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Europäische Zentralbank

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Hochhaus der EZB in Frankfurt am Main
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EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist ein Organ der Europäischen Union und bildet mit den Noten-/Zentralbanken (NZBen) der EU das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Die EZB hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Die EZB ist die gemeinsame Währungsbehörde der Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion.

Aufgaben und Ziele

Die Aufgaben der EZB sind im Maastrichter Vertrag festgelegt. Um sachgerecht und effizient arbeiten zu können, ist die EZB von politischer Einflussnahme unabhängig, was Kritiker jedoch immer wieder in Frage stellen.

Geschichte

Die EZB wurde am 1. Juni 1998 die Nachfolgerin des Europäischen Währungsinstituts und wurde im Zuge der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion gegründet. 1998 wurde Wim Duisenberg gegen den französischen Mitbewerber Jean-Claude Trichet zum Präsident der Europäischen Zentralbank gewählt. Er erklärte allerdings schon zu Anfang, wahrscheinlich nicht die volle Amtszeit von 8 Jahren im Amt zu bleiben. An seinem 68. Geburtstag gab er sein Ausscheiden aus dem Präsidentenamt zum 9. Juli 2003 bekannt, dies wurde jedoch von den EU-Finanzministern abgelehnt - er solle bis zur ordnungsgemäßen Bestellung seines Nachfolgers zum Herbst 2003 im Amt verbleiben. Seit 1. November 2003 ist sein ehemaliger Mitbewerber Jean-Claude Trichet sein Nachfolger als Präsident der EZB.

Organe

EZB-Direktorium (Exekutivorgan)

Das Direktorium führt die Geschäfte der EZB und setzt die Beschlüsse des EZB-Rats um. Es setzt sich aus dem Präsidenten, einem Vizepräsident und 4 weiteren Mitgliedern zusammen und wird alle 8 Jahre gewählt, wobei eine Wiederwahl ausgeschlossen ist. Daraus resultiert, dass nicht alle EU-Staaten im Direktorium vertreten sein können. Die Mitglieder werden von den Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten auf Empfehlung der Finanz- und Wirtschaftsminister gewählt. Es kümmert sich um die Durchführung der Beschlüsse des EZB-Rates und gibt dazu nötige Anweisungen an die Nationalen Zentralbanken weiter, die die Beschlüsse umsetzen müssen.

Vor der Arbeitsaufnahme am 1. Juli 1998 wurde der Niederländer Wim Duisenberg zum Präsidenten gewählt. Er wurde am 1. November 2003 vom Franzosen Jean-Claude Trichet abgelöst. Deutsches Mitglied im Direktorium ist Otmar Issing.

EZB-Rat (Beschlussorgan)

Dem EZB-Rat gehören alle Mitglieder des Direktoriums und zusätzlich alle Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Euro-Mitgliedsstaaten (momentan 12) an. Er ist das oberste Beschlussorgan der EZB und trifft Entscheidungen mit einfacher Mehrheit, wobei jedes Mitglied eine Stimme hat. Er legt die Richtlinien der Geldpolitik fest und tagt in der Regel alle 14 Tage.

Erweiterter Rat der EZB

Der Erweiterte Rat besteht aus dem Präsidenten und Vizepräsidenten der EZB sowie den Präsidenten der nationalen Zentralbanken aller EU-Staaten. Im Erweiterten Rat werden unter anderem die Notenbankpräsidenten der Staaten ohne Euro offiziell über die Beschlüsse des EZB-Rates informiert, er wirkt bei der Erhebung statistischer Daten mit, und es wird über die Aufnahme weiterer Länder in die Währungsunion beraten. Der Rat tritt in der Regel einmal pro Quartal zusammen.

Unabhängigkeit

Um seine Hauptaufgabe, die Gewährleistung der Preisstabilität, durchführen zu können, muss die EZB unabhängig von politischen oder anderen Einflüssen sein.

Man unterscheidet:

Operative oder funktionelle Unabhängigkeit

Das bedeutet, dass die EZB bei der Entscheidung hinsichtlich der Methode, mit der sie ihren Auftrag durchführen möchte, frei ist. Allerdings ist der EZB durch Artikel 105, Absatz 1 des EG-Vertrags sowie durch die EZB-Satzung die Preisstabilität als Ziel der europäischen Geldpolitik vorgeschrieben. Insofern bezieht sich die operative Unabhängigkeit lediglich auf die Durchführung des Ziels (u. a. auch auf die Bestimmung der Inflation, die mit Preisstabilität vereinbar ist), nicht jedoch auf die Festlegung des Ziels an sich. Insofern ist die EZB diesbezüglich weit weniger unabhängig als das US-amerikanische Federal Reserve System.

