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Lobbyismus

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Lobbyismus ist die Form der politischen Beeinflussung, bei der Beamte und gewählte Volksvertreter durch Interessengruppen – den Lobbys – im direkten Kontakt gezielt angesprochen werden und indirekt die öffentliche Meinung über die Presse beeinflusst wird.

Voraussetzung für Lobbyismus ist, Geld und Zeit zur Verfügung zu haben, um Kontakte zu einflussreichen Personengruppen aufbauen zu können. Lobbyisten versuchen, die Interessen einer Minderheit (Partikularinteressen) gegen die Interessen der Mehrheit (Allgemeinwohl) durchzusetzen; insofern ist ausufernder Lobbyismus Zeichen einer geschwächten Demokratie.

Der Begriff an sich geht auf die Lobby (Vorhalle, Wandelhalle) des Parlaments - insbesondere des britischen Unterhauses und des US-amerikanischen Kongresses - zurück, in der ursprünglich Vertreter verschiedener Gruppen die Parlamentarier an ihre Abwahlmöglichkeit erinnerten und so eine Form der Kontrolle ausübten.

Demokratietheoretisch ist Lobbyismus umstritten:

  • Einerseits stellt er eine Form der direkten pluralistischen Einflussnahme auf das politische System und somit einen Weg direktdemokratischer Tendenzen in einer repräsentativen Demokratie dar. Viele Theoretiker betrachten Lobbyismus als notwendiges Gegengewicht zur Macht des Parteienstaates.
  • Andererseits zeigt sich praktisch, dass die notwendigen Voraussetzungen für erfolgreichen Lobbyismus nur von bestimmten Lobbys erbracht werden können. Zudem wird Lobbyismus oft im Zusammenhang mit mangelnder Transparenz und Korruption genannt und wird von einigen - besonders in Deutschland - in Kombination mit der undurchsichtigen Parteispendenpraxis an die großen Parteien für bedenklich gehalten.

Situation in Deutschland

Die Struktur des Lobbyismus in der Bundesrepublik hat sich gewandelt. Waren in der alten Bonner Republik vor allem die großen Verbände wie Arbeitgeberverbän-de, Gewerkschaften oder Kirchen aktiv, entwickeln sich besonders in den letzten Jahren kleinere, spezialisierte Nichtregierungsorganisationen, die Lobbying betreiben.Ihre Arbeit ist dabei vielfältig und abwechslungsreich. Sie kann von öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen und Medienarbeit ausgehen, die geziel-te Beeinflussung von Politikern enthalten und bis dahin gehen, Detailregelungen für zu verabschiedende Gesetze zu entwerfen. Lobbyismus ist ein großes Tabuthema im parlamentarischen System der Bundes-republik Deutschland. Lobbyisten sind bislang sehr erfolgreich, wenn es um den Erhalt von Subventionen oder Steuerprivilegien geht. Dieser langanhaltende Erfolg wird regelmäßig für die geringe Reformfähigkeit Deutschlands verantwort-lich gemacht. Lobbyorganisationen können sich beim Bundestag offiziell registrieren lassen und erhalten damit direkten Zutritt zu Abgeordnetenbüros. Seit dem Ende der 90er Jahre entstand in Deutschland eine große Zahl neuer Lobby-Verbände die va. im Interesse großer Kapitalgesellschaften den 'Umbau des Sozialstaates' begleiten sollten. Z.B: Bürgerkonvent, Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, auch: Chancen für alle, Konvent für Deutschland, Initiative Klarheit in die Politik, Team-Arbeit für Deutschland. Diese Gruppen verstehen sich selbst als Basisbewegungen, vertreten meist klassische wirtschafts-liberale Positionen und werden von entspr. Unternehmen und Gruppen finanziert. Ihr Ziel ist es die umstrittenen Reformen, wie z.B.Hartz-Konzept, Agenda usw. als von vielen gewollt, unvermeidbar, gemeinnützig sowie wissenschaftlich abgesichert darzustellen.

Situation in Österreich

Lobbying und Public Affairs sind in Österreich noch immer häufig verpönte und scharf kritisierte Begrifflichkeiten. In der zweiten Republik waren traditionell starke Interessensvertretungen wie Kammern, Gewerkschaften oder Industriellenvereinigungen die stärksten Lobbys. Seit dem EU-Beitritt und der Öffnung Richtung Osten setzt jedoch ein Umdenken ein. Zur Zeit werden ung. 50 Public Affairs Manager geschätzt sowie weitere 50 dürften direkt von Unternehmen angestellt sein.

