Zum Inhalt springen

Uran-Anreicherung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. Januar 2005 um 10:30 Uhr durch 193.174.229.206 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Unter dem Begriff Anreicherung fasst man physikalische und chemische Methoden zusammen, die den Anteil eines bestimmten Isotopes in einem Isotopengemisch erhöhen. Die Anreicherung findet vor allem im Zusammenhang mit Kernspaltung und Kernfusion Anwendung, also für Kernreaktoren und Kernwaffen.

Die relativen Massenunterschiede zwischen den Isotopen der schweren Elemente sind sehr klein, so dass bei der Anreicherung praktisch ausschließlich physikalische Methoden zum Einsatz kommen.

Urananreicherung

Das wichtigste und wahrscheinlich einzige schwere Element, für das Isotopentrennung im industriellen Maßstab durchgeführt wird, ist das Uran. Natururan besteht zu etwa 99,3% aus 238U und zu 0,7% aus 235U. Für die Spaltung in Kernreaktoren und Kernwaffen wird 235U benötigt. Kernreaktoren werden meistens mit Uran beschickt, das eine Anreicherung von 3 bis 5% 235U hat. In Schwerwasser- und Graphit-moderierten Reaktoren kann auch Natururan zum Einsatz kommen. Für Kernwaffen ist eine sehr hohe Anreicherung erforderlich (typischerweise mindestens 90%). Die von einer Trenneinrichtung produzierte Arbeit wird in kg Urantrennarbeit (kg UTA) ausgedrückt. In der englischen Fachliteratur wird statt kg UTA die Einheit SWU (Separation Work Unit) verwendet. Eine große Anlage besitzt eine Jahreskapazität in der Größenordnung einiger Millionen kg UTA.

Als Abfallprodukt der Urananreicherung entsteht abgereichertes Uran ("Tails") mit einem 235U-Gehalt von ca. 0.3%, das u.a. in Uranmunition verwendet wird.

Anreicherung durch Gaszentrifugen

Das Gaszentrifugenverfahren ist im internationalen Bereich heute das gängigste Verfahren zur Urananreicherung und hat die Gasdiffusion hinsichtlich der Bedeutung inzwischen überholt. Die wichtigsten Gründe dafür sind der erheblich geringere Energieverbrauch (rund 50 kWh pro kg Trennarbeit) und die größere Flexibilität hinsichtlich der Kapazitätsplanung.

Beim Zentrifugenverfahren wird gasförmiges Uranhexafluorid (UF6) in das Innere eines schnell rotierenden Zylinders geleitet. Der Rotor läuft auf einer Stahlnadel in einem abgedichteten Gehäuse im Vakuum. Unter dem Einfluss der hohen Geschwindigkeit und der dadurch bedingten massenabhängigen Zentrifugalkräfte sammeln sich die schwereren 238UF6-Moleküle im äußeren Bereich des zylindrischen Rotors und die leichteren 235UF6-Moleküle weiter innen. Dadurch kommt es zu einer Entmischung der Isotope.

Dieser Effekt wird noch verstärkt, indem man (z. B. durch Anlegen einer Temperaturdifferenz zwischen Boden und Deckel) im Innern der Zentrifuge eine axiale Umlaufströmung anregt. Der größte Konzentrationsunterschied besteht dann nicht mehr zwischen Achse und Rotorwand, sondern zwischen den Enden der Zentrifuge. Dort werden folglich auch die angereicherte Fraktion („Product“) und die abgereicherte Fraktion („Tails“) entnommen. Auch beim Zentrifugenverfahren erfolgt der Trennprozess im Vakuum, daher müssen "Produkt" und "Tails" mit Hilfe von Kompressoren oder Sublimatoren/Desublimatoren auf Normaldruck erhöht werden bevor sie in die Transport- oder Lagerbehälter abgefüllt werden können.

Die Trennleistung kann im Prinzip durch Vergrößerung der Rohrlänge und insbesondere der Umlaufgeschwindigkeit gesteigert. Daher besitzen die Zentrifugen eine längliche, walzenartige Form. Mit Aluminiumlegierungen werden 400 m/s, mit hochfesten Stählen 500 m/s und mit faserverstärkten Werkstoffen über 700 m/s erreicht. Die Trennleistung wird durch die Materialeigenschaften des schnell umlaufenden Rotors sowie durch technisch bedingte Einschränkungen der Rotorlänge (Auftreten von unerwünschten Eigenschwingungen) praktisch begrenzt.

