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Hagakure

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Das Hagakure (jap. 葉隠, wörtlich: Hinter den Blättern), auch als Ehrenkodex der Samurai bekannt, entstand zwischen 1710 und 1716 in Japan während der Edo-Periode.

Es wird allgemein angenommen, dass es von dem Samurai Tsunetomo Yamamoto, nachdem er Zen-Mönch geworden war, dem Schreiber Tashiro Tsuramoto diktiert wurde. Bei dem Werk handelt es sich um eine Sammlung von etwa 1.300 meist kurzen Lektionen, Episoden und Aufzeichnungen, die das tägliche Leben des Samurais betreffen und auch das Verhältnis von Fürst (Daimyō) und Gefolgsmann behandeln. Der Originaltext wurde bis heute nicht gefunden. Er zirkulierte zunächst handkopiert unter den jungen Samurai des Nabeshima-Clans in Hizen. Soweit bekannt, haben weniger als drei Dutzend Kopien die letzten fast dreihundert Jahre überstanden. Jede Kopie unterscheidet sich jeweils von der anderen durch Auslassungen, Ergänzungen und falsch abgeschriebene Worte. Als verlässlich gilt jedoch die "Yamamoto-Kopie", die in der Präfekturbibliothek von Saga aufbewahrt wird.

Das Hagakure umfasst elf Bände. Yamamoto Tsunemoto wollte diese nicht veröffentlichen, doch die verschiedenen Kopien, die im Umlauf waren, verbreiteten sich schnell, da die Botschaft des Hagakure auf Interesse stieß. Besonders in der Zeit, in der die Samurai oft nur noch Aristokraten waren, stieß Yamamoto Tsunemotos Schrift über Bushidō, den Geist des Kriegers, auf große Zustimmung in einer Gesellschaft, die sich selbst von der Dekadenz bedroht sah. Über die Jahrhunderte wurde das Hagakure geliebt, verdammt und manchmal auch als „feudalistische Propaganda“ verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es durch verschiedene Autoren, die sich mit ihm befassten, wieder bekannt.

Neuere Autoren haben versucht, das Hagakure an die heutige Zeit zu adaptieren. Es gab auch zweifelhafte Versuche, das Buch als Leitfaden für moderne Manager umzuarbeiten, und es wurde gar an Einheiten der Waffen-SS ausgegeben. Die verwandten Werke Das Buch der fünf Ringe des Samurai Miyamoto Musashi (1584–1645) und das vor über 2500 Jahren verfasste Die Kunst des Krieges von Sunzi werden heute in Management-Seminaren ähnlich hoch gehandelt. An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass im japanischen Kastensystem der „raffgierige“ Kaufmann als minderwertig galt und diese Ansicht auch im Hagakure wiedergegeben wird.

Das Hagakure hat im Westen u.a. durch den 1999 produzierten Film Ghost Dog: The Way of the Samurai des US-Regisseurs Jim Jarmusch größere Bekanntheit erlangt. Es beeinflusste auch mehrere Werke und das Leben des japanischen Autors Yukio Mishima.

Aufbau des Werks

Die elf Bände des Hagakure umfassen zusammen mit dem einführenden Kapitel "Ein besinnliches Nachtgespräch":

  • Band 1, 2: Lektionen
  • Band 3: Geschichten über Nabeshima Naoshige, den Gründer des Nabeshima-Clans
  • Band 4: Geschichten über Nabeshima Katsushige, den ersten Fürsten des Clans
  • Band 5: Geschichten über Nabeshima Mitsushige und Nabeshima Tsunashige, den zweiten und dritten Fürsten des Clans
  • Band 6: Alte Ereignisse und Aufzeichnungen des Clans
  • Band 7-9: Geschichten über die Gefolgsleute des Nabeshima-Clans
  • Band 10: Geschichten über die Gefolgsleute anderer Clans
  • Band 11: Ergänzungen

Die Philosophie des Hagakure

In Hagakure definiert Tsunetomo Yamamoto sowohl die philosophischen als auch die politischen und militärischen Aspekte seiner Auffassung des Bushidō. Yamamoto greift im Bereich der Philosophie die grundsätzlichen Inhalte des Humanismus an und erklärt diese als mit dem Bushidō unvereinbar. Im Bezug auf Politik betrachtet er den Liberalismus noch ablehnender. Ein Samurai (jap. 侍 oder seltener 士, wörtlich: Diener) zeichne sich durch absoluten Gehorsam gegenüber seinem Fürsten aus; der Sinn seines Lebens sei der Dienst als Soldat oder Beamter. Dabei scheut er nicht davor zurück, auch die pazifistischen Inhalte des Buddhismus anzugreifen.

  • Zitat: "Der loyale Gefolgsmann verwirklicht nicht seine eigene Existenz, sondern die seines Fürsten."
  • Zitat: "Sei darum voll entschlossen, diese Ziele zu erreichen, ohne im mindesten zu schwanken, selbst wenn die Lehren Buddhas oder der Götter dem entgegenstehen."

