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Ernst Wimmer

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Ernst Wimmer

Ernst Wimmer (* 17. Juni 1924 in Horn, Niederösterreich; † 27. Oktober 1991 in Wien) war Kommunist, marxistischer Theoretiker und Politiker, politischer Journalist und Aphoristiker.

Kindheit und Familie

Ernst Wimmer wurde 1924 als zweites Kind des ehemaligen und hochdekorierten Offiziers der k.u.k. Armee und späteren Direktors der Creditanstalt-Bankverein Otto Wimmer (1895-1957) und dessen Gattin Hermine (1897-1990), in der ländlichen Kleinstadt Horn im Waldviertel, Niederösterreich geboren. Nachdem sein Vater 1920 zum Zweck der Gründung und Leitung einer Bank-Filiale der Anglo-Österreichischen Bank von Gmünd nach Horn gezogen war wurde sein Vater 1924 nach Wien berufen. Ende 1925 zog die Familie von Horn nach Wien. Wimmer wuchs in bürgerlichen Verhältnissen in Wien-Meidling auf.

1947 heiratete er seine Jugendfreundin, die aus einer bürgerlichen und angesehenen jüdischen Familie kommende Eva Margareta Gans. Ihrer gemeinsamen Ehe entstammten drei Söhne. Die Familie lebte ab 1960 in Wien Döbling, im sogennnten Helmut Qualtinger-Hof.

Erste politische Schritte

Das betont patriotisch, österreichische monarchistisch-katholische Milieu seines Elternhauses prägte seine antifaschistische Einstellung. Ernst Wimmer´s Erzählungen zufolge haben ihn die unmittelbar persönlichen und bewusst erlebten Eindrücke und Erfahrungen der Ereignisse des Bürgerkriegs vom 12. Februar 1934 in der Entwicklung seines politischen Wesens ausschlaggebend und nachhaltig geprägt. Nach der Annexion Österreichs durch den Nazifaschismus war er unter anderen auch gemeinsam mit seinem Klassenkameraden dem späteren Schriftsteller Gerhard Fritsch in der antifaschistischen Widerstandsgruppe "Theiss" an seiner Gymnasialschule, dem Ignaz-Seipel-Gymnasium (dem heutigen BGRG Wien XII Rosasgasse), politisch aktiv. Wimmer wurde ebenso wie seine Schwester Edith von der Gestapo verhaftet und zum Verhör in das Gestapo-Hauptquartier in Wien am Morzinplatz gebracht. Während der damals 14 Jahre alte Wimmer nach kurzer Haft wieder entlassen wurde, verblieb seine Schwester für ein knappes Jahr in Gestapo-Haft. Kurz vor seiner Matura im Jahr 1942 wurde Wimmer vom Reichsgericht von seiner Schule relegiert und von allen Schulen und Hochschulen des Deutschen Reichs ausgeschlossen. In weiterer Folge wurde er zur deutschen Wehrmacht eingezogen und nach seiner militärischen Grundausbildung in Znaim, in Zistersdorf zum Funker ausgebildet. Wie Ernst Wimmer selbst sagte, hatte er das große Glück, dass ihm der Einsatz an der Kriegsfront erspart blieb. Um sich dem Marschbefehl zur "Rettung" Berlins zu verweigern, desertierte Wimmer in den letzten Kriegsmonaten gemeinsam mit anderen österreichischen Wehrmachtssoldaten.

Nach der Befreiung Österreichs durch die Alliierten wurde Wimmer - er besaß außerodentliche Kenntnisse der englischen, lateinischen und altgriechischen Sprache - Dolmetscher des englischen Stadtkommandanten in Wien. Dadurch kam Wimmer mit vielen, auch namhaften Antifaschisten wie z.B. mit Graham Greene in persönlichen Kontakt und traf aus dem englischen Exil heimkehrende österreichische Kommunisten, namentlich den Philosophen und Freud-Schüler Walter Hollitscher.

Über die Politisierung durch diese Kontakte führte Ernst Wimmers Weg - nach einem kurzfristigen Ausflug als ordentlicher Student an der Hochschule für Welthandel in Wien - zum politischen Journalismus für die erste österreichische und überparteiliche (ÖVP, SPÖ, KPÖ) Nachkriegszeitung "Neues Österreich", den "Der Abend" und die kulturpolitische Zeitung "Tagebuch" sowie schließlich aus politisch-weltanschaulichen Gründen zum Zentralorgan der KPÖ, der Tageszeitung "Volksstimme" die vom Parteieigenen Globus Verlag herausgegeben wurde.

Überzeugt von der Sache des Kommunismus, insbesondere durch die tiefe Freundschaft mit Walter Hollitscher, entschied er sich für ein Leben als Berufsrevolutionär und wurde 1947 gemeinsam mit seiner Ehefrau und politischen Gefährtin Eva Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs.

