Zum Inhalt springen

Innenstadtmaut

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. Januar 2005 um 02:19 Uhr durch 145.254.169.59 (Diskussion) (Beispiele: Link zum London Photo gelöscht - obwohl es auf der englischsprachigen Wikipedia verwendet wird). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Einfahrt in den Gebührenring von Trondheim, Norwegen.

Überblick

Eine Innenstadtmaut bezeichnet die Erhebung von Gebühren für die Nutzung innerstädtischer Straßen in der Regel für Lkw und Pkw. Mit der Einführung von städtischen Straßenbenutzungsgebühren sind häufig folgende praktischen Gründe verbunden:

  • Entlastung der Umwelt durch weniger Verkehr (Verringerung der CO2-Emissionen, Russpartikel und Feinstaub);
  • Zeitliche und räumliche Steuerung der Verkehrsnachfrage (Staureduktion bzw. effizientere Nutzung);
  • Generierung zusätzlicher Einnahmen;

Es gibt verschiedene Innenstadtmaut-Modelle, die sich hinsichtlich Bemessung und Zahlung der Preise/Gebühren, der räumlichen Implementation und Technik der Gebührenerhebung unterscheiden. Bisher realisierte Vorhaben haben häufig ein Kordonsystem implementiert, d.h. die Einfahrt in einen bestimmten innerstädtischen Bereich ("Gebührenring") wird mit einer Gebühr belegt. Die Erhebung der Gebühren kann z.B. via Vignette, Mautstation (bemannt vs. unbemannt), fahrzeugintern (on-board-unit) oder fahrzeugextern (Post-pay-Verfahren) erfolgen.

Beispiele

Das älteste City-Maut-System befindet sich in Singapur, das 1975 eingeführt und 1998 beträchtlich erweitert worden ist. Für lange Zeit waren die Systeme in den norwegischen Städten Oslo, Bergen und Trondheim die einzigen Straßenbenutzungsgebühren ihrer Art in Europa. Diese sind mit dem Ziel der Finanzierung von Straßeninfrastruktur in den späten achtziger Jahren eingeführt worden und waren bzw. sind auf eine Laufzeit von ca. 15 Jahre begrenzt.

Seit Februar 2003 ist in London eine „Staugebühr“ (congestion pricing) für ein 21 km² großes Gebiet im Stadtzentrum (1,3 % des Stadtgebiets) eingeführt worden. Es ist eine Gebühr von 5 Pfund für die Einfahrt in dieses Gebiet von Mo-Fr 7:00-18:30h zu zahlen. Diese Gebühr fällt einmal pro Tag an, d.h. die weitere Durchfahrt ist kostenlos. Es bestehen allerdings zahlreiche Ausnahmeregelungen bzw. Gebührenbefreiungen oder Ermäßigungen (z.B. für Taxis, Anwohner etc.). Die Auswirkungen der beträchtlichen Gebühr sind dennoch deutlich. In den ersten 6 Monaten ist der Verkehr innerhalb der Zone um ca. 15 % zurückgegangen (Unfallrückgang um 20 %), wobei sich 50-60 % der unterlassenen MIV-Fahrten auf den ÖPNV verlagert haben. Eine umfassende Evaluation steht aber noch aus. Ken Livingstone ist trotz der von ihm eingeführten Maut 2004 als Oberbürgermeister wiedergewählt worden. Derzeit wird eine Erweiterung des Gebührenrings diskutiert (Western Extension).

Seit Juni 2004 läuft in der Schwedischen Hauptstadt Stockholm ein zweiter Versuch, Straßenbenutzungsgebühren in der Innenstadt von Stockholm einzuführen. 1997 scheiterte ein Vorschlag zur Einführung von Gebühren (sog. Dennis-Agreement). Dazu hat die Stadt am 2003 beschlossen, Straßenbenutzungsgebühren vorläufig im Rahmen eines Versuchs einzuführen. Dieser soll im Sommer 2005 beginnen und bis 31.07.2006 laufen. Im Anschluss an die Probephase soll am 17.09.2006 ein Referendum (Bürgerentscheid) gemeinsam mit allgemeinen Wahlen über die dauerhafte Einführung von Straßenbenutzungsgebühren entscheiden.

