Hundertjähriger Krieg
Als Hundertjähriger Krieg (Guerre de Cent ans) wird der lange englisch-französische Konflikt zwischen 1337 und 1453 bezeichnet.
Die Situation vor dem Hundertjährigen Krieg
Frankreich | England | |
---|---|---|
Karl IV (Haus der Kapetinger) | Isabelle oo | Edward II (Haus Plantagenet) |
ab 1322 König von Frankreich | ab 1307 König von England | |
Philipp VI (Haus Valois) | Edward III | |
ab 1328 König von Frankreich | ab 1327 König von England | |
Johann II der Gute | Richard II | |
ab 1350 König von Frankreich | ab 1377 König von England | |
Karl V der Weise | Heinrich IV (Haus Lancaster) | |
ab 1364 König von Frankreich | ab 1399 König von England | |
Karl VI | Heinrich V | |
ab 1380 König von Frankreich | ab 1413 König von England | |
Karl VII | Heinrich VI | |
ab 1422 König von Frankreich | ab 1422 König von England |
1328 starb Karl IV. Er hinterließ weder Nachkommen noch männliche Geschwister, welche nach ihm die Krone von Frankreich übernehmen können. Seine Schwester Isabelle war jedoch mit dem englischen König Edward II (gest. 1327) verheiratet. Der rechtmäßige Thronerbe war somit (da eine weibliche Vererbung möglich ist) deren Sohn, Edward III.
Kurzerhand ernannten die Franzosen jedoch den Cousin von Karl IV, Philipp VI zum König. Mit 18 Jahren stürzt Edward III seine Mutter und deren Liebhaber und erhob Anspruch auf die französische Krone. Philipp besetzte daraufhin den letzten übriggebliebenen Festlandbesitz Englands, Guyenne. Somit begann 1337 der Hundertjährige Krieg.
Die ersten Phasen des Hundertjährigen Krieges
1339 ernannte sich Edward III selbst zum französischen König. 1346 fiel er schließlich mit seinen Truppen in Frankreich ein. Den Engländern gelang es Calais zu erobern und das französische Ritterheer bei Crecy vernichtend zu schlagen, woraufhin ein Waffenstillstand vereinbart wurde.
1355 entflammte der Krieg allerdings von Neuem, als der Sohn Edwards III, Edward, der Schwarze Prinz, Bordeaux einnahm. Im September 1356 errangen die Engländer unter dem "Schwarzen Prinzen" bei Poitiers ihren zweiten großen Sieg und nahmen König Johann II. gefangen (dieser war 1350 Philipp VI. auf den Thron gefolgt).
1360 beendete der Friede von Brétigny die erste Phase des Krieges. Die Vertragsbedingungen waren dabei für England günstig; sie konnten den Südwesten Frankreichs, das Poitou und Calais behalten. England verzichtet dafür aber auf die französische Krone.
1372 griffen die mit Frankreich verbündeten Kastilier die englische Flotte an und vernichteten sie. Auch auf dem Festland unterlagen die Engländer den Franzosen. Edward der Schwarze Prinz starb 1376, sein Vater Edward III im darauffolgendem Jahr. Damit verloren die Engländer ihre wichtigsten Heerführer. Nachdem Frankreich die meisten besetzten Gebiete zurückerobert hatte, wurde 1396 ein Friedensvertrag für 30 Jahre geschlossen, womit sich beide Seiten eine Pause verschafften.
Die letzte Phase des Hundertjährigen Krieges
1413 wurde Heinrich V englischer König und machte sofort seinen Anspruch auf den französischen Thron geltend. 1415 fielen die Engländer in Harfleur ein. Heinrich V wollte die gesamte Normandie erobern, auf die die englischen Könige seit Jahrhunderten ihre Ansprüche geltend machten. Am 25.Oktober 1415 kam es zu der Schlacht von Azincourt.
Die Franzosen waren dabei zahlenmäßig eindeutig überlegen, da Heinrich V zu diesem Zeitpunkt bereits die Hälfte seines Heeres verloren hatte. Aber die französischen Ritter konnten es nicht erwarten, sich in der Schlacht zu beweisen, stürmten nach vorne, ritten dabei auch ihre eigenen Leute nieder und wurden schließlich von den englischen Langbogenschützen niedergestreckt.
Die Schlacht endete in einem Desaster: beinahe die gesamte Elite des französischen Adels und der Ritterschaft wurde getötet oder gefangen genommen. Die Engländer hatten hingegen kaum Verluste zu beklagen.
Heinrich V. setzte seinen Eroberungsfeldzug fort. Er eroberte 1417 die Normandie, doch überschlugen sich zwei Jahre später plötzlich die Ereignisse: In Paris fielen die (mit den Engländern verbündeten) Burgunder ein und übernahmen die Herrschaft über die Stadt. Nachdem sich König Karl VI. und seine Gattin Isabeau auf die Seite der Burgunder schlugen, musste der erst 16 Jahre alte Thronerbe Karl VII. aus der Stadt fliehen.