Politischer Journalismus

Ernst Wimmer begann seine Arbeit in der Redaktion der "Volksstimme" unter dem damaligen Chefredakteur Erwin Zucker-Schilling als Journalist im außenpolitischen Ressort. Unter anderen auch, förderten ihn im Besonderen die namhaften Redakteure Jakob Rosner, Fritz Glaubauf und Bruno Frei auf seinem Weg zum politischen Journalismus. In diesen Jahren widmete sich Wimmer zudem in umfassender Weise seiner Weiterbildung. Im Besonderen in Bezug auf die Klassiker und Kenntnisse des Wissenschaftlichen Sozialismus, sowie in den Bereichen Literatur und Kunst und der romanischen Sprachen.

Der XX. Parteitag der KPdSU 1956 war weltweit, für alle Kommunistinnen und Kommunisten wie auch für die mit der Sache der Arbeiterbewegung verbundenen Menschen so also auch für Ernst Wimmer ein einschneidendes Erlebnis.

„In der Geschichte der revolutionären Bewegung des vergangenen Jahrhunderts gibt es zwei `zehn Tage, die die Welt erschütterten´: die Tage der Oktoberrevolution, die in dem Buch von John Reed mit dem gleichnamigen Buch beschrieben wurden, und der XX. Parteitag der KPdSU (14. - 25. Februar 1956). Beide Ereignisse teilen diese Geschichte abrupt und unwiderruflich in ein 'Davor' und ein 'Danach'. Ich kenne kein vergleichbares Ereignis in der Geschichte einer bedeutenden weltanschaulichen oder politischen Bewegung. Um es in wenigen einfachen Worten auszudrücken, die Oktoberrevolution schuf eine weltkommunistische Bewegung, der XX. Parteitag zerstörte sie." Eric Hobsbawm, Gefährliche Zeiten. Ein Leben im 20. Jahrhundert. Carl Hanser Verlag, München, Wien 2003. S. 234“

Alles was nun folgte (Ungarn, China, Prag, ...) verlangte danach, konsequent Position zu beziehen und von diesen Positionen ausgehend die ideologischen wie auch politisch-ideologischen Auseinandersetzungen zu führen, um seine eigentliche Arbeit machen zu können, als Kommunist unter kapitalistischen Verhältnissen zielorientiert zu wirken. Ernst Wimmer hielt es mit der Sache der Revolution, des Kommunismus und nicht mit dem politischen Opportunismus welcher Spielart auch immer, sein Leben lang. Das hinderte ihn nicht zu differenzieren, im Gegenteil, er war von nun an erst wirklich in seinem Element. Die politisch-administrative Antwort der Parteiführung auf die politische Kritik Ernst Wimmer's gipfelte in einer repressiven Maßnahme: Wimmer wurde im Jänner 1964 das außenpolitische Ressort entzogen. Ernst Wimmer arbeitete von nun an in der Kulturredaktion. Seinem politischen Selbstverständnis entsprechend verstand er sich als Berufsrevolutionär und dementsprechend diesen Arbeitsbereich ebenso als Kampffeld für eine revolutionäre Partei und handelte entsprechend der politischen Situation.

Die Parteikrise 1968 - 1970

Der Einmarsch eines Teils der Warschauer Pakt Staaten in Prag im August 1968 war ein Kulminationspunkt der seit vielen Jahren ohne Entscheidung anhaltenden ideologischen Auseinandersetzungen in der Weltbewegung, wie auch in der KPÖ um die Frage des politisch-ideologischen Charakters der Kommunistischen Parteien der einer Vielzahl von verschiedenen politischen Momenten und Veränderungen geschuldet war. Die politisch-ideologischen Auseinandersetzungen spitzten sich nach dem Sommer 1968 zwischen den Revisionisten und den Marxisten-Leninisten, so auch in der KPÖ gerade in der Frage der Haltung zur Sowjetunion dramatisch zu. Die Antwort der Marxisten-Leninisten in der KPÖ auf die Vorherrschaft der Revisionisten um Ernst Fischer, Franz Marek, Egon Kodicek, und andere auf die Parteimedien war die Schaffung eines neuen Parteiorgans unter dem Namen Neue Politik. Diese politische Plattform im Kampf um eine Partei revolutionären Charakters wurde von 30 Mitgliedern des ZK – Zentralkomitees unterstützt. Gemeinsam mit Walter Hollitscher war Wimmer der führende Kopf des Redaktionskollegiums der "Neuen Politik". Im Zuge des Siegs der Marxisten-Leninisten im Fraktionskampf in der KPÖ erfolgte eine komplette Neugestaltung der Zeitschrift Weg und Ziel. Wimmer wurde Mitglied des fünfköpfigen Redaktionskollegiums des "WuZ" unter der Chefredaktion von Walter Hollitscher.