Er fordert vehement eine Lebensführung basierend auf Funktionalismus sowie Elementen des Idealismus, um sein Karma, hier im Sinne der durch Prädestination festgelegten gesellschaftlichen Funktion, bestmöglich zu erfüllen. Daher wird für einen Samurai als Angehörigen des Militärs zwingend auch Militarismus, Gefolgsamkeit gegenüber den Traditionen und Paternalismus eingefordert. Der erstklassige Samurai, der zu werden Yamamoto den Leser auffordert, hat durchaus Ähnlichkeiten mit dem Übermenschen eines Friedrich Nietzsche.

Der Bewusstseinszustand eines solchen erstklassigen Samurai sei jedoch von jedem erreichbar, der dies konsequent genug verfolgt. Ferner sei die Verpflichtung erfahrenerer Krieger, in diesem Sinne auf die geistige Reife jüngerer Mitglieder ihres Standes hinzuarbeiten. Dieses Prinzip basiert auf dem Empirismus und wird in der modernen Ausbildung angewandt.

In einigen Abschnitten hingegen fordert das Hagakure aktive Konfliktregulierung sowie Verständnis und Geduld für andere Menschen. Dies dient jedoch wiederum dem Funktionalismus, Konflikte mit den übrigen Samurai oder Angehörigen anderer Gesellschaftsklassen, die eine effektive Zusammenarbeit behindern können, zu vermeiden.

Der Philosophenzirkel Hagakure Society in Saga veröffentlicht Essays und Analysen, die sich mit der Philosophie des Hagakure in der Anwendung im alltäglichen Leben befassen. Dieses Gremium genießt international den Ruf der höchsten Sachkompetenz über das Hagakure.

Hagakure als Sachliteratur in der Militärischen Ausbildung

Das Werk war in der Offiziersausbildung der Rikugun Daigakkō Pflichtlektüre, da es sowohl essentielle Grundlage der klassischen japanischen Militärsoziologie darstellt als auch die Bedeutung der individuellen Courage im Gefecht behandelt. Yamamoto legt besonderen Wert auf psychologische Kriegführung im Bereich der Taktik, deren Methoden nach seiner Auffassung jeder einzelne Soldat erlernen sollte. Diese umfassen:

Kollektives Kriegsgeschrei
Durch den Schlachtruf Banzai soll dem Gegner und der eigenen Truppe die Lebenskraft, Mannschaftsstärke und moralische Festigkeit der angreifenden Soldaten vermittelt werden. Dies soll auf diese Art und Weise den Gegner demotivieren und zugleich die eigenen Männer ermutigen.
Zurufen von Beleidigungen
Gefechtssituationen sind Momente höchster emotionaler Erregung, daher besonders anfällig für Provokationen. Durch das Zurufen von Beleidigungen und die Herabwürdigung der gefallenen Kameraden des Gegners soll dieser in Rage versetzt werden, so dass er seine Konzentrationsfähigkeit verliert und auch zu Vergeltungsaktionen provoziert wird, die seine taktische Lage verschlechtern (z.B. Verlassen einer Deckung).
Überlegenes Auftreten
Jeder Soldat soll auch in höchster Gefahr stets überlegen auftreten, um so den Gegner zu demotivieren. Öffentliche Disziplin und überlegtes Vorgehen soll vorhandene Zweifel und Minderwertigkeitsgefühle des Gegners erhöhen. Insbesondere einem Suizid bei ruhiger Geisteshaltung im Falle eines Scheiterns, den ein feindlicher Soldat aus nächster Nähe beobachtet, wird eine extreme Effizienz zur Einschüchterung zugeschrieben.
Gegenseitige Motivation
Der Entwicklung von Angst und Minderwertigkeitsgefühlen in der eigenen Truppe soll durch gegenseitige Motivation entgegengewirkt werden. Jeder Soldat habe die Verpflichtung, seinen Kameraden geistigen und moralischen Beistand zu leisten, sie zu beruhigen und/oder vom unvermeidlichen Sieg der eigenen Streitmacht zu überzeugen.

Hagakure und der Missbrauch im Faschismus

Das Hagakure war nach dem Zweiten Weltkrieg gesellschaftlich diskreditiert und galt als philosophisches Werk eines Vordenkers des Faschismus. Aufgrund der beschriebenen philosophischen Inhalte wird klar, dass Hagakure einem Menschen, der faschistisches Gedankengut verfolgt, tatsächlich kompatible Denkmodelle bietet, jedoch keineswegs als faschistisch zu bewerten ist. Es besteht keinerlei inhaltliche Verbindung zu Nationalismus oder Chauvinismus. Dennoch wurden einige Passagen zu Propagandazwecken missbraucht. Insbesondere das berühmte Zitat „Bushido, der Weg des Samurai, so habe ich herausgefunden, liegt im Sterben” diente der Motivation von Kamikaze-Piloten.

Auch in Deutschland erfuhr das Hagakure rechtsextremen Missbrauch durch Angehörige der Waffen-SS: Diese griffen Teile von Yamamotos Standpunkten auf und vermischten diese mit dem Konzept des Übermenschen Friedrich Nietzsches und rassistischen Motiven. Durch diese unsachgemäße Verknüpfung erhielt der Übermensch zwingend die Gestalt eines Kriegers. Ferner sollte die Überwindung des Menschen, die Nietzsche forderte, nach der Auffassung der SS durch die Abstreifung des eigenen Ichs mittels der bedingungslosen Eingliederung in den Volkskörper und unter einen überlegenen Führer erreicht werden können.