Institutionelle Unabhängigkeit

Das bedeutet, dass die EZB und die nationalen Zentralbanken keine Weisungen aus der Politik erhalten dürfen. Die EZB darf nicht die Defizite im Haushalt der Gemeinschaft oder eines Mitgliedslandes finanzieren.

Finanzielle Unabhängigkeit

Das heißt, dass die EZB einen eigenen Haushalt hat und selbst über den Einsatz ihrer Mittel, mit denen sie von den Mitgliedsländern ausgestattet wird, entscheiden kann.

Personelle Unabhängigkeit

Um die Unabhängigkeit des Führungspersonals zu gewährleisten:

  • kann ein Mitglied des EZB-Rates nur bei schwerwiegenden Gründen auf Antrag des EZB-Rates oder des Direktoriums durch den Europäischen Gerichtshof enthoben werden
  • ist eine zweite Amtszeit für Mitglieder des Direktoriums ausgeschlossen
  • wird das Führungspersonal für einen langen Zeitraum gewählt (EZB-Direktoren 8 Jahre, Präsidenten der nationalen Zentralbanken mindestens 5 Jahre)

Geldpolitische Ziele

Ihr geldpolitisches Instrumentarium setzt die EZB ein, um das ihr im EG_Vertrag vorgegebene Ziel der Preisstabilität zu erreichen. Dieses definiert sie selbst als ein Wachstum des harmonisierten Verbraucherpreisindexes im Euro-Raum, das unter aber nahe bei 2% liegt.

Die Zwei-Säulen-Strategie

Um das Inflationsziel zu erreichen, verfolgt die EZB ein so genanntes Zwei-Säulen-Konzept.

Als Erste Säule beobachtet sie die Inflationsentwicklung selbst und Größen, die Einfluss auf die Inflation haben wie z. B.

  • Löhne und Gehälter,
  • Wechselkursentwicklung,
  • langfristige Zinssätze,
  • Messgrößen für Wirtschaftstätigkeit,
  • fiskalpolitische Indikatoren,
  • Preis- und Kostenindizes und
  • Unternehmens- und Verbraucherumfragen.

Als Zweite Säule beobachtet sie die Entwicklung der Geldmenge, da ein übermäßig hohes Geldmengenwachstum langfristige Inflationsrisiken anzeigt. Als Referenzwert strebt die EZB eine jahresdurchschnittliche Ausweitung der Geldmenge um 4,5% an.

Vorteil dieser Strategie ist es, dass die EZB flexibel auf die Marktanforderungen reagieren kann. In einer schlechten wirtschaftlichen Lage kann sie beispielsweise die Zinsen zu senken und mehr Geld an die Geschäftsbanken zu vergeben, also eine expansive Geldpolitik zu betreiben, da aufgrund des geringen Wirtschaftswachstums auch die Inflationsgefahren gering sind. Dann können Banken sich leichter refinanzieren, deshalb mehr Kredite vergeben und die Zinsen senken, was Investitionen und Konsum stimuliert. In einer Hochkonjunktur besteht hingegen die Gefahr, dass es zu einer stärkeren Inflation kommt. Dann betreibt die EZB eine kontraktive (restriktive) Geldpolitik, d. h. sie vergibt weniger Geld und erhöht ihre Zinsen, erschwert damit die Kreditvergabe, verteuert Investitionen. Dies alles gilt immer unter der Voraussetzung, dass die aktuelle Inflation keine andere Politik nahelegt: Ist in einer wirtschaftlichen Schwächephase die Inflation hoch, so dürfte die EZB ihre Zinsen dennoch nicht senken.

Als Nachteil der Zwei-Säulen-Strategie wird von manchen Beobachtern jedoch die geringe Transparenz und die damit verbundene fehlende Eindeutigkeit gesehen. Legt die zweite Säule (wie oben beschrieben) beispielsweise eine eher restriktive Geldpolitik nahe, so kann die EZB aufgrund der Informationen aus der ersten Säule dennoch zu einer expansiven Geldpolitik greifen. Dies ist von den Märkten jedoch u. U. nicht vorherzusehen, so dass die gewählte Strategie in einzelnen Fällen wenig transparent erscheint. Kritiker der Zwei-Säulen-Strategie fordern daher den Überganz zu einer einzelnen Säule, um den Märkten mehr Sicherheit entgegen zu bringen.

