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Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996

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Die Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 bewirkte eine heftige öffentliche Kontroverse. Die Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern dauern bis heute an, wiewohl mit der definitiven Einführung der Reform in den Schulen zum 1. August 2007 und der Vereinbarung der deutschsprachigen Presseagenturen zur einheitlichen Einführung reformierter Schreibweisen eine gewisse Normalisierung eingetreten ist. In den Jahren 2004 und 2006 wurde das Regelwerk in besonders strittigen Punkten überarbeitet. Dieser Artikel versucht, den Verlauf darzustellen.

Näheres zu der Reform bieten folgende Artikel:

Vorgeschichte

zur Vorgeschichte vor 1980, siehe Deutsche Rechtschreibung#Geschichte

1980 wurde der „Internationale Arbeitskreis für Orthographie“ gegründet und mit Germanisten aus der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, Österreich und der Schweiz besetzt.

Die Vorüberlegungen wurden vorangetrieben durch die zwei „Wiener Gespräche“ von 1986 und 1990, zu denen die österreichische Bundesregierung Vertreter aus allen Gebieten, in denen Deutsch gesprochen wird, eingeladen hatte. An der Schlusserklärung des 1. Wiener Gesprächs wurde angekündigt, die „umstrittene Groß- und Kleinschreibung“ vorerst auszublenden, um sie später in einem „zweiten Schritt“ in Angriff zu nehmen.

1987 erteilte die deutsche Kultusministerkonferenz (KMK) dem Institut für Deutsche Sprache in Mannheim den Auftrag, zusammen mit der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden ein neues Regelwerk zu entwerfen. 1988 übergaben diese einen noch unvollständigen Vorschlag mit zahlreichen, sehr weitreichenden Neuregelungen (zum Beispiel neu „Bot“ statt „Boot“ oder „Keiser“ statt „Kaiser“), der in der Öffentlichkeit und bald auch von der KMK als unannehmbar zurückgewiesen wurde.

Parallel dazu hatte die Schweizer Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren eine Expertengruppe mit dem gleichen Auftrag eingesetzt; beim Österreichischen Bundesministerium für Unterricht und Kunst gab es eine 'Wissenschaftliche Arbeitsgruppe des Koordinationskomitees für Orthographie'; in der DDR die 'Forschungsgruppe Orthographie' am Zentralinstitut für Sprachwissenschaft an der Akademie der Wissenschaften.

1992 veröffentlichte der Internationale Arbeitskreis einen alle Bereiche der Orthographie behandelnden Vorschlag unter dem Titel „Deutsche Rechtschreibung – Vorschläge zu ihrer Neuregelung“ (Narr, Tübingen). 1993 lud die KMK 43 Verbände zur Stellungnahme ein. Anhörungen fanden in Deutschland, Österreich und der Schweiz statt. Der IAR zog daraufhin die Forderung nach gemäßigter Kleinschreibung zurück. Es blieb auch bei der Unterscheidung von das/daß.

Auf dem 3. Wiener Gespräch, auch Wiener Orthographiekonferenz genannt, das vom 22. bis zum 24. November 1994 stattfand, wurde das Beratungsergebnis den politischen Entscheidungsinstanzen zur Annahme empfohlen. Im Anschluss an die „politische Willensbildung in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz“ solle Ende 1995 ein Abkommen geschlossen werden. Der Dudenverlag machte die Ergebnisse der Wiener Orthographiekonferenz im Dezember 1994 in einer Broschüre publik und vertrat die Auffassung: „Bei der Neuregelung handelt es sich nicht um eine ‚Reform an Haupt und Gliedern', sondern um eine ‚kleine Reform der Vernunft' “.

1995 beschlossen die deutschen Kultusminister in der KMK, die Neuregelung mit einigen Änderungen spätestens ab dem 1. August 1998 mit einer Übergangsphase bis zum 31. Juli 2005 einzuführen.

Am 1. Juli 1996 verpflichteten sich die deutschen Bundesländer, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein und weitere Staaten mit deutschsprachigen Bevölkerungsteilen durch die Wiener Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung die neue Orthographie bis zum 1. August 1998 einzuführen. Einige Bundesländer führten bereits mit Schulbeginn 1996/97 die neuen Regeln im Unterricht ein. Es entbrannte ein Wettrennen um die Herausgabe der ersten Wörterbücher in neuer Rechtschreibung. Für die Verlage zahlte sich die Rechtschreibreform aus: Für viele Jahre belegte der Duden Spitzenplätze auf Bestsellerlisten; der Schulbuchmarkt erlebte eine Sonderkonjunktur.

Öffentliche Auseinandersetzungen seit 1996

Kritiker der Rechtschreibreform beklagen eine zu geringe Beteiligung der Öffentlichkeit während der Erarbeitung der Reform durch Experten.

Erst nach Unterzeichnung der zwischenstaatlichen Absichtserklärung sei die Neuregelung in der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Als mit dem Erscheinen der neuen Wörterbücher im Juli/August 1996 die erwarteten Neuregelungen allgemein publik wurden, drängten die Reformgegner darauf, sie zurückzunehmen. Die Kultusministerkonferenz lehnte jedoch die daraufhin von den Reformern vorgeschlagenen Nachbesserungen ab. Die Duden-Redaktion räumte ein, dass auch viele Probleme im Zusammenhang mit der alten Rechtschreibung vor allem mit der unverständlich formulierten und spitzfindigen Darstellung der Rechtschreibregeln im Duden zusammenhingen.

Auf der Frankfurter Buchmesse 1996 unterzeichneten hunderte Schriftsteller und Wissenschaftler die Frankfurter Erklärung für einen Stopp der Reform.

Nachdem Verwaltungsgerichte im Lauf des Jahres 1997 unterschiedlich geurteilt hatten, erklärte das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 1998 die Einführung der neuen Rechtschreibung per Kultusministererlass für den Bereich der Schulen für rechtmäßig.

Angesichts der vielfältgen Kritik wurde 1997 zur Nachbesserung und Fortführung der Reform die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung ins Leben gerufen.

In Schleswig-Holstein wurde in einem Volksentscheid am 27. September 1998 die Wiedereinführung der herkömmlichen Rechtschreibung beschlossen. Ministerpräsidentin Heide Simonis hatte schon vorher angekündigt, den Volksentscheid mit der Landtagsmehrheit wieder aufzuheben. Das Volksgesetz wurde dann tatsächlich vom Kieler Landtag im September 1999 aufgehoben. In Bayern war 1996/97 eine Volksinitiative erfolgreich. Aber das dadurch mögliche Volksbegehren wurde von den Initiatoren um Friedrich Denk aufgegeben.