Weitere Zitate aus dem Hagakure

Erkenne die Bedeutung von Bushidō
Ich habe herausgefunden, bushido, der Weg des Kriegers, liegt im Sterben. Wird man mit zwei Alternativen konfrontiert, Leben und Tod, so soll man ohne Zögern den Tod wählen. Daran ist nichts Schweres; man muss nur fest entschlossen sein Ziel verfolgen.
Wenn einige behaupten: „Ein Tod, ohne seine Bestimmung erlangt zu haben, ist ein sinnloser Tod“, so ist das die berechnende Art zu denken, die dem eitlen, verstädterten bushido entspringt. Zwischen zwei Alternativen eingezwängt, kann man nur schwer den richtigen der beiden Wege wählen. Um sicher zu gehen bevorzugt jeder das Leben dem Tod; man versucht, sich von der Vernunft des eigenen Überlebens zu überzeugen. Doch wenn man überlebt, ohne ein gerechtes Ende erlangt zu haben, ist man ein Feigling. Hierin liegt der entscheidende Punkt.
Solange jemand umgekehrt den Tod wählt, ohne sein Ziel erreicht zu haben, ist sein Tod frei von Schande, auch wenn andere ihn sinnlos oder wahnsinnig nennen mögen. Das ist die Essenz des bushido. Wenn jemand jeden Morgen, jeden Abend sich auf den Tod vorbereitet und ihn jeden Augenblick erwartet, wird bushido zu seinem eigenen Weg, wodurch er seinem Fürsten sein ganzes Leben lang fehlerlos dienen kann.
Fürchte den Regen nicht
Man muss „die Lektion des Platzregens“ verstehen. Ein Mann, der unterwegs von plötzlichem Regen überrascht wird, rennt die Strasse hinunter, um nicht nass und durchtränkt zu werden. Wenn man es aber einmal als natürlich hinnimmt, im Regen nass zu werden, kann man mit unbewegtem Geist bis auf die Haut durchnässt werden. Diese Lektion gilt für alles.
Das kurze Leben eines Mannes
Das Leben eines Mannes ist nur ein aufblitzender Moment; ein Mann sollte sein Leben mit dem Verbringen was er will. In diesem kurzen Leben wäre es falsch, sich als Mann zu etwas zwingen zu lassen, was man nicht mag, und so sein Dasein leidend zu verbringen.
Wenn dieser Gedanke natürlich falsch ausgelegt wird, ist er schädlich. Darum habe ich ihn auch für mich behalten und nie jungen Männern verraten.
Stirb jeden Morgen
Stell dir jeden Morgen aufs Neue vor, dass du bereits tot bist. Halte dich jeden Morgen, wenn dein Geist friedvoll ist, ohne Unterlass für tot, denke über verschiedene Arten des Todes nach, stelle dir deine letzten Augenblicke vor, wie du von Pfeilen, Kugeln und Schwertern in Einzelteile zerfetzt wirst, von einer Woge weggespült wirst, in ein rasendes Feuer springst, von einem Blitz erschlagen wirst, in einem großen Erdbeben untergehst, von einer schwindelerregenden Klippe stürzst, an einer tödlichen Krankheit leidest oder plötzlich tot umfällst.
Die höchste Form der Liebe
Die höchste Form der Liebe liegt darin, die brennende Liebe für sich zu behalten und nicht einmal der geliebten Person sein Herz zu öffnen. Empfange wenn mein Leben vorüber ist, meine verzehrende Liebe für dich. Aus dem Rauch, der von meinem brennenden Körper aufsteigt.

Literatur

  • Tsunetomo Yamamoto: Hagakure. The Way of the Samurai. (übersetzt von Takao Mukoh), Hokuseido Press (Reprint), Tokyo 2002, ISBN 3-8311-1530-3
  • ders.: Hagakure. Der Weg des Samurai. (hrsg. und aus dem Engl. von Guido Keller) Piper, München/Zürich 2005, ISBN 978-3-492-24458-9
  • ders.: Hagakure. Das Buch des Samurai. (übers. von Kenzo Fukai) Bechtermünz, Augsburg 2001, ISBN 3-8289-4870-7; Droemer Knaur, München 2002, ISBN 3-426-87159-9
  • ders.: Hagakure. Der Samurai-Weg. (hrsg. und aus dem Jap. übers. v. Wolfgang Höhn & Mariko Sakai) Goldmann, München 2005, ISBN 3-442-33732-1
  • Stacey B. Day, Kiyoshi Inokuchi (Hg.): The Wisdom of Hagakure. Hagakure Society 1994, ISBN 4-87378-389-5
  • Yukio Mishima: The Way Of The Samurai. Perigee 1983, ISBN 0-399-50907-0
  • ders.: Zu einer Ethik der Tat. Hanser, München/Wien 1987, ISBN 3-446-14516-8