Zum Inhalt springen

Inländerdiskriminierung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. Januar 2008 um 14:27 Uhr durch 141.2.160.219 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Inländerdiskriminierung (auch: Umgekehrte Diskriminierung) ist ein Begriff aus der Rechtswissenschaft. Er bezeichnet eine Situation, in der ein Staat die eigenen Staatsangehörigen oder die im eigenen Land hergestellten Güter schlechter stellt als ausländische.

Begriff

Der Begriff "Inländerdiskriminierung" wird teilweise beanstandet, weil er sich scheinbar nur auf Diskriminierungen von Personen bezieht, aber auch inländische Güter aller Art betroffen sein können. Er ist dennoch wohl vorzugswürdig, weil bei der Formulierung „umgekehrte Diskriminierung“ Verwechselungen mit der „reverse discrimination“ aus den USA auftreten können, bei der es um zusätzliche, positive, über die bloße Abschaffung diskriminierender Regelungen hinausgehende Maßnahmen geht [1]. Auf die Begrifflichkeit geht Christoph Hammerl in seinem Buch "Inländerdiskriminierung" aus dem Jahr 1997 ausführlich ein (dort S. 27 ff.).

Ursache

Das Recht der europäischen Gemeinschaften erleichtert den wirtschaftlichen Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Dabei geht es nicht nur um Güter, sondern auch um Dienstleistungen oder auch Arbeitskräfte. Die rechtliche Erleichterung des Verkehrs zwischen den Mitgliedstaaten ergibt sich einerseits aus Primärrecht (EU-Vertrag, EG-Vertrag), andererseits auch aus Sekundärrecht (Richtlinien, Verordnungen der EG). Aus der Erleichterung des Verkehrs zwischen den Mitgliedstaaten folgt, dass bestimmte Regelungen in den Mitgliedstaaten auf Güter und Staatsangehörige aus anderen EU-Mitgliedstaaten nicht mehr angewendet werden dürfen. Dennoch bleiben diese Regelungen für inländische Güter und Staatsangehörige weiterhin anwendbar. Wenn EU-Recht nun eine Erleichterung für ausländische Güter vorschreibt, jedoch die bisherigen strengeren Bestimmungen für inländische Güter und Personen weiterhin angewendet werden, werden die letzteren also schlechter behandelt. Dieser Zustand wird dann als Inländerdiskriminierung bezeichnet.

Beispiele

Für die Zulassung als selbständiger Handwerker in Deutschland ist die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlich. Wegen einer EU-Richtlinie ist dafür qualifizierte Berufserfahrung in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausreichend[2]. Bei Erwerb der Erfahrung und Ausbildung in Deutschland aber war bis vor weniger Zeit der sogenannte Große Befähigungsnachweis ("Meisterprüfung") nötig. Daher wurden die Inländer strengeren Bestimmungen unterworfen als EU-Ausländer. [3].

Auch das deutsche Reinheitsgebot für Bier stellte einen Fall der Inländerdiskriminierung dar. Im EU-Ausland gebrautes und in die BRD eingeführtes Bier musste wegen eines Urteils des EuGH aus dem Jahre 1987[4] nicht dem deutschen Reinheitsgebot zu entsprechen, da dies einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit des EG-Vertrages darstellen würde. Ein Bier, das ausschließlich innerhalb Deutschland gebraut wurde und auch auf dem deutschen Markt verkauft werden sollte, musste sich aber weiterhin an das Reinheitsgebot halten.

Ähnlich war die Situation in Italien bei Spaghetti: Inländische Teigwaren durften nur „Spaghetti“ heißen, falls sie aus Hartweizengries bestanden. Teigwaren aus anderen Mitgliedstaaten durften auch Spaghetti heißen, wenn sie nicht aus Hartweizengries bestanden, da die Auferlegung solch strenger Bestimmungen einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit aus dem EG-Vertrag bedeuten würde.[5]


Einzelnachweise

  1. Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 1991, S. 234
  2. Richtlinie 64/427/EWG vom 7.7.1964, Abl. EG 1964, 1863; VO Handwerk EWG vom 4.8.1966, BGBl. 1966 I S. 469
  3. Lockerung erfolgte nunmehr auch für rein innerstaatliche Fälle durch das „Dritte Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften vom 24.12.2003, BGBl. 2003 I S. 2934
  4. EuGH Urteil vom 12.3.1987, Slg. 1987, 1227 - Reinheitsgebot für Bier
  5. siehe dazu Entscheidung italienischen Verfassungsgerichtshofs vom 30.12.1997

Literatur

  • Epiney, Astrid: Umgekehrte Diskriminierungen. Zulässigkeit und Grenzen der discrimination à rebours nach europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht, Köln 1995
  • Hammerl, Christoph: Inländerdiskriminierung, Berlin 1997