. Zum ersten werde das Grundrecht auf freien, religionsunabhängigen Zugang zu öffentlichen Ämtern, verankert in Artikel 107 Abs. 4 und Artikel 116 der Bayrischen Verfassung, eingeschränkt. Zum Zweiten werde die in Artikel 107 der Bayerischen Verfassung gesicherte Freiheit der Wissenschaft durch die Vorauswahl bestimmter Kandidaten empfindlich gestört und zum Dritten wiege das "geschichtliche Herkommen" eines Anspruchs weniger als eine "verfassungsrechtliche Neuordnung".

Von einem philosophischen Standpunkt aus gesehen ist es unsinnig, die durch die Aufklärung, z.B. durch Kant, geforderte Freiheit der Wissenschaften, die sich gerade durch ihre Säkularisierung auszeichnet, derartig zu unterwandern. Religion basiert auf Glaube, also auf einer explizit irrationalen Größe, die Philosophie aber beruft sich auf Vernunft. Die Besetzung eines philosophischen, soziologischen oder politologischen Lehrstuhls nach konfessionellen Kriterien ist somit im Widerspruch zu aufgeklärter Wissenschaft zu sehen. Generell ist die Forderung der aufgeklärten Philosophie alle Bildungsinstitutionen zu säkularisieren.

Neben der fehlenden Trennung im Interesse der Wissenschaft sei hier angemerkt, dass genau wie die Lehrstühle der Theologie auch diese Lehrstühle komplett vom Staat finanziert werden.

Hinzu kommt in diesem Fall aber noch ein ganz anderer kritisch zu betrachtender Aspekt. Papst Pius XI. hat sich mit der Unterstützung der Gleichschaltung und Machtergreifung durch die Nationalsozialisten die eigene Machtausweitung der katholischen Kirche im Dritten Reich gesichert. Die Ziele der NSDAP wurden auf Drängen des Papstes, der somit auch den Widerspruch der Zentrumspartei gebrochen hat, als mit dem Katholizismus vereinbar erklärt. Im Rahmen des Reichskonkordats sicherte er sich so neben dem Religionsunterricht, der Lehrerausbildung, der theologischen Lehrstühle auch die Konkordatslehrstühle, die tatsächlich das Dritte Reich unbeschadet überlebten. Die katholische Kirche hat sich also zu mindest zum Teil durch die Sicherung der Konkordatslehrstühle der Politik des Dritten Reiches anpassen lassen. Später wurde dies als Widerstand der katholischen Kirche interpretiert, da die Lehrstühle eben nicht mit nationalsozialistisch ausgerichteten Professoren besetzt wurden.

Literatur

  • Manfred Baldus: Konfessionsgebundene Professuren außerhalb der Theologie an deutschen staatlichen Universitäten, in: Peter Hanau u.a. (Hg.), Wissenschaftsrecht im Umbruch. Gedächtnisschrift für Hartmut Krüger, Berlin 2001 (Schriften zum Öffentlichen Recht), S. 21-45.
  • Max Liedtke: Brauchen wir noch Konkordatslehrstühle? In: Erziehungswissenschaft, hg. vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, 11. Jg. 2000, Heft 22. (online)
  • Konrad Lotter: Die Konkordatslehrstühle an den bayerischen Universitäten. Überformung und Verdrängung der Philosophie durch die katholische Religion. In: Widerspruch, Heft 45 (2007), S. 53-66.
  • Daniel Gotthardt: Konkordatslehrstühle - Der Einfluss der Kirche auf nicht-theologische Professuren In: MIZ, Heft 3/07 (online)