2004 – 2005: Krise der Reform

Zum Welttag des Buches, am 23. April 2004, legte die seit dem Jahre 2000 erscheinende Sprachzeitung Deutsche Sprachwelt erstmals eine Resolution zur Rücknahme der Rechtschreibreform vor, die bis Juni 2005 eine Vielzahl bekannter Autoren, Persönlichkeiten, Verlage, Organisationen, Schulen und Verbände unterschrieb.

Im Juni 2004 entschieden die Kultusminister, einen Rat für deutsche Rechtschreibung einzurichten, der an die Stelle der Zwischenstaatlichen Kommission trat. Der Beschluss erfolgte einstimmig und kann auch nur einstimmig geändert werden. Dieses Gremium sollte sich zunächst um die besonders umstrittenen Themen der Rechtschreibreform, wie z. B. der Zusammen- und Getrenntschreibung sowie der Eindeutschung von Fremdwörtern („Ketschup“, „Portmonee“) kümmern.

Am 6. August 2004 erklärten die Verlage Axel-Springer-Verlag (u. a. Bild) und Der Spiegel sowie die Süddeutsche Zeitung (mit Einschränkungen) ebenfalls ihre Absicht, zu den alten Schreibweisen zurückzukehren, was erneut heftige Diskussionen um die Reform nach sich zog. Andere Verlage und Zeitungen kritisierten dieses Verhalten. Die taz ließ aus Protest ihre Ausgabe vom 12. August 2004 in Kleinschreibung erscheinen und bezeichnete die Anhänger der traditionellen Rechtschreibung als „Ewiggestrige“. Wenige Tage nach dem Vorstoß von Spiegel und Springer gab der Rheinische Merkur als weitere große Zeitung bekannt, ebenfalls zur traditionellen Rechtschreibung zurückkehren zu wollen.

Am 17. Dezember 2004 nahm der Rat für Deutsche Rechtschreibung seine Arbeit auf.

Auf einem Treffen am 25. September 2004 beschloss die Kultusministerkonferenz mit großer Mehrheit, am Termin für die verbindliche Einführung zum 1. August 2005 festzuhalten und Nachbesserungen nur in einzelnen Bereichen durchzuführen. Daher wurde die Reform am 1. August 2005 in 14 von 16 Bundesländern durchgesetzt, wie im Vertrag zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz vereinbart worden war. Eine Sonderstellung hatten nur Bayern und Nordrhein-Westfalen inne. Man unterrichtete zwar auch dort nach den Regeln der neuen Rechtschreibung, akzeptierte jedoch bis zum Inkrafttreten der dritten Fassung zum 1. August 2006 auch noch die traditionellen Schreibweisen.

Am 6. Oktober 2004 erklärte die Süddeutsche Zeitung, dass sie - entgegen ihrer Ankündigung - doch nicht zur alten Rechtschreibung zurückkehren werde.

Im Hinblick auf die notenrelevante Einführung der reformierten Rechtschreibregeln an den Schulen erklärten im Juli 2005 mehrere bereits zur klassischen Rechtschreibung zurückgekehrte Druckmedien (unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt), auch weiterhin die klassische Rechtschreibung verwenden zu wollen.

Mit einer Änderung des Statuts am 17. Juni 2005 wurde die Arbeit des Rates für deutsche Rechtschreibung neu geregelt. (Obwohl diese Änderung die Grundlage für die Tätigkeit der Ratsmitglieder ist, wurde der neue Text den Mitgliedern zunächst nicht bekanntgegeben.) Darin legten die Kultusminister überraschend fest, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung Änderungsvorschläge lediglich in den von den Kultusministern als „strittig“ eingestuften Bereichen erarbeiten soll. Dies sind Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung sowie die Schreibung von Fremdwörtern.

Das Fehlen der Worttrennung am Zeilenende im Ratsstatut wurde später als Übertragungsfehler bezeichnet. Die Bereiche Laut-Buchstaben-Zuordnung, Groß- und Kleinschreibung sowie Schreibweisen mit Bindestrich wurden dagegen von den Kultusministern als „unstrittig“ eingestuft, obwohl der Rat für deutsche Rechtschreibung auch in diesen Bereichen notwendige Änderungen angekündigt hat. Die Einführung der von der Kultusministerkonferenz als „unstrittig“ bezeichneten Teile der Rechtschreibreform soll nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz nicht verschoben werden. Bei den strittigen Bereichen soll von den Lehrern weiterhin Toleranz geübt werden.

Nach dieser Entscheidung gab es mehrere Versuche, ein bundesweites Moratorium zu erreichen, um dem Rat für deutsche Rechtschreibung mehr Zeit für seine Arbeit einzuräumen. Ein Vorstoß der Ministerpräsidenten der CDU-regierten Länder scheiterte jedoch am Minderheitsvotum der SPD-regierten Bundesländer.

Nachdem ein bundesweiter Aufschub gescheitert war, empfahl der Verfassungsrechtler Rupert Scholz denjenigen Bundesländern, die eine Verschiebung der Einführung der Rechtschreibreform wünschten, einen Alleingang. Dazu kam es dann am 16. Juli 2005, als die bevölkerungsreichsten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern erklärten, die Einführung der Rechtschreibreform „bis auf weiteres“ auszusetzen. Man wolle die Ergebnisse des Rates für deutsche Rechtschreibung abwarten, um den „Empfehlungen des Rates zum Erfolg zu verhelfen“.

Seit 1. August 2005 galt die neue Rechtschreibung in den Schulen der Bundesrepublik Deutschland in den sogenannten unstrittigen Teilen, außer in Nordrhein-Westfalen und Bayern, wo weiterhin die Übergangsregeln verwendet wurden. Nachdem die Kultusministerkonferenz am 2. März 2006 den Vorschlägen des Rates für deutsche Rechtschreibung zugestimmt hat, ist die reformierte Rechtschreibreform ohne Ausnahmen durch einzelne Bundesländer in Deutschland am 1. August 2006 mit einjähriger Übergangsfrist eingeführt worden.

Am 30. März 2006 bestätigten die Ministerpräsidenten der Bundesländer in der Bundesrepublik die Reform der Reform für die Bundesrepublik Deutschland.