Mit der Gründung von PASA - Public Affairs Society Austria - haben sich Public Affairs Manager führender Agenturen erstmals dem Konzept von Transparenz und Verhaltensstandards verschrieben.

In Österreich versucht die PR-Firma Ecc Publico Lobbying salonfähig zu machen, etwa mit dem Wiener Zigarrenclub, mit einer Gratis-Beratung der ÖVP in Zeiten der EU-Sanktionen oder dem Vorschlag Franz Fischlers zum EU-Kommissar für Landwirtschaft

Situation in den Organen der EU

Wie beim Bundestag können sich Lobbyisten zum Beispiel beim Europarlament akreditieren lassen. Da die Legislative der EU vor allem auch in der EU-Kommission und im EU-Ministerrat stattfindet, und der Ratsvorsitz alle sechs Monate von Land zu Land wechselt, ist Lobbyismus in der EU vor allem von großen europäischen Lobbying-Organisationen bestimmt.

Insbesondere auf der Ebene des Europäischen Parlamentes werden Lobbyisten auch gerne wegen ihres Detailwissens in Anspruch genommen. Bei der Vielzahl von komplexen Entscheidungen liefern sie oft notwendiges Detailwissen, um diese kompetent treffen zu können. Das Risiko allerdings besteht darin, dass dieses Wissen nicht unbedingt vollständig und in den allermeisten Fällen parteiisch ist.

Die Brüsseler Lobby steht auch mit der Osterweiterung vor neuen Herausforderungen: http://www.politik-kommunikation.de/pdf/ausgaben/21_14NeuesSpielAltesGlueck.pdf

Bedeutende Lobbyorganisationen

  • ACC - American Chamber of Commerce
  • AMUE - Association for the Monetary Union of Europe (€-Einführung)
  • BRT - US Business Round Table
  • CEFIC - European Chemical Industry COuncil
  • CEPS - Center for European Policy Studies
  • EFPIA - European Federal of Pharmaceutical Industustries
  • ERT - European Roundtable of Industrials
  • ESF - European Service Forum
  • EuropaBio - European Association of Bioindustries
  • Fedesa/IFAH International Federation of Animal Health
  • GBD - Global Business Dialogue on Electic Commerce
  • ICC - International Chamber of Commerce
  • IPC - Intellectial Property Commitee
  • TABD - Transatlantiv Business Dialogue
  • TPN - Transatlantic Policy Network
  • UNICE - Union of Industiral and Employer's Confederation of Europe
  • USCIB - US Council on International Business
  • USCSI - US Coalation os Servise Industries
  • VDMA - Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.
  • WBCSD - World Business Council dor Sustainable Development
  • WEF - World Economic Forum

zu den 'neuen' Lobbyverbänden in Deutschland

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Leif, Rudolf Speth (Hrsg.): Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland Westdeutscher Verlag 2003. ISBN 3-531-14132-5
  • Belén Balanyá, Ann Doherty, Olivier Hoedeman, Adam Ma'anit und Erik Wesselius: Europe Inc.: Regional and Global Restructuring and the Rise of Corporate Power. (Vorwort: George Monbiot) 2. Aufl., Pluto Press, London 2003, ISBN 0-7453-2163-1
  • Belén Balanyá, Ann Doherty, Olivier Hoedeman, Adam Ma'anit und Erik Wesselius: Konzern Europa. Die unkontrollierte Macht der Unternehmen. (Vorwort: Peter Niggli; Übersetzung der 1. Auflage von Europe Inc.) Rotpunktverlag, Zürich 2001, ISBN 3-85869-216-6
Europe Inc. war die erste systematische Untersuchung des Einflusses der transnationalen Konzerne und ihrer Lobby-Gruppen (AMUE, ERT, ICC, TABD, UNICE u.a.) auf die EU-Politik und andere internationale Institutionen wie OECD, WTO und die UN.

* http://dip.bundestag.de/cgi-bin/dipweb3?a=verband&c=/usr7/goldop&e=/bt_kad&f=us - Die Datenbank des Deutschen Bundestages, welche alle eingetragenen Vereine und Lobbys und deren Vertreter, Adresse etc. enthält (mit Suchfunktion und Liste)