Das derzeitige Vorhaben beinhaltet im Detail:

Datei:Stockholm Mautgebiet.jpg
Das geplante Gebiet der Stockholmer Innenstadtmaut
  • je nach Tageszeit zwischen 1,10 und 2,20 Euro "Gedrängesteuer" für die Ein- und/oder Ausfahrt in die Innennstadt (siehe Karte unten). Im Unterschied zur Londoner Maut ist in beiden Fahrtrichtungen eine Gebühr zu bezahlen;
  • Gebühren werden fällig werktags von 06.30 bis 18.29. Maximal müssen SEK 60 (c.a. EUR 6,65) pro Tag und Fahrzeug bezahlt werden,
  • die Zielvorgaben, den Verkehr um 10-20 Prozent zu verringern und die Durchschnittsgeschwindigkeit deutlich zu erhöhen. Insbesondere das Ziel, die Durchschnittsgeschwindigkeit zu erhöhen, ist nicht ganz unproblematisch, da mit höheren Geschwindigkeiten in der Regel die Zahl und Schwere der Unfälle steigt;
  • die Gesundheitsbelastung der Einwohner mit Schadstoffen, Russpartikeln und Kohlenmonoxid zu verringern.

Edinburgh in Schottland ist eine weitere europäische Stadt, die derzeit ernsthaft die Einführung einer Innenstadtmaut erwägt (congestion charging). Vom 7.-21. Februar 2005 stimmen die Einwohner in einem Referendum über die Einführung von zwei Gebührenringen in Edinburgh ab. Wenn die Mehrheit der Wähler für das Vorhaben stimmt, dann sollen die Gebühren im Sommer 2006 eingeführt werden. Die Gebührenringe (Kordons) operieren von Montag bis Freitag, der innerer Kordon von 07.00-18.30h, der äußere Kordon nur von 07.00-10.00h. Die Gebühren belaufen sich auf £2 pro Tag für einfahrenden Verkehr. Es gibt zahlreiche Ausnahmen für Taxis, Anwohner, Motoräder etc.. Zentrales Ziel ist die Verringerung des Stauproblems. Alle Einnahmen fliessen in den Verkehr zurück. So soll neben Straßenerhaltungsmaßnahmen ein Teil der Einnahmen in den Ausbau einer S-Bahnlinie gehen.

In Deutschland wird derzeit in einigen Großstädten über die Einführung einer City-Maut nachgedacht (u.a. München). Einer der Hauptbeweggründe dafür ist, dass die Luftreinhaltevorschriften der EU im Bezug auf Feinstaub und Kohlenstoffdioxid derzeit Oktober 2004 in praktisch keiner deutschen Großstadt eingehalten werden. Neben Fahrverboten werden deshalb Straßenbenutzungsgebühren als wirkungsvolles Instrument zur Reduzierung des motorisierten Verkehrs diskutiert. Aktuelle Informationen zur Luftreinhaltung gibt das Bundesumweltministerium.

Einwände gegen Straßenbenutzungsgebühren

Nicht nur auf politischer Seite bestehen große Vorbehalte gegenüber einer Innenstadtmaut. Zum einen haben viele Politiker Angst, aufgrund der geringen öffentlichen Akzeptanz, solche Maßnahmen einzuführen. Sie befürchten, nicht wiedergewählt zu werden. Daneben gibt es aber auch inhaltliche Einwände gegen Straßenbenutzungsgebühren.

Ein allgemeiner Einwand gegen Straßenbenutzungsgebühren ist, dass sie nicht gerecht seien und die reichen Autofahrer bevorzugen und die armen Autofahrer benachteiligen würden. Denn ein Nutzungsentgelt von z.B. 2 € je Fahrt hat für eine Person mit einem niedrigen Einkommen einen anderen Wert als für eine Person mit einem hohen Einkommen (abnehmender Grenznutzen des Geldes). Aus diesem Grund gibt es in einigen skandinavischen Ländern einkommensabhängige Strafen für Verkehrsvergehen. Aber ist dieses Argument wirklich stichhaltig? Folgte man obigen Gedankengang, dann müssten die Preise aller Güter einkommensabhängig sein. Das hieße z.B., dass ein Mercedes für einen Geringverdiener weniger kosten müsste, als für einen Vielverdiener. Dies macht wenig Sinn. Darüber hinaus gibt es eine Art Rück- bzw. Umverteilung zugunsten Einkommensschwächerer in Form der sozialen Sicherungssysteme.