2006: Einführung der dritten Fassung der reformierten Rechtschreibregeln

Nach einer Überarbeitung durch den Rechtschreibrat und einer Entscheidung der Kultusministerkonferenz wurde die dritte Fassung der Reform am 1. August 2006 bundesweit in den Schulen mit einjähriger Übergangsfrist eingeführt. Zu diesem Termin stellten auch Bild, Die Welt, Hörzu und die übrigen Medien der Axel-Springer-AG auf diese Schreibweise um. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung wendet seit dem 1. Januar 2007 eine Hausorthographie an, die sich im großen und ganzen an der Reformschreibung von 2006 orientiert, jedoch einige Ausnahmen wie zum Beispiel „Stengel“ oder „rauh“ enthält.[2] Die deutschsprachigen Presseagenturen mit Ausnahme der sda haben ab dem 1. August 2007 eine neue Hausorthographie eingeführt, die zwar von der Reformschreibung von 2006 ausgeht, diese jedoch weiter der traditionellen Rechtschreibung annähert, indem sie bei Varianten, zum Beispiel bei der Getrennt- und Zusammenschreibung, der traditionellen Schreibweise den Vorzug gibt.[3] Andere Presseorgane haben wiederum eigene Hausorthographien, die aus den zahlreichen Alternativschreibweisen der neuen Rechtschreibmöglichkeiten verbindliche Schreibungen auswählen.

Am 27. Februar 2006 überreichte der Rat für Deutsche Rechtschreibung der Kultusministerkonferenz eine Reihe weiterer Empfehlungen für Änderungen. Sie betrafen vor allem reformierte Groß- und Klein- sowie Zusammen- und Getrenntschreibungen. So sollte z. B. bei "Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv mit einer neuen, idiomatisierten Gesamtbedeutung" auch die Großschreibung des Adjektivs wieder erlaubt sein (der Runde Tisch, das Schwarze Brett) und das Wort eislaufen (zwischenzeitlich gefordert: Eis laufen) wieder in seine frühere Form zurückversetzt werden. Zudem gab es eine Liste von Einzelentscheidungen, wie bei „es tut mir leid“. Weitere Änderungen betrafen die Worttrennung am Zeilenende; beispielsweise sollte die Abtrennung einzelner Vokalbuchstaben am Wortanfang oder -ende wie bei „E-sel“ oder „Klei-e“ nicht mehr zulässig sein.[4] Die Neuerungen, die zum großen Teil eine Rückkehr zur bisherigen Rechtschreibung bedeuteten, traten mit dem neuen Schuljahr in Kraft, wobei die vorherigen, reformierten Schreibweisen erst nach einer Übergangsfrist von einem Jahr als Fehler bemängelt werden sollten.

Die Kultusministerkonferenz stimmte am 2. März 2006 den Vorschlägen des Rates zu, so dass die erneut reformierte Rechtschreibung bundesweit am 1. August 2006 in Kraft getreten ist.

Rechtliche Verbindlichkeit der reformierten Rechtschreibregeln

Deutschland

Rechtliche Grundlage für die Anwendung der reformierten Schreibregeln sind in Deutschland Beschlüsse der Kultusministerkonferenz [5] sowie Erlasse bzw. Rundschreiben, in denen die Kultusministerien der Bundesländer die verbindliche Einführung der neuen amtlichen Regelung für den Schulbereich sowie für Behörden regeln.[6][7] Daneben gibt es - zumeist in Form von verbindlichen Dienstanweisungen - interne Vorschriften in öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und Verlagen, die ebenfalls die Gültigkeit der neuen Regeln festlegen (vielfach in Form einer sogenannten Hausorthographie, d.h. mit Abweichungen von den offiziellen Regeln).[8] Eine über den schulischen Rahmen hinausgehende rechtliche Verbindlichkeit existierte vor der Reform nicht und wurde mit der Reform auch nicht angstrebt, wie nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen erklärte.[9]

Die Bundesverwaltungen haben die Regelung gemäß einem Beschluss des Bundeskabinetts vom 27. Januar 1999 zum 1. August 1999 ebenfalls übernommen[10].

Österreich

In Österreich wird gemäß amtlicher Bekanntgabe des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur durch die neue Rechtschreibregelung die Rechtschreibung "derjenigen Institutionen (Schule, Verwaltung), für die der Staat Regelungskompetenz hinsichtlich der Rechtschreibung hat" geregelt.[11] Weiters gilt als Wörterbuch in "Zweifelsfällen [...] das Österreichische Wörterbuch in seiner aktuellen Auflage".[12]

Stand der Umsetzung

Zeitungen und Zeitschriften

Ein großer Teil der Periodika erscheint mittlerweile in einer Variante der reformierten Rechtschreibung, meist mit einer eigenen Hausorthographie. Von den fast 200 Zeitungen und Zeitschriften (Stand August 2005), die entweder immer noch in der vor der Reform 1996 üblichen Rechtschreibung publizieren, zur bisherigen Rechtschreibung zurückgekehrt sind oder diese Umstellung angekündigt haben, sind vor allem die Medien der Axel-Springer-AG nach einer weiteren „Reform der Reform“ zum 1. August 2006 zu einer reformierten Rechtschreibung übergegangen, die oft mit eigenen hausinternen Schreibvarianten verändert wurde. Nach wie vor wird die Rechtschreibung sehr uneinheitlich gehandhabt. Im August 2007 haben sich allerdings die Presseagenturen nicht nur darauf geeinigt, die neuen Regeln anzuwenden, sondern auch, welche Schreibweise sie anwenden, wo die die Reformregeln Wahlfreiheit lassen.

Die FAZ kehrte zwar im Jahre 2000 nach einem Erprobungsjahr wieder zur traditionellen Schreibweise zurück, hat aber zusammen mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zum 1. Januar 2007 eine Hausorthographie eingeführt, die weitgehend auf den reformierten Regeln von 2006 beruht. Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung kündigten im August 2004 ebenfalls eine Rückkehr an und führten schrittweise traditionelle Schreibweisen wieder ein. Die angekündigte große Umstellung blieb allerdings aus. Als sich in der „Zehetmair-Kommission" teilweise eine Rückkehr zu den traditionellen Schreibweisen abzeichnete, folgte der Spiegel jedoch ab dem 2. Januar 2006 „den bisherigen Ergebnissen des Rats für deutsche Rechtschreibung“, das heißt, er schreibt jetzt nach den reformierten Regeln von 2006. Die Jüdische Allgemeine, Forschung & Lehre, inamo, Junge Welt, Junge Freiheit und konkret erscheinen weiter in traditioneller Rechtschreibung.