Die KPÖ als politische Kraft

Zwischen 1970 und 1974 erfolgte eine politisch-ideologische Neuausrichtung der KPÖ. Wimmer trug als marxistischer Theoretiker und politischer Journalist in einer großen Vielzahl an Publikationen in den verschiedenen Organen der KPÖ, wie auch als Organisator einer Reihe an „Theoretischen Konferenzen“, sowie mit seinen rhetorischen Fähigkeiten in unzähligen Diskussionsveranstaltungen entscheidend dazu bei, die KPÖ auf den Boden des Wissenschaftlichen Sozialismus zu positionieren. Am 21. Parteitag der KPÖ im Mai 1970 wurde Wimmer in das ZK - Zentralkomitee gewählt.

Perestroika und KPÖ

Die Perestroika wurde von ihren Protagonisten ausdrücklich als Revolution – und zwar mit dem Ziel der qualitativen Erneuerung des Sozialismus - bezeichnet, sie sollte so verstanden werden und so wurde sie der Welt auch präsentiert. Sie entpuppte sich jedoch als Konterrevolution und endete nachweisbar damit, dass jene Nomenklatura aus dem politischen und ökonomischen Bereich die sie an- und durchführte sich heute als die persönlichen Eigentümer der Produktionsmittel und Inhaber der politischen Macht etabliert hat. Dieses „Kunststück“ eine Konterrevolution als Revolution ausgeben zu können und ohne auf nachhaltigen Widerstand zu stoßen sie auch erfolgreich - mit den bekannten, sozial katastrophalen Konsequenzen - durchzusetzen, konnte nur gelingen, in dem die notwendige und mögliche Verbesserung des Realsozialismus propagiert und der sichere Erfolg dieses Unterfangens in Aussicht gestellt wurde. Noch wenige Jahre zuvor hatten Ideologen der KPdSU, wie Alexander Jakowlew, der persönliche Berater von Michail Gorbatschow, den Revisionismus als Hauptgefahr für den Realsozialismus im Detail beschrieben. Exakt nach diesem Muster - der ideologischen Diversion - wurde einem Drehbuch gleich, im Zuge der Perestroika und unter der Losung "Neues Denken" verfahren. Die Perestroika hatte die opportunistischen Tendenzen zum politischen Revisionismus innerhalb jener Parteien, die sich ihrem historischen Selbstverständnis und ihrer Programmatik entsprechend als revolutionäre Parteien der Arbeiterbewegung - auf dem Boden des Marxismus-Leninismus verstanden - so auch in der KPÖ verschärft. Der spektakuläre Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten im Jahr 1989 sprengte den politischen Konsens innerhalb der bis dahin marxistisch-leninistisch gebliebenen kommunistischen Parteien in Westeuropa über deren ideologischen Grundlagen. Der Marxismus-Leninismus als Ideologie, mit all seinen politischen und organisatorischen Implikationen wurde durch die „Perestroika“ faktisch zur Gänze zur Disposition gestellt. In dieser historisch einmaligen Situation bezog Ernst Wimmer die Position um die Aufrechterhaltung einer selbst- und eigenständigen Partei der Arbeiterklasse mit dem programmatischen Ziel den Kapitalismus zu überwinden. Um die real bestehenden, gesellschaftlichen Widersprüche praktisch nutzbar machen zu können stellte Wimmer die Verteidigung des wissenschaftlichen Sozialismus, die Analyse des Kapitalismus ins Zentrum der von ihm betriebenen Politik in Wort und Schrift in den Gremien, der Organisation und den Medien der Partei. Ein Kulminationspunkt war Wimmers Referat im ZK der KPÖ zur 19. Allunionskonferenz der KPdSU im Sommer 1988. Er verwies mit Nachdruck auf die antisozialistischen Positionen und die mögliche Gefährdung des Sozialismus. Der Mehrheit der Mitglieder nicht nur des ZK war der gewohnte Opportunismus gegenüber Moskau wichtiger als eine eigenständige, aus dem Marxismus-Leninismus abgeleitete Position zu den aktuellen Ereignissen und absehbaren Entwicklungen.Der offenkundige Widerspruch dieser Zeit bestand im Besonderen darin, dass die Anwendung der politischen Analyse auf der Grundlage nach der Frage der Klasseninteressen zwar auf den Kapitalismus nicht aber auf den Realsozialismus angewandt wurde. Ernst Wimmer propagierte und organisierte in verschiedenen Bereichen und Fragen eine zunehmende Distanzierung der KPÖ zur KPdSU. Diese Distanzierung fand ihren Ausdruck auch in der völligen Einstellung der Beschickung der Internationalen Leninschule in Moskau mit österreichischen Kadern. Die größten aber wirkungslosen Widerstände gegen diese Maßnahme Wimmers kamen aus den Reihen der Parteigänger der späteren Parteiführung unter Walter Silbermayr und Susanne Sohn. Die von Gorbatschow propagierte Position des notwendigen Vorrangs des „Allgemein Menschlichen vor Klasseninteressen“ dekuvrierte Wimmer als das was sie war, als eine Position der Preisgabe des Klassenstandpