Direkte Aktion
Direkte Aktion ist ein Begriff aus der Sozialgeschichte und beschreibt direktes Eingreifen in ökonomische und politische Zusammenhänge. Bei der Direkten Aktion wird keine Macht an Interessensvertreter, etwa Parlamentarier oder Gerichte delegiert. Die Betroffenen werden unmittelbar zur Durchsetzung ihrer Interessen tätig. Beispiele für direkte Aktionen sind Selbstorganisation, Boykotts, Streiks, Sabotage, Sitzblockaden, Betriebs- und Hausbesetzungen und Demonstrationen.
Geschichte
Der Begriff wurde 1920 von William Mellor in seinem Buch Direct Action verwendet, nachdem zuvor Voltairine de Cleyre schon einen Text dazu verfasst hatte[1] und Emma Goldman in einem Werk von 1911 ihn von der ökonomischen auf die allgemeine Ebene hob:
- „Die direkte Aktion, die sich schon auf ökonomischem Gebiet als erfolgreich erwiesen hat, ist im Bereich des Individuums gleichermaßen wirksam. Hunderte von Zwängen beeinträchtigen dort sein Dasein, und nur hartnäckiger Widerstand dagegen wird es endlich befreien. Direkte Aktion gegen die Betriebsführung, direkte Aktion gegen die Autorität des Gesetzes, direkte Aktion gegen den zudringlichen, lästigen Einfluß unseres Moralkodexes ist die folgerichtige, konsequente Vorgehensweise des Anarchismus.“[2]
In Mellors Definition, die sich auf Arbeitskämpfe bezieht, ist Direkte Aktion die Nutzung einer ökonomischen Macht derjenigen, die diese Macht besitzen, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer. Zu den Mitteln zählt er neben Aussperrungen und Kartellen auch Streik und Sabotage.
Direkte Aktion und Anarchismus/Anarchosyndikalismus
Direkte Aktion ist essentiell als Aktionsform von Autonomen und Anarchisten, die dem Prinzip der Herrschaftslosigkeit gerecht werden soll. Sie wird insbesondere von den Autonomen und Anarchosyndikalisten als Kampfform betrachtet. In neuerer Zeit - seit 1968 - werden unter direkten Aktionen oftmals alle Aktionen verstanden, die praktisch und militant sind, so die Veränderung von Wahlplakaten und das Blockieren von Bahngleisen etwa bei Castor-Transporten.
Historisch sind mit Direkten Aktionen kollektive, ökonomische Aktionen gemeint, die sich - im Gegensatz zu Verhandlungen - direkt auswirken. Daher werden als Mittel der Direkten Aktion oftmals Streik, Boykott und Sabotage genannt. In der anarchosyndikalistischen Theorie ist der Generalstreik die perfekte Direkte Aktion. Verbunden mit der Aneignung der Produktionsmittel durch die Arbeiter stellt sie für die Anarchosyndikalisten die soziale Revolution dar.
Im Gegensatz zur Direkten Aktion ist die Propaganda der Tat eine individualistische, nicht zwingend ökonomische Aktionsform, die historisch von nicht-syndikalistischen Anarchisten angewandt wurde, aber auch von anderen Strömungen, einschließlich von Nationalisten. Während die Direkte Aktion ausschließlich Mittel zum Zweck sein soll, sollte die „Propaganda der Tat“ Vorbildcharakter haben. Daher sind nicht nur historische Attentate, sondern auch die Gründung von Kommunen und anderen selbstverwalteten Strukturen durchaus als „Propaganda der Tat“ aufzufassen. Insofern der Aufbau alternativer Strukturen auch den Zweck ökonomischer Existenzsicherung erfüllen soll, kann auch dies als „Direkte Aktion“ verstanden werden.
Siehe auch
- Adbusting
- Clownarmee
- CrimethInc.
- Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union
- Guerilla Gardening
- Industrial Workers of the World
- Kommunikationsguerilla
- Rätekommunismus
- Wilder Streik
Weblinks
- Harald Beyer-Arnesen: Direkte Aktion. Zum Verständnis eines Konzepts. (Anarcho-Syndicalist Review, 2000)
- Umfangreiche deutschsprachige Seite zu Direct Action mit Beispielen, Berichten und mehr
Einzelnachweise
- ↑ Direct Action by Voltairine De Cleyre (undatiert)
- ↑ Emma Goldman: Der Anarchismus und seine wirkliche Bedeutung anarchistische Texte 11 Libertad Verlag 1983, S. 15