Im Juli 2006 beschloss die Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen nach einer Kundenbefragung, grundsätzlich die reformierte rechtschreibung anzuwenden, aber bei einer erheblichen Zahlkünftig zugelassener Varianten die ältere Schreibweise vorzuziehen. Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaft sind neben Deutsche Presseagentur (dpa) und ddp auch APA, AFP, Associated Press (AP), Dow Jones, epd, KNA, Reuters Schweizerische Depeschenagentur (sda) und sid. Diese Hausorthographie wird nach einem im Dezember 2006 veröffentlichten Beschluss seit dem 1. August 2007 angewandt.

Nur wenige Medien wenden alle Reformregeln vollständig an. Der überwiegende Teil arbeitet mit eigenen Hausorthographien, die Kompromisse zwischen reformierter und traditioneller Rechtschreibung sind. In den neuen Hausorthographien wird insbesondere die sogenannte Heyse'sche s-Schreibung bevorzugt. Erwähnenswert sind hierbei der Springer-Verlag, die Zeit und die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Während die Hausorthographie der Neue Zürcher Zeitung den traditionellen Regeln recht nahe steht, entfernt sich die von Dieter E. Zimmer für Die Zeit entworfene Hausorthographie weiter von den traditonellen Schreibweisen als die reformierten Rechtschreibregeln von 2006 (z. B. „Foton“ statt „Photon“).

Trotz langem Hin und Her setzt sich in den Medien die reformierte Rechtschreibung immer mehr durch. Zitat [13]: „Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen AFP, AP, APA, Dow Jones, ddp, dpa, epd, KNA, sid und Reuters stellen am 1. August 2007 ihre Rechtschreibung um. Um nicht nur korrekt, sondern auch einheitlich zu schreiben, haben sie sich in allen Fällen, in denen unterschiedliche Schreibweisen zulässig sind, für eine bestimmte entschieden. Sie schreiben zum Beispiel «kennenlernen» und nicht «kennen lernen», «Delfin» und nicht «Delphin».“

Geographische Namen

Auf seiner Sitzung am 17. September 1999 beschloss der Ständige Ausschuss für geographische Namen (StAGN) aller deutschsprachigen Länder auf seiner Sitzung in Wabern bei Bern einstimmig die dringende Empfehlung an alle zuständigen Behörden, die neuen Rechtschreibregeln auch auf geographische Namen anzuwenden. Ausgenommen sind nur Schreibweisen, die schon von den alten Regeln abwichen.[14] Diese „dringende Empfehlung“ wurde bisher (2008) nur in sehr geringem Maße umgesetzt. Das schweizerische Bundesamt für Landestopographie, an dessen Sitz der StAGN sich traf, hat die Schreibweise seines Namens inzwischen in Bundesamt für Landestopografie abgeändert.

Literatur

Bei den Buchverlagen richtet sich die Umsetzung der Rechtschreibreform stark nach dem jeweiligen Segment und ist daher oft auch innerhalb eines Verlages uneinheitlich: Schulbücher, Kinder- und Jugendbücher sowie Sachbücher folgen überwiegend der neuen Rechtschreibung, bei deutschsprachigen Romanen richten sich die Verlage in der Regel nach den Wünschen der Autoren. Bei Übersetzungen fremdsprachlicher Belletristik wird ähnlich verfahren.

Klassische Werke der Literatur werden häufig unverändert in der alten Rechtschreibung gedruckt, abweichend davon werden aber Klassiker, die für den Schulgebrauch gedacht sind, wie zum Beispiel die bekannten „Reclam-Heftchen“, durchaus an die neue Rechtschreibung angepasst. Insgesamt erscheinen, nach einer Umfrage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, 80 % aller neu verlegten Bücher in neuer Rechtschreibung.

Am 28. August 2004 erschien die 23. Auflage des Dudens. Es handelt sich hierbei um den dritten Duden, der seit Beschluss der Rechtschreibreform im Jahre 1996 erschienen ist. In der neuesten Auflage berücksichtigt der Duden auch die im Juni 2004 von der Kultusministerkonferenz beschlossenen Änderungen. Während die Rechtschreibreformer hofften, an Stellen, wo sie verschiedene Schreibweisen als gleichwertig zur Wahl gestellte hatten, würde ein natürlicher gesellschaftlicher Prozess der Schriftentwicklung stattfinden, hat die Redaktion des Dudens von ihr bevorzugte Versionen farbig unterlegt.

Politik

Am 8. Oktober 2004 haben die deutschen Ministerpräsidenten einstimmig beschlossen, dass die neue Rechtschreibung termingerecht eingeführt werden soll. Es ist ein „Rat für die deutsche Rechtschreibung“ eingesetzt worden, der sich um eine Verbesserung der neuen Rechtschreibung kümmern soll und zwar insbesondere in den Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Interpunktion, Worttrennung und Schreibung von Fremdwörtern. In diesem Rat sitzen sowohl Befürworter als auch Gegner der Rechtschreibreform. Die Verbesserungen sollten noch vor der offiziellen Einführung der neuen Rechtschreibung am 1. August 2005 erfolgen.

Der Rates für Rechtschreibung umfasste dann neben mehrere Kritikern der Reform auch einen erklärten Gegner, Theodor Ickler, den Vertreter des deutschen Pen-Zentrums.

Am 29. November 2004 stellte Doris Ahnen, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, mit dem ehemaligen bayerischen Kultusminister Hans Zehetmair den designierten Vorsitzenden des Rates für Rechtschreibung vor. Zehetmair kündigte in einem dpa-Interview Korrekturen an. Eine Zurückführung zur alten Rechtschreibung, zur „Stunde Null“, schloss er aber aus.

Wirtschaft

Große Teile der deutschen Wirtschaft stellten frühzeitig auf die reformierten Schreibregeln um. Nach einer Umfrage des Handelsblatts vom Oktober 2004 war die Umstellung zu diesem Zeitpunkt bei 70 % der deutschen Großunternehmen bereits umgesetzt, weitere 8 % wollten noch folgen. 71 % der befragten Unternehmen sprachen sich gegen eine Rückkehr zur traditionellen Schreibung aus, hauptsächlich aus Kostengründen, zum Teil auch wegen der Verlässlichkeit getroffener Entscheidungen.


