Zuwanderungsgesetz
Das Zuwanderungsgesetz (Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern) regelt die Einwanderung nach Deutschland (bei gleichzeitiger Vermeidung des letzteren Begriffes). Es wurde am 30. Juli 2004 verabschiedet und tritt zum 01. Januar 2005 in Kraft. Relevante Diskussionen und politische Auseinandersetzungen hierzu erfolgten in Deutschland in den Jahren 2001 bis 2004. Aus der Gesetzgebung ausgeschlossen ist per definitionem die illegale Migration.
Vorgeschichte
Deutschland war schon immer nicht nur ein Auswanderungsland (in je nach politischer und wirtschaftlicher Lage unterschiedlicher Zahl wanderten Deutsche aus) sondern auch lange schon ein Einwanderungsland. Die Einwanderung von Ausländern geschah ohne deutliche offizielle Wahrnehmung, sondern wurde direkt von den betroffenen Betrieben geregelt. Dabei handelte es sich großteils um Saisonarbeiter aus Polen, die in der Landwirtschaft beschäftigt wurden.
Die Nicht-Regelung der De-facto-Einwanderung in die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland wurde im Laufe der Zeit durch wiederholte Absichtserklärungen verschiedenster Politiker in den Status des politischen Bekenntnisses erhoben: "Wir wollen und können kein Einwanderungsland werden", so Helmut Schmidt im Jahre 1979. Tatsächlich erfolgende Einwanderung wurde daher mit Ad-hoc-Regelungen gesteuert und offiziell nicht als Einwanderung angesehen:
- Infolge der Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Asylrecht für politische Verfolgte als Grundrecht ins Grundgesetz geschrieben.
- Der Zuzug der am Ende des Zweiten Weltkriegs vertriebenen Deutschen (etwa 12 Millionen) ist keine Einwanderung, da es sich hier um Deutsche handelt, die aus deutschen Gebieten vertrieben wurden. Zwar wurden auch Deutsche aus damals nicht zu Deutschland gehörenden Gebieten vertrieben (Freie Stadt Danzig, Polen, Litauen, Sowjetunion usw.), aber hier handelte es sich um Menschen, die explizit wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit vertrieben wurden und die daher eindeutig dem deutschen Kulturkreis verhaftet waren. Etwas anders, aber politisch ähnlich verhält es sich mit den in späteren Jahren nach Deutschland gekommenen Spätaussiedlern, die zwar oft keine aktuelle Bindung mehr zum deutschen Kulturkreis haben, die aber nach dem seit 1871 gültigen Staatsbürgerschaftsrecht als Menschen deutscher Volkszugehörigkeit Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft haben und deswegen fast ungehindert einwandern können.
- Im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Bundesrepublik beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ab 1955 Gastarbeiter als zusätzliche Arbeitskräfte ins Land geholt. Dies geschah unter der bis zu Anwerbestopp 1973 erhaltenen Regel mit dem Namen "Rotation", die besagte, dass die Menschen nur vorübergehend in Deutschland bleiben und spätestens mit Eintritt in die Rente in ihre Heimatländer zurückkehren sollten.
In den 1990er Jahren zeigte sich, dass die bisherigen Regelungen viele Mängel aufwiesen. Insbesondere zwangen sie durch ihren weitgehenden Ausschluss legaler Einwanderungsmöglichkeiten, Menschen auf das wesentliche verbliebene Schlupfloch zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung auszuweichen, das Asylrecht. Um die als groß empfundene Zahl vermeintlicher oder echter so genannter Scheinasylanten abzuwehren, wurde die Praxis des Asylrechts verschärft.
Weiterhin klagten viele Wirtschaftsunternehmen, insbesondere in wirtschaftlich florierenden Branchen wie der Informationstechnologie, aber auch in Branchen mit sehr niedrigem Lohnniveau wie der Landwirtschaft, dass sie nicht genügend deutsche Arbeitskräfte finden könnten und es kaum legale Möglichkeiten gebe, solche Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben. Der immer noch gültige Anwerbestop von 1973 schiebt derartigen Maßnahmen einen legalen Riegel vor.
Um die Mängel der komplizierten Ausländergesetzgebung zu beheben und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Deutschland de facto seit den 1960er Jahren ein Einwanderungsland mit einem Bevölkerungsanteil von knapp neun Prozent Ausländern geworden ist, wurde Anfang des 21. Jahrhunderts nach langer Diskussion erneut ein Zuwanderungsgesetz vorgelegt.
