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Out-of-India-Theorie

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Die „Out of India“-Theorie (OIT) steht im Gegensatz zur vorherrschenden Lehrmeinung unter Indogermanisten, derzufolge es eine mehrere Wellen umfassende bronzezeitliche Einwanderung von Indo-Ariern nach Indien aus nordwestlicher Richtung gegeben haben soll. Statt eines solchen mehr oder wenigerer friedlichen Eindringens von Ariern ins Gebiet der später von ihnen unterdrückten Dasyus bzw.Dasas wird innerhalb der OIT angenommen, dass sowohl die "Arier" (Indogermanen) als auch die Dasas eigentlich Ureinwohner Indiens waren und ihre Kultur und Sprache von Nord-Indien aus verbreiteten. Nach und nach hätten sich die einzelnen Indo-Europäischen Sprachen (IE) vom "Arischen" abgespalten und seien durch die jeweiligen Sprecher verbreitet worden nach Zentral- und Südwestasien und Europa.

Zu den Verfechter dieser Theorie zählen viele Nationalisten und Anhänger der Hindutva-Bewegung. Hervorgetan hat sich dabei "Voice of India" (VoI) von Sita Ram Goel, ein Verlagshaus mit dem erklärten Ziel, gegen die Theorie der "Arischen Invasion" anzukämpfen. Mit VoI publiziert wurden die Bücher von Shrikant G. Talageri und Koenraad Elst zum Thema. In der akademischen Indogemanistik oder Indologie hat sie keine Vertreter. Das amerikanische Journal of Indo-European Studies sah sich aber 2002 veranlasst, einem Verfechter (Nicholas Kazanas) ausserhalb seiner normalen Auswahlkriterien Gelegenheit für eine Darstellung einzuräumen. Kazanas' Artikel erschien zusammen mit neun Rezensionen, die darlegten, weshalb die "Out of India" Theorie heute allgemein als unhaltbar verworfen wird (historisch wurde sie im frühen 19. Jh. gelegentlich vertreten, so von Friedrich Schlegel 1808).

Linguistische Argumentation

Als wissenschaftlich akzeptiert gilt die Annahme einer nicht sicher rekonstruierbaren, hypothetischen Proto-Indo-Europäischen Sprache (PIE), auch indogermanische Ursprache genannt. Weniger einig ist man sich darüber, in welcher geografischen Region diese Vorläufersprache anzusiedeln sei. Die OIT verfolgt das Argumentationsziel, dass PIE in Indien geboren worden ist. Bei der Weiterentwicklung von PIE zum Sanskrit haben die dravidischen Sprachen, Sprachen der Austro-Asiatischen Sprachgruppe wie Munda und andere Substratsprachen mitgewirkt. Davon zeugen zahlreiche Lehnwörter.

Satya Swarup Misra versucht den Beweis über die Spuren eines indo-arischen Substrats bei den Mittani (um 1400 v. Chr.) anzutreten, welches von einer Migration aus Indien in den Nahen Osten zeugen soll. Es sei dem Prakrit ähnlicher als dem Sanskrit, müsse also in etwa der gleichen Zeit zuzuordnen sein wie jenes. Misras Szenario gipfelt in einer gravierend vom Konsens abweichenden Datierung für das vedische Sanskrit, das statt um 1500 v. Chr. um 5000 v. Chr. anzusiedeln sei.

Philologische Argumentation

Rigveda

Wichtiger Indizienfundus für eine linguistische Untersuchung ist der arische Rigveda, der älteste Teil der Veden, weil dieser Text in der umstrittenen Zeit entstanden sein muss. Folglich erzählt er uns von den Lebensgewohnheiten, Umweltbedingungen und Kenntnissen der Arier.

So wird der Fluss Sarasvati, den wir heute nur noch als ausgetrocknetes Flussbett kennen, im Rigveda als ein reißender Strom adressiert. Hydrologische Untersuchungen ergaben, dass Sarasvati diesen Status spätestens 2000 v. Chr. eingebüßt hat. Die Arier mussten damals also schon in diesem Gebiet verkehrt haben. Zu dieser Zeit blühte dort und im Fünfstromland, dessen Flüsse den Ariern ebenfalls namentlich bekannt waren, noch die Indus-Kultur. Vertreter der OIT argumentieren hier, dass nur sehr unwahrscheinlich zwei solche Hochkulturen nebeneinander bestanden haben können und dass folglich die Indus-Kultur mit der arischen identisch sein müsse.

Epen

Annäherungen an die Thematik über einen Vergleich der großen Epen, dem Mahabharata auf indischer und der Odyssee auf europäischer Seite, können höchstens eine Berührung der Kulturen beweisen. Darüber, in welcher Richtung die Beeinflussung von Statten ging, darf bestenfalls spekuliert werden. Gingen beide Erzählungen aus einer Quelle hervor oder entstand die eine aus der anderen? Natürlich sind beide zeitlich viel zu spät entstanden, doch lässt sich auch hier nach geliehenen Ideen, Lehnwörtern und archaischen Namen suchen.

Archäologische Argumentation

Leider sprechen auch die archäologischen Befunde keine eindeutige Sprache. Es gibt zwar z.B. Funde eines immer wiederkehrenden Pfauenmotives, das scheinbar von Indien aus diffundiert war, doch, wie so oft, lässt sich wiederum höchstens ein Kontakt zwischen den betroffenen Kulturen konstatieren. Andererseits scheint es jedenfalls auch keine Funde zu geben, die eindeutig eine Invasion bzw. Einwanderung der Arier belegen würden.

Pferd

Eine besondere Stellung innerhalb der archäologischen Diskussion zu diesem Thema nimmt das domestizierte Pferd bzw. seine Bedeutung in Religion und Kultur ein. Mit ihm in Verbindung stand in kriegerischer Vorzeit auch der zwei-rädrige Gefechtswagen. Die Urheimat des ersteren lässt sich wohl sehr sicher in der heutigen Ukraine lokalisieren. Können wir aber deswegen davon ausgehen, dass die Arier, in deren Kultur das domestizierte Pferd eben eine entscheidende Rolle spielte, mit ihm nach Indien kamen? Oder gab es Pferde einfach in beiden Regionen bereits und die auswandernden Arier maßen ihm nur außerhalb Indiens eine wichtigere Rolle zu, weil andere Haustiere wie das Rind – wohl bekannt in der Indus-Kultur – hier fehlten?

Im Harappa der Indus-Kultur habe man schließlich bereits Terrakotta-Miniaturen und Knochen von Pferden gefunden. Deshalb, so OIT, müsse man die Indus-Kultur bereits als arisch bezeichnen.

Literatur

  • Misra, Satya Swarup: The Aryan Problem: A linguistic approach. New Delhi: Munishiram Manoharlal 1992.
  • Bronkhorst, Johannes & Deshpande, Madhav M.(ed): Aryan and Non-Aryan in South Asia. Evidence, Interpretation and Ideology. Columbia: South Asia Books 1999.
  • JP Mallory (ed.), Journal of Indo-European Studies, nr. 30 (2002).