Akzeptanz der Rechtschreibreform in den verschiedenen deutschsprachigen Ländern

Deutschland

Gemäß Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach waren im Jahr 1997 10 % der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahren für die Rechtschreibreform, 70 % dagegen, und 20 % war die Rechtschreibreform egal.[15]

Nach einer Umfrage des gleichen Instituts im Jahr 2000 lehnten die meisten Deutschen die Rechtschreibreform ab. Eine repräsentativen Umfrage wies 13 % von 2111 Befragten aus, die sich auf die neue Schreibweise eingestellt hatten.

Zwischen März/April 2002 überprüfte das Institut für Demoskopie Allensbach erneut die Stimmung zur Reform. Damals gaben 56 % der Befragen an, sie seien gegen die Reform, 10 % waren dafür, 57 % sahen für sich keinen Grund, ihre Rechtschreibung umzustellen, und 49 % forderten eine Rücknahme der Reform.[16]

Nach einer vom Fernsehmagazin „Panorama“ am 21. Juli 2004 veröffentlichten Studie zum Stand der Akzeptanz der Reform hielten auch sechs Jahre nach der Einführung 77 % der Deutschen die Rechtschreibreform für „nicht sinnvoll“. Nur jeder fünfte Bundesbürger (21 %) bewertete die Reform positiv.

Das Institut für Demoskopie in Allensbach untersuchte die Auswirkungen der Debatte im Sommer 2004 auf die Haltung der Bevölkerung gegenüber der Rechtschreibreform. In der repräsentativen Umfrage wollten nur 26 % der Deutschen über 16 Jahre die Rechtschreibreform beibehalten. Der Anteil der klaren Befürworter der Reform sank von 13 % im April 2004 auf 11 % im September 2004. Lediglich 19 % gaben an, sie beachteten die neuen Regeln. Die Demoskopen kommentierten, der Entschluss vieler Zeitungen, zur klassischen Schreibweise zurückzukehren, habe viele Bundesbürger zu einer ähnlichen Entscheidung veranlasst.[17]

Im Juli 2005 wiederholte das Institut für Demoskopie in Allensbach seine Untersuchung zur Akzeptanz der Rechtschreibreform unter der Bevölkerung. Das Ergebnis zeigt eine klare Ablehnung der Rechtschreibreform in Deutschland: Nur 8 % der Befragten waren Befürworter der Reform, eine deutliche Mehrheit von 61 % sprach sich gegen die Reform aus.[18]

Am 8. September 2006 veröffentlichte die Deutsche Sprachwelt in Zusammenarbeit mit dem Textdienstleister „Textfex“ ein „Stimmungsbild zur deutschen Sprache“. Wie in dem vergangenen Jahrzehnt seit der ersten Rechtschreibreform von 1996 zeigte sich eine erneute klare Ablehnung in Deutschland. Nur 28 Prozent der Befragten richteten sich nach den reformierten Schreibweisen, 16 Prozent schrieben nach eigenem Gutdünken, und noch 56 Prozent hielten den traditionellen Regeln die Stange. Nur 14 Prozent aller Befragten befürworteten die Reform, 66 Prozent lehnen sie jedoch völlig ab.

Österreich

In Österreich wird die deutsche Rechtschreibung nach der Reform von 1996 verwendet. Verbindliches Regelwerk ist das Österreichische Wörterbuch in der 40. Auflage. Einige Zeitungen erscheinen aber auch hier weiter in traditioneller Rechtschreibung.

Nach einer im August 2004 veröffentlichten Gallup-Umfrage sprachen sich 62 % der Österreicher für eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung aus. Aus der österreichischen Presse verlautete, dass noch keine Entscheidung getroffen sei, man schloss eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung ausdrücklich nicht aus. Viele österreichische Medien benutzen Hausregeln statt der offiziellen Orthographie.

Am 1. August 2005 wurden die Regeln der neuen Rechtschreibung für Ämter und Schulen verpflichtend. Zuvor galt eine siebenjährige Übergangsfrist, in der beide Rechtschreibungen gleichberechtigt nebeneinander verwendet werden durften, wobei in den Schulen nur noch nach der neuen Rechtschreibung unterrichtet wurde. Während der Frist wurden auch die österreichischen Schulbücher an die neue Schreibung angeglichen und mit einem eigenen Logo versehen, um auf den Umstand hinzuweisen.

Der Großteil der österreichischen Bevölkerung hat auch 2006 an der traditionellen Rechtschreibung festgehalten.

Schweiz

In der Schweiz gilt offiziell die reformierte Rechtschreibung gemäß der Version der 23. Duden-Auflage von Oktober 2004. Die anhaltenden Rechtschreibdebatten in Deutschland wurden zeitweilig aus eher distanzierter Sicht betrachtet. Inzwischen verwenden aber verschiedene Zeitungen eine Hausorthographie.

Am 1. August 2005 wurden die Regeln der reformierten Rechtschreibung für Schüler verbindlich, bis auf den Kanton Bern, dessen Lehrerverband die Reform nicht einführen will (das Schulwesen in der Schweiz wird kantonal betreut). Die Schweizer Schüler werden seit Jahren nur noch nach der reformierten Rechtschreibung unterrichtet, die für die Schweiz allerdings über die bisherigen Unterschiede hinaus manche Sonderregel enthält. Im Rat für deutsche Rechtschreibung setzen sich die zwei Mitglieder der Schweizer Lehrerverbände jedoch für eine Rückkehr zu den alten Regeln ein. Unterstützung erhalten sie von der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK), einem Verein von Befürwortern einer einheitlichen und sprachrichtigen Rechtschreibung, der sich im Juni 2006 zu seiner ersten Arbeitssitzung traf. Für Ämter und Behörden wurde die Übergangsregelung bis zum Vorliegen von Ergebnissen des Rates für deutsche Rechtschreibung verlängert.

In einer Presseerklärung vom 30. Juli 2005 kündigte die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) an, im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft mit weiteren deutschsprachigen Nachrichtenagenturen über die weitere Anwendung der reformierten Schreibweisen zu entscheiden. Die SDA erklärte, sich alle Optionen offenhalten zu wollen, „einschließlich einer vollkommenen Rückkehr zur herkömmlichen Rechtschreibung“. Außerdem lehne die gesamte Arbeitsgemeinschaft „grammatisch falsche Schreibweisen (z. B. Leid tun, Recht haben, das 8-Fache) sowie die unnötige Veränderung gewohnter Wortbilder und falsche Ableitungen ab (z. B. aufwändig; einbläuen, Quäntchen)“. Im Mai 2007 erklärte die SDA, sich künftig an die Empfehlungen der SOK zu halten. Damit orientiert sich die SDA stärker an der traditionellen Schreibweise als die übrigen deutschsprachigen Nachrichtenagenturen.