Ein zweites Argument gegen Straßenbenutzungsgebühren ist, dass alle Straßen schon bezahlt seien und die Autofahrer sowieso schon genug bezahlen, z.B. in Form der Mineralöl- und der Ökosteuer. Auch dieses ist nicht korrekt. Die externen Kosten des Verkehrs sind immens (ca. 9 Ct/km). Negative externe Effekte des Verkehrs liegen dann vor, wenn ein Verkehrsnutzer nicht die vollständigen Kosten (z.B. Kosten der Umweltbelastung, von Stau oder Unfälle) der in Anspruch genommenen Verkehrsleistung bezahlt. Pro gefahrenen Autokilometer werden 9 Ct externe Kosten produziert, die nicht vom Verursacher (Autofahrer) gezahlt werden, sondern (zumindet in Teilen) vom Steuerzahler. Das statistische Bundesamt meldet für 2002 eine Gesamtmenge von 47.838 Millionen Personenkilometern für Deutschland. Besonders hoch sind die externen Unfallkosten wie z.B. Reproduktionskosten oder Ressourcenausfallkosten. Daneben resultieren erhebliche Kosten aus der Lärm- und Luftverschmutzung der Autonutzung. Straßenbenutzungsgebühren tragen dazu bei, dass die "wahren" Kosten der Autonutzung internalisiert werden, d.h. bei dem anfallen, der sie produziert. Dies nennt sich das Verursacherprinzip.

Es gibt weitere, generelle Einwände gegen Straßenbenutzungsgebühren, die hier nicht weiter diskutiert werden können. Ein sehr gute Informationsgrundlage stellt das Grünbuch der Europäischen Union dar "Faire und effiziente Preise im Verkehr". Ein spezieller Einwand gegen städtische Straßenbenutzungsgebühren lautet, dass diese einen negativen Effekt auf den innerstädtischen Einzelhandel haben. Der ohnehin schon bevorzugte Großhandel auf der Grünen Wiese würde weitere Kunden aus der Innenstadt abziehen und zu einer Verödung der Innenstädte beitragen. Die Befunde aus den norwegischen Städten Trondheim, Bergen und Oslo zeigen aber, dass dies nicht der Fall sein muss. Zumindest haben Langzeituntersuchungen keine Hinweise auf eine Abwanderung des Einzelhandels gefunden. Aber sicherlich gibt es Wanderungsbewegungen an den Gebührengrenzen. Bisher finden sich dafür auch keine Belege aus London. Allerdings dürften sich Veränderungen in der Einzelhandelsstruktur erst in ein paar Jahren wirklich nachweisen. Befürworter von Straßenbenutzungsgebühren argumentieren, dass die Attraktivität der Innenstädte durch weniger Verkehr sogar steigen würde und ein zahlungskräftiges Publikum anlocken könnte. Zumindest zeigte sich dies nach der Einführung von Fußgängerzonen seit den siebziger Jahren. Diese waren zuerst auf erheblichen Widerstand beim Einzelhandel gestoßen. Die tatsächlichen Effekte müssen wohl im Einzelfall bestimmt werden, da diese stark von der lokalen Einzelhandelsstruktur und weiteren Faktoren abhängen.


Literatur

  • Keuchel, S. (1992). Internationale Erfahrungen mit Straßenbenutzungsgebühren im Stadtverkehr. Internationales Verkehrswesen, 10, 377-386.
  • Kossak, A. (2004). Straßenbenutzungsgebühren weltweit. Internationales Verkehrswesen, 56, 246-249.

Siehe auch

Transport for London: Congestion Charging Homepage

Diskussionsseite der Münchener Grünen zur City-Maut

Europäisches Netzwerk zu Straßenbenutzungsgebühren

Informationen zur geplanten Straßenbenutzungsgebühr in Stockholm

Informationen zur geplanten Straßenbenutzungsgebühr in Edinburgh

Zur Akzeptanz von Straßenbenutzungsgebühren