Die EZB selbst will jedoch an beiden Säulen festhalten, da diese die möglichen Ursachen von Inflation und Deflation beinhalten. Mit anderen Worten: Da es in der Realität nicht nur eine Einflussgröße auf Inflation gibt, macht es nach Ansicht der EZB auch keinen Sinn, nur eine Einflussgröße zu betrachten.

Geldpolitische Instrumente

Unmittelbar beeinflussen kann die EZB nur die Zinsen im Geschäft zwischen ihr und den Geschäftsbanken (so genannte Notenbankzinsen). Da letztere günstigere oder ungünstigere Finanzierungsbedingungen in der Regel aber an ihre Kunden weitergeben, ändern sich in Reaktion auch die Marktzinsen - v. a. die am Geldmarkt (kurzfristige Zinsen), aber u. U. auch die am Kapitalmarkt (langfristige Zinsen).

Sie sind das wichtigste Instrument der EZB und bilden den Mittelpunkt der Geldpolitik des ESZB. Sie dienen zur Steuerung der Zinsen, der Liquiditätslage und zum Aufzeigen des geldpolitischen Kurses. Durch die Offenmarktgeschäfte erhalten die Geschäftsbanken den Großteil ihres Geldes gegen die Verpfändung von Sicherheiten (z. B. Wertpapiere). Die Initiative zu Offenmarktgeschäften geht von der EZB aus.

Das eindeutig wichtigste ist das Hauptrefinanzierungsinstrument (Haupttender). Bei diesem Instrument erhalten die Geschäftsbanken von der EZB Geld gegen Zinsen. Der Zinssatz dieser Geschäfte (Hauptrefinanzierungssatz) wird aufgrund seiner Bedeutung oft auch als Leitzins der EZB bezeichnet. Er liegt derzeit bei 2%. Die Transaktionen finden einmal pro Woche statt. Ihre Laufzeit beträgt ebenfalls eine Woche.

Die drei anderen Offenmarktgeschäfte sind:

Das sind die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität. Mit den Spitzenrefinanzierungsfazilitäten können die Geschäftsbanken sich kurzfristig (über Nacht) Geld besorgen, mit den Einlagefazilitäten Geld kurzfristig (über Nacht) anlegen. Der Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität bildet die obere Grenze des Zinskorridors, die Einlagenfazilität bildet die untere Grenze des kurzfristigen Zinskorridors.

Durch sie sind die Geschäftsbanken verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz (momentan 2%) ihrer Kundeneinlagen bei der EZB zu hinterlegen. Um Wettbewerbsnachteile für Banken auszugleichen erhalten diese Zinsen in der Höhe des Leitzinses.

Die Mindestreserve kann im Gegensatz zu den Offenmarktgeschäften eher als ordnungspolitischesInstrument angesehen werden, da sie erst den Rahmen für die anderen Instrumente liefert. Durch die Mindestreserve und durch das Banknotenmonopol des ESZB sind die Geschäftsbanken gezwungen, sich bei der EZB zu refinanzieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Anbindungsfunktion der Mindestreserve.

Die EZB gestattet den Geschäftsbanken, ihre Verpflichtung zur Hinterlegung der Mindestreserve jeden Monat durchschnittsweise zu erfüllen. D. h. also, Tagen mit einer Untererfüllung der Mindestreserve seitens der Geschäftsbanken müssen dann gleichermaßen Tage mit einer Übererfüllung gegenüberstehen, um die Verpflichtung im Durchschnitt zu erfüllen. Indem die EZB die Geschäftsbanken nicht zu einer täglichen Erfüllung zwingt, gibt sie ihnen einen größeren Spielraum bei der Wahrung ihrer kurzfristigen Liquidität; sollte eine Geschäftsbank kurzfristig eine knappe Liquidität aufweisen, so kann sie für den entsprechenden Zeitraum einfach auf die Erfüllung ihrer Mindestreserveverpflichtung verzichten und ihren Bedarf somit selbst decken, ohne am kurzfristigen Finanzmarkt zukaufen zu müssen. Dies führt wiederum zu einem weit weniger volatilen Geldmarktzins. Man spricht daher hier von der Stabilisierungsfunktion der Mindestreserve.