Im Dezember 2006 kehrte die große Neue Zürcher Zeitung (NZZ), welche seit Mai 2000 die Reformen, soweit sie die Schweiz betrafen, umgesetzt hatte, zu einer internen Hausrechtschreibung um, welche in einer Reihe von Fällen die traditionelle Schweizer Rechtschreibung, die schon immer von der anderer deutschsprachiger Länder abwich, wieder bevorzugt. Diese neue (alte) Schreibe des Blattes hatte sich aus dessen Mitarbeit bei der SOK entwickelt. Die meisten Schweizer Printmedien verwenden inzwischen eine eigene Hausrechtschreibung oder folgen den Empfehlungen der SOK.

Weitere deutschsprachige Gebiete

An den meisten Schulen in Liechtenstein, Südtirol, dem deutschsprachigen Teil Belgiens[19] und Namibia wird die Reformschreibung gelehrt, obwohl diese Regionen nicht an dem zwischenstaatlichen Abkommen zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligt sind. In Luxemburg wird die Rechtschreibung nicht einheitlich gehandhabt.

Der Vatikanstaat bleibt bei der Rechtschreibung vor 1996 und wird der Reform nicht folgen; dies hat Papst Benedikt XVI. bei der Veröffentlichung der Enzyklika „Deus caritas est" am 25. Januar 2006 deutlich gemacht.

Aktionen der Reformgegner

Seit 1996 gab es zahlreiche Aktionen gegen die Rechtschreibreform. Auch zehn Jahre später wollen Gegner die Reform rückgängig machen.

Politiker

Im August 2004 hatte die Stadtverwaltung von Braunschweig die Rückkehr zur alten Rechtschreibung beschlossen - als einzige Stadt bundesweit. Im August des folgenden Jahres wurde jedoch wieder entschieden, sich prinzipiell nach der neuen Rechtschreibung zu richten, auch wenn die alte Schreibweise immer noch akzeptiert wird. Im März 2005 hat der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen empfohlen, die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sollten die reformierten Schreibweisen „vor dem Hintergrund der vielfältigen Defizite und Widersprüchlichkeiten der reformierten Rechtschreibung“ nicht anwenden.

Die wenige Tage später vorgestellte Zusammensetzung des Rates für Rechtschreibung wurde von der Zeitschrift Deutsche Sprachwelt dahingehend kritisiert, es bestehe eine „erdrückende Mehrheit“ des designierten Rats aus Befürwortern der Rechtschreibreform. Die Besetzung sei daher auf Grund aktueller Umfrageergebnisse nicht repräsentativ.

Der damalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair zeigte in einem Interview der Passauer Neuen Presse am 30. April 2003 Verständnis für die Kritiker der Reform: „Aber aus heutiger Sicht und noch deutlicherer Kenntnis der deutschen Wesensart würde ich die Sache heute ganz zum Scheitern bringen. Wir hätten die Rechtschreibreform nicht machen sollen. Ich sage: Politik, Hände weg von einer Rechtschreibreform! Sprache ist ein dynamischer Prozess, sie muss wachsen und entstehen.“ Welches „Chaos“ die Rechtschreibreform anrichten würde, habe man erst in den neuen Wörterbüchern im Spätsommer 1996 gesehen. Damals habe Zehetmair erwogen, das Ganze zu kippen, aber er sei sich nicht sicher gewesen, ob er dies durchstehen könne. Zehetmair: „Niemals dürfe die Politik sich anmaßen, hier mit Dekreten einzugreifen.“

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff sagte in einem Interview: „Deutschland sollte [...] zur alten Rechtschreibung zurückkehren und einen Schlussstrich unter diese unselige Diskussion ziehen.“ Peter Müller, der Ministerpräsident des Saarlandes, sagte: „Diese Rechtschreibreform ist eine Missgeburt und wird von den meisten Menschen nicht angenommen. Das muss die Politik akzeptieren und auch die Kraft haben, diese Reform grundsätzlich wieder abzuschaffen.“ Auf Initiative dieser beiden CDU-Politiker sowie des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel sollen sich die Länderchefs direkt mit dem Thema befassen. Im einstimmigen Beschluss der Ministerpräsidenten vom 8. Oktober 2004 haben jedoch alle drei einer termingerechten Einführung der neuen Rechtschreibung zugestimmt.

Der Münchner Merkur kommentierte die Initiative am 13. Juli 2004: „Mit dem Niedersachsen Wulff, dem Saarländer Müller und dem Bayern Stoiber fordern nun schon drei Landeschefs die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung. 70 Prozent der Deutschen lehnen die neuen Schreibregeln ab, weil sie ihr Sprachempfinden verletzen. Die Kultusminister haben bei der ihnen anvertrauten Reform der Rechtschreibung in aberwitziger Weise versagt und sich widerspruchslos dem Diktat selbsternannter Brachial-Reformer gebeugt. Politik muss aber in der Lage sein, erkannte Fehler zu revidieren, statt ängstlich im 'weiter so' zu verharren.“

Im September 2004 kündigte der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff den Ausstieg seines Bundeslandes aus der Kultusministerkonferenz an. Der Ministerpräsident argumentierte neben der Kosteneinsparung mit der Unwilligkeit der Kultusministerkonferenz, von der Rechtschreibreform abzurücken.

Sprach- und Literaturwissenschaftler

Am 3. März 1998 veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft eine Stellungnahme, in der sie erneut betonte, die 1996 vorgeschlagene Rechtschreibreform entspreche nicht dem Stand sprachwissenschaftlicher Forschung.[20] Im Mai 1998 unterzeichneten rund 600 Professorinnen und Professoren der Sprach- und Literaturwissenschaft aus dem gesamten deutschen Sprachraum unter Berufung auf diese Stellungnahme eine gemeinsame Erklärung zur Rücknahme der Rechtschreibreform, da diese fehlerhaft sei, von der großen Mehrheit der Bevölkerung mit guten Gründen abgelehnt werde und die Einheitlichkeit der Schriftsprache auf Jahrzehnte zerstören würde.[21]

Resolution zur Wiederherstellung der bisherigen einheitlichen Rechtschreibung

Einer „Resolution zur Wiederherstellung der bisherigen einheitlichen Rechtschreibung“ haben sich neben sogenannten Sprachpflegevereinen und anderen Bürgerinitiativen auch einige bekannte Persönlichkeiten angeschlossen. Es unterzeichneten bisher u. a. die Goethe-Gesellschaft, die Brüder-Grimm-Gesellschaft, Bundespräsident a. D. Walter Scheel, Dieter Thomas Heck, Manfred Krug, Günter Kunert, Reiner Kunze und Siegfried Lenz.