Im Vertrag von Troyes erklärte Karl VI. schließlich seinen Sohn, den späteren Karl VII., für illegitim und schloß ihn damit von der Thronfolge aus. Karl VI. bekam die Zusicherung von Heinrich V. von England, auf Lebzeiten König von Frankreich bleiben zu dürfen. Danach sollte Heinrich V. den französischen Thron erben.
Heinrich V. und Karl VI. starben 1422 innerhalb kürzester Zeit. Die Franzosen erkannten den Vertrag daraufhin nicht mehr an und riefen Karl VII. zum König von Frankreich aus. Daraufhin eroberten die Engländer (mit dem erst einjährigen König Heinrich VI.) Frankreich bis zur Loire-Linie und begannen 1428 mit der Belagerung von Orléans.
In dieser verzweifelten Lage tauchte nun ein junges Mädchen auf, durch das die Franzosen wieder neuen Mut schöpfen – Jeanne d’Arc. Von ihren göttlichen Visionen geleitet, überzeugte sie erst Karl VII., dass sie die Franzosen zum Sieg führen wird und hob schließlich die Belagerung von Orléans auf (welchen Anteil Jeanne an diesem Sieg jedoch wirklich hatte, ist mehr als fraglich). 1430 wurde Karl VII. in Reims endgültig zum König von Frankreich gekrönt. Es wurden bald darauf, unter dem Einfluss der Friedenspartei am Hofe, Friedensverträge mit Philipp dem Guten von Burgund geschlossen. Diese nützten Philipp jedoch dazu, Verstärkung nach Paris zu schaffen. Als der Angriff auf Paris dann letztendlich erfolgte, wurden die Franzosen unter schweren Verlusten zurückgeschlagen.
Karl VII. untersagte Jeanne d’Arc jede weitere militärische Aktion. Jeanne d’Arc zog nun auf eigene Faust gegen die Besatzer. Sie wurde bei Compiègne verraten, von den Burgundern gefangen genommen und für 10.000 Franken (eine Lösegeldsumme für einen König) an die Engländer verkauft.
In dem folgenden Prozess warf man Jeanne d’Arc einen Pakt mit dem Teufel, das Tragen von Männerkleidung und einen kurzen Haarschnitt vor. Am Ende wurde Jeanne d’Arc der Ketzerei für schuldig befunden und am 30. Mai 1431 in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Epilog
Doch selbst mit dem Tod der Jungfrau konnten die Engländer die Niederlage im Hundertjährigen Krieg nicht mehr abwenden. Heinrich VI wurde zwar noch im selben Jahr in Paris zum französischen König gekrönt, doch hatte dies nicht annähernd die politische Wirkung wie die Krönung Karls in Reims. 1435 kam es schließlich zu einer Aussöhnung zwischen Frankreich und Burgund. Dieser Friedensschluss bedeutet für die Engländer ein Ende der burgundischen Allianz und machte ihre Niederlage auf dem Kontinent unausweichlich. 1437 zog Karl VII - der Siegreiche wie er auch genannt wird - in die Hauptstadt Paris ein. Bis 1453 gelang es ihm die letzten besetzen Gebiete zurückzuerobern. In der letzten Schlacht bei Castillon fiel der Feldherr John Talbot, der für insgesamt drei englische Könige gekämpft hat, im hohen Alter von 80 Jahren. Mit diesem Sieg fielen alle von Engländern beherrschten Territorien in Frankreich (einschließlich der Guyenne), aber mit Ausnahme von Calais, an die französische Krone zurück.
Allerdings gaben die englischen Könige ihren Anspruch auf die französische Krone erst im Jahre 1475 auf.
Literatur
- Arms, Armies and Fortifications in the Hundred Years War, hrsg. v. Anne Curry und Michael Hughes, Woodbridge 1994.
- Allmand, Christopher T.: The Hundred Years War. England and France at War c. 1300-1450, Cambridge 1988.
- Armstrong, C. A. J.: England, France and Burgundy in the Fifteenth Century, London 1982
- Contamine, Philippe: Hundertjähriger Krieg, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München und Zürich 1991, Sp. 215-218. Hervorragende Übersicht mit Literaturangaben.
- Contamine, Philippe: La guerre de cent ans, 3. Aufl. Paris 1977.
- Contamine, Philippe: La vie quotidienne pendant la guerre de cent ans. France e Angleterre (XIVe siècle), Paris 1976.
- Curry, Anne: The Hundred Years War, Basingstoke 1993.
- Favier, Jean: La guerre de cent ans, Paris 1981.
- Guerre et société en France, en Angleterre et en Bourgogne, XIVe et XVe siècle, hg. v. Philippe Contamine u.a., Lille 1991.
- Seward, Desmond: The Hundred Years War: The English in France 1337-1453, London-New York 1999. Gutes Überblickswerk.
- Sumption, Jonathan: The Hundred Years War, Bd. 1: Trial by Battle, London 1990; Bd. 2: Trial by Fire, London 1999.
- Tuchman, Barbara: Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert, mehrere Auflagen. Populärwissenschaftliches Werk.
- Verdon, Jean: Les Francaises pendant la guerre de cent ans (début du XIVe siècle-milieu du XVe siècle), Paris 1991.