Diffusionsmethoden

Bei der Gasdiffusionsmethode lässt man gasförmiges UF6 durch eine poröse Membran diffundieren. Die treibende Kraft hierbei ist der Druckunterschied auf beiden Seiten der Membran. Moleküle, die 235U enthalten, sind leichter als die 238U-enthaltenden und diffundieren schneller. Bei einem Uranisotopengemisch enthält daher der Gasstrom, der durch die Poren in der Wand hindurch diffundiert ("Product"), einen geringfügig höheren Anteil des Isotops U-235 als der ursprüngliche Strom ("Feed"). Eine einzelne Trennstufe hat einen geringen Trennfaktor (Konzentrationsverhältnis des U-235 in Product und Tails) von maximal 1,004, aber einen hohen Materialdurchsatz. Für einen Anreicherungsgrad, der zum Betrieb von Leichtwasserreaktoren genügt, sind rund 1200 hintereinander geschaltete Stufen erforderlich, die zusammen eine so genannte "Kaskade" bilden. Der Energieverbrauch ist hoch und beträgt etwa 2300 – 2500 kWh pro kg Urantrennarbeit (UTA).

Anstelle des Druckunterschiedes kann auch ein Temperaturgefälle zur Isotopentrennung mittels Diffusion ausgenutzt werden. Bei der thermischen Diffusionsmethode wird ein Gas oder eine Flüssigkeit in einem engen Raumbereich zwischen zwei vertikalen Platten von einer dieser Platten erhitzt und von der anderen gekühlt. Moleküle, die das leichtere Isotop enthalten, diffundieren bevorzugt zur kälteren Platte, die anderen zur wärmeren Platte. Darüber hinaus bildet sich an der wärmeren Platte eine leichte aufwärtsgerichtete Konvektion, so dass sich im oberen Bereich der Zelle die Moleküle mit den schwereren Isotopen konzentrieren, und im unteren Bereich die leichteren.

Elektromagnetische Anreicherung

Wie in einem Massenspektrometer werden bei der elektromagnetischen Anreicherung Uranatome zunächst ionisiert, dann in einem elektrischen Feld beschleunigt und anschließend in einem magnetischen Feld nach der Massenzahl getrennt. Dieser Aufbau zur Isotopentrennung wird auch Calutron genannt.

Laser-Anreicherung

Die Laseranreicherung beruht auf der Isotopieverschiebung der Absorptionsspektren von Atomen und Molekülen. Sind die spektroskopischen Bedingungen geeignet, d. h. überlappen die Absorptionslinien der Isotope oder isotopen Verbindungen hinreichend wenig und steht außerdem ein Laser geeigneter Wellenlänge und Schmalbandigkeit zur Verfügung, so ist eine isotopenselektive Anregung möglich. Für die Trennung wird dann ausgenutzt, dass sich die angeregte Spezies von der nicht angeregten in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften wesentlich unterscheidet. Laserverfahren zeichnen sich durch eine hohe Selektivität aus.

Grundsätzlich lassen sich zwei Konzepte unterscheiden: die Photoionisation von Urandampf (atomares Verfahren; AVLIS) und die Photodissoziation von UF6 (molekulares Verfahren; MLIS). Theoretisch erlaubt das Laserverfahren eine Isotopentrennung in einem einzigen Schritt. Praktisch hängt die Zahl der erforderlichen Stufen davon ab, inwieweit sich die idealen Verhältnisse realisieren lassen.

Beim atomaren Verfahren werden die Atome eines Isotopengemisches selektiv ionisiert. Nach der Ionisation eines Isotops (235U) kann es leicht von den nicht ionisierten Atomen des anderen Isotops (238U) durch Beschleunigung in einem elektrischen Feld getrennt werden.

Beim molekularen Verfahren wird das 235U enthaltende Molekül zunächst durch einen ersten Laser angeregt, bevor durch einen zweiten Laser ein Fluor-Atom abgespalten wird. Das entstehende feste 235UF5 kann leicht aus dem Gas gefiltert werden.

Nach anfänglicher Euphorie über die Vorteile dieser Verfahren gegenüber herkömmlichen, etablierten Anreicherungsverfahren ist man inzwischen wieder skeptischer geworden hinsichtlich der industriellen Realisierbarkeit zu akzeptablen Kosten. Einige Forschungs- und Entwicklungsprogramme wurden bereits wieder eingestellt.

Bedeutung der Anreicherung für den Bau von Kernwaffen

Anreicherung ist keine Voraussetzung für den Bau von Kernwaffen, denn auch in einem mit Natururan betriebenen Graphit-moderierten Reaktor bildet sich waffenfähiges Plutonium durch Neutroneneinfang von 238U. Der Bau einer Anreicherungsanlage lässt sich wahrscheinlich jedoch besser verheimlichen als der Bau eines Kernreaktors, der für eine 235U-Kernwaffe nicht erforderlich ist.

Siehe auch