Akademie-Kompromiss

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung legte 2003 einen Kompromissvorschlag vor, der vor allem vom Potsdamer Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg entwickelt wurde. Von der Akademie selbst wurde der Vorschlag zur Reform der Reform nur als die zweitbeste Lösung angesehen.

Buch- und Zeitungsverlage

Nach dem Vorstoß von Christian Wulff im Juni 2004 befürworteten einige Ministerpräsidenten den Vorschlag, der Kultusministerkonferenz die Kompetenz über die Rechtschreibung zu entziehen und auf diesem Wege die Rechtschreibreform doch noch zu kippen. Daraufhin erwuchs eine neuerliche breite Diskussion über die Rechtschreibreform.

Während der Diskussion kündigte der Stolz-Verlag die Rückkehr zur konventionellen Rechtschreibung an. Zuletzt forderte der Geschäftsführer der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA), Jürgen Horbach, eine vollständige Rücknahme der neuen Rechtschreibung.

Am 6. August 2004 gaben „Spiegel“ und die Verlagsgruppe Axel Springer AG bekannt, dass sie „dem Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgen und zur klassischen Rechtschreibung zurückkehren wollten. Begründet wurde diese Maßnahme mit der Ablehnung der Rechtschreibreform in der Bevölkerung und den gravierenden Mängeln der Reform. Das Urteil des Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust war, die Reform sei „staatlich verordnete Legasthenie“. Zum Jahresende 2005 kündigte allerdings Der Spiegel an, mit Beginn des Jahres 2006 die Rechtschreibung entsprechend den Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung umzusetzen. Aust begründete dies als eine „Rückkehr zur Vernunft“.

Dr. Mathias Döpfner als Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG und Stefan Aust als Chefredakteur des Spiegels wiesen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass sie „sehr dringend“ notwendige und sinnvolle Reformen in der Gesellschaft befürworteten, doch die Rechtschreibreform sei keine Reform, sondern vielmehr ein Rückschritt. Das Fazit sei sechs Jahre nach der Einführung erschreckend. Die Reform sei grundlegend gescheitert. Von der Umstellung bei Springer sind auch die beiden Tageszeitungen Die Welt und Bild-Zeitung betroffen.

Bald darauf gab auch die Süddeutsche Zeitung bekannt, dass auch sie die Rückumstellung in Angriff nehme. Es werde intern nur noch über Details diskutiert, insbesondere über den Termin sowie um einzelne Regeln, die möglicherweise beibehalten werden. Am 6. Oktober 2004 wurde allerdings bekannt, dass keine Rückkehr zur alten Rechtschreibung mehr geplant sei, sondern lediglich ein Kompromiss, und dass die Redaktion die weitere öffentliche Diskussion abwarte.

Die Hamburger Bauer Verlagsgruppe erklärte, dass sie die Rückkehr von Spiegel und Springer zur alten Rechtschreibung begrüße. Sie wünsche sich, dass möglichst viele Verlage diesem Beispiel folgen.

Der Burda-Verlag, zu dem auch das Nachrichtenmagazin Focus gehört, äußerte sich abwartend, wollte dies jedoch keinesfalls als Bekenntnis zur neuen Rechtschreibung verstanden wissen. Aus der Redaktion des Focus verlautete, man wolle sich an der Rechtschreibung der Schulen orientieren. Beim Verlag Gruner und Jahr verlautete, die Frage über die Rechtschreibung werde vom jeweiligen Chefredakteur entschieden, derzeit lägen jedoch keine Pläne für eine Rückumstellung vor.

Als erste Zeitung aus dem Axel-Springer-Verlag kehrte die „Bild am Sonntag“ am 3. Oktober 2004, am „Tag der deutschen Einheit“, zur alten Rechtschreibung zurück. Das Blatt machte damit an diesem Sonntag den Auftakt für die vom Springer-Verlag angekündigte Rückkehr für alle großen Publikationen zu den alten Regeln. Die ebenfalls zum Springerverlag gehörende Berliner Morgenpost, Die Welt, Hamburger Abendblatt und Bild-Zeitung erschienen am 4. Oktober 2004 erstmals wieder in alter Rechtschreibung. Die Welt am Sonntag erscheint seit dem 10. Oktober 2004 nicht mehr in neuer Rechtschreibung. Der Spiegel-Verlag kündigte an, zunächst bei der neuen Rechtschreibung zu bleiben und vor einer Umstellung die Ergebnisse des neugebildeten Rates für deutsche Rechtschreibung abzuwarten und begann Anfang 2005 mit einer schrittweisen Umstellung.

Frankfurter Appell

Auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2004 fanden sich namhafte Kritiker der Rechtschreibreform zusammen, um den sogenannten Frankfurter Appell zu formulieren. Der Text fordert die „Wiederherstellung der einheitlichen und bewährten Orthographie“, um so dem „in sämtlichen Umfragen seit 1996 erkennbaren Willen der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ zu entsprechen. Der Frankfurter Appell wurde im Laufe der Buchmesse von weiteren prominenten Schriftstellern, Verlegern, Wissenschaftlern und Künstlern unterzeichnet, so dass sich bis zum Ende der Messe über 250 Persönlichkeiten der Forderung angeschlossen hatten.

Schriftsteller

Im Zuge der Debatte haben sich immer wieder Schriftsteller als Kritiker an der Reform zu Wort gemeldet. So appellierte noch im März 2006, nachdem die endgültige Fassung beschlossen war, eine Gruppe um Daniel Kehlmann, Christian Kracht, Judith Hermann, Iris Hanika und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in ihrer Erklärung „Die Sprache kennt keine Kompromisse“ an die Ministerpräsidenten, an den Rechtschreibregeln vor der Reform festzuhalten. Bereits zuvor hatten sich bekannte Namen wie Siegfried Lenz, Günter Kunert oder Reiner Kunze in Vereinen organisiert, ohne damit eine dauerhafte mediale Aufmerksamkeit zu erzielen. Im Allgemeinen lehnen diese Schriftsteller bereits den Grundgedanken einer „Rechtschreibreform“ ab.