Infolge der seit 2001 in Deutschland anhaltenden wirtschaftlichen Rezession ist allerdings die Arbeitslosigkeit bei Informatikern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern, deren Zuzug aus dem Ausland durch das Zuwanderungsgesetz gefördert werden sollte, wieder stark angestiegen. Zur Zeit (2005) dürfte angesichts der hohen Arbeitslosigkeit quer durch alle Branchen keinerlei Arbeitskräftemangel bestehen. Überhaupt ist sehr fraglich, ob Zuwanderung in den Arbeitsmarkt nicht mehr Probleme schafft als löst, zumal auch das demographische Problem in Deutschland sich durch Zuwanderung eher verschlimmert (Einwanderer beantragen auch irgendwann Rente).
Eine kurze Chronologie
- Der Entwurf wurde am 3. August 2001 von Otto Schily dem Bundeskabinett vorgelegt.
- Am 7. November 2001 beschließt das Bundeskabinett den Gesetzentwurf.
- Am 1. März 2002 wurde das Gesetz vom Bundestag verabschiedet.
- Am 22. März 2002 wurde das Gesetz dem Bundesrat vorgelegt. Der amtierende Bundesratspräsident Klaus Wowereit erkläte das Gesetz vom Bundesrat für angenommen; aufgrund des genauen Verlaufs der Abstimmung allerdings war hoch umstritten, ob die Mehrheit für das Gesetz verfassungsgemäß zu stande kam. Die CDU/CSU klagte letztlich erfolgreich gegen die Abstimmung vor dem Bundesverfassungsgericht: Die Zustimmung des Bundesrates ist aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik unbedingt nötig, damit dieses Gesetz in Kraft treten kann. Bei der Unterzeichnung des Gesetzes am 20. Juni 2002 durch Bundespräsident Johannes Rau übt dieser scharfe Kritik an der Vorgehensweise der Parteien.
- Am 18. Dezember 2002 erklärt das Bundesverfassungsgericht auf Antrag CDU/CSU-regierter Bundesländer die Bundesratsabstimmung vom 22. März für ungültig.
- Grund dafür war, dass die beiden Vertreter des Landes Brandenburg – Ministerpräsident Manfred Stolpe und Innenminister Jörg Schönbohm – unterschiedlich abgestimmt hatten. Der amtierende Bundesratsvorsitzende Klaus Wowereit hatte die Stimmen des Landes gemäß der Erklärung des Ministerpräsidenten für das Gesetz gezählt, was das Verfassungsgericht als unzulässig einstufte. Ohne diese vier Stimmen hatte das Gesetz aber keine Mehrheit in der Abstimmung.
- Im Januar 2003 legte die Bundesregierung das Gesetz ohne inhaltliche Veränderung erneut dem Bundestag vor, der es erneut beschloss.
- Ebenfalls im Januar erließ die Bundesregierung Verordnungen, um diejenigen Teile des Gesetzes umzusetzen, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.
- Am 20. Juni 2003 lehnt der Bundesrat, in dem aufgrund zwischenzeitlicher Wahlen nun die CDU/CSU-geführten Länder eine deutliche Mehrheit haben, das Gesetz ab.
- Wie in solchen Fällen zwingend vorgeschrieben, wird ein Vermittlungsverfahren im gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eingeleitet.
- Am 10. Oktober 2003 setzte der Vermittlungsausschuss wegen mangelnder Einigung eine Arbeitsgruppe ein. Diese Arbeitsgruppe tagte am 14. und 28. November und am 11. Dezember 2003. Am 16. Januar 2004 tagte die Arbeitsgruppe zum letzten Mal.
- Am 26. Januar 2004 unterstrich Bundeskanzler Gerhard Schröder noch einmal, dass ein modernes Zuwanderungsrecht geschaffen werden müsse.
- Am 1. Juli 2004 wurde das Gesetz erneut vom Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat stimmte am 9. Juli 2004 zu, der Bundespräsident fertigte es am 30. Juli 2004 aus. Das Gesetz wurde am 5. August im Bundesgesetzblatt (BGBl I S. 1950) verkündet. Es tritt am 1. Januar 2005 in Kraft.
Literatur
- Klaus Bade: Vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland? Deutschland 1880 - 1980. Berlin 1983.
- Bernt Engelmann: Du deutsch? Geschichte der Ausländer in unserem Land. München 1984.
- Ulrich Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge. München 2001.