Wörterbücher

Auch die Wörterbücher spiegeln die Entwicklung wider:

Der Duden folgt seit 1996 (21. Auflage) im wesentlichen dem amtlichen Regelwerk zur reformierten Rechtschreibung. Die letzte unreformierte Auflage des Dudens war die 20. und wurde 1991 herausgegeben (der so genannte „Einheitsduden“, in dem Ost- und West-Duden unter der Mitwirkung des österreichischen und schweizerischen Dudenausschusses zusammengeführt wurden). Die 24. Auflage vom Sommer 2006 stellt den Stand nach den abschließenden Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung dar, wie sie von den Ländern umgesetzt wurden.

Auch der Wahrig stellt die reformierten Regelungen dar, ebenso das Gros der weniger bekannten Anbieter.

Infolge der Rechtschreibreform und ihrer verschiedenen Nachänderungen erhöhte sich die Anzahl der möglichen Schreibvarianten deutlich. Dies war von den für die Reform verantwortlichen Gremien, zuletzt auch vom Rat für deutsche Rechtschreibung, durchaus so gewollt. Der allgemeine Schreibgebrauch sollte weiterhin beobachtet und dann als Grundlage für eventuelle weitere Festlegungen herangezogen werden. Duden und Wahrig sind allerdings darauf bedacht, dabei die Entwicklung in bestimmte Richtungen zu steuern - entgegen der Intention des Rates. Zu dem Zweck sind im Duden (24. Auflage) die favorisierten Schreibweisen deutlich gelb unterlegt. Wahrig brachte im Dezember 2006 mit der "WAHRIG-Hausorthographie von A bis Z" einen "orthografischen Wegweiser für eine einheitliche und stringente Rechtschreibung" heraus (Titel: "Ein Wort - eine Schreibung"). Die Empfehlungen der beiden Verlage weichen in vielen Fällen voneinander ab.

Für die Befürworter der unreformierten Rechtschreibung steht seit 2006 eine neue Ausgabe des Mackensen von 1986 zur Verfügung, ebenso das Rechtschreibwörterbuch Normale deutsche Rechtschreibung[22] des Reformkritikers Theodor Ickler.

Siehe auch

Literatur

Allgemeine Informationen zum Thema

Institutionen

  • Rat für deutsche Rechtschreibung (ist seit Dezember 2004 für die Weiterentwicklung der reformierten deutschen Rechtschreibregeln zuständig; veröffentlicht die aktuellen Änderungsvorschläge)
  • „Sprachkreis Deutsch“, ein Schweizer Verein, der sich für die Erhaltung der deutschen Sprachkultur einsetzt

Artikel

Quellen

  1. [journalismusausbildung.de/rechtschreibung_geschichte.htm journalismusausbildung.de: Die neue Rechtschreibung - von Lisa Walgenbach]
  2. F.A.Z. paßt Rechtschreibung an. In: F.A.Z., 02. Dezember 2006, Nr. 281 / Seite 2.
  3. Hausorthographie der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen ab dem 1. August 2007
  4. Empfehlung des Rechtschreibrats zur Worttrennung am Zeilenende
  5. Beschluss vom 2. März 2006: "Die Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung in der Fassung von 2006 ist die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen", vgl. Pressemitteilung der KMK vom 2. März 2006: Kultusministerkonferenz stimmt Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung zu
  6. Z.B. Rundschreiben des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) des Landes Brandenburg vom 5. April 2006: http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/detail.php/lbm1.c.342708.de
  7. Klage gegen Reform abgewiesen. In: Spiegel Online vom 30. Mai 2006
  8. Vgl. etwa die Hausorthographie der Zeitung "Die Zeit" (http://www.zeit.de/zeitschreibung/) oder die Regelungen der Presseagenturen ([1]) Für eine Variante in der Schweiz siehe die Regelungen der Neuen Zürcher Zeitung ([2])
  9. BVerfG, 1 BvR 1640/97 vom 14.7.1998, Absatz-Nr. (1 - 170) (www.bverfg.de). Dort auch umfangreiche Hintergrundinformationen. Die letzte Entscheidung stammt aus dem Jahr 2006, vgl. die Presseerklärung des Gerichts [3]
  10. http://www.bmi.bund.de/cln_012/nn_122688/Internet/Content/Nachrichten/Archiv/Pressemitteilungen/2005/07/Rechtschreibreform.html
  11. BMUKK: Das amtliche Regelwerk (Fassung 2006)
  12. BMUKK: Abschluss der Rechtschreibreform - Bekanntgabe
  13. http://www.haus-der-literatur.de/newsextra/rechtschreibreform.htm
  14. Empfehlung des Ständigen Ausschusses für geographische Namen (StAGN) vom 17.9.1999 – zur Anpassung der Rechtschreibung von Toponymen an die reformierten Regeln (PDF, 40 kB).
  15. Allensbacher Berichte, 2002 / Nr. 7 (Online, PDF, 11 kB).
  16. Rechtschreibreform – Befürworter gibt es bis heute kaum (PDF, 11 kB). In: Allensbacher Berichte, 2002 / Nr. 7.
  17. Neue Rechtschreibung – Die jüngste Diskussion hat das Lager der Gegner gestärkt. In: Allensbacher Berichte, 2004 / Nr. 18.
  18. Neue Rechtschreibung – Die Mehrheit ist weiterhin dagegen. In: Allensbacher Berichte, 2005 / Nr. 11.
  19. Ministerium der deutschsprachigen Gemeinschaft: Dekret über die Einführung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung (PDF, 461 kB). Belgisches Staatsblatt, 8. April 1999.
  20. DGfS: Stellungnahme zur Rechtschreibreform vom 3. März 1998.
  21. Gemeinsame Erklärung zur Rechtschreibreform von Professorinnen und Professoren der Sprach- und Literaturwissenschaft aus dem gesamten deutschen Sprachraum vom Mai 1998.
  22. Theodor Ickler: Normale deutsche Rechtschreibung. Sinnvoll schreiben, trennen, Zeichen setzen. 4., erweiterte Auflage, 2004, Leibniz-Verlag, St. Goar, ISBN 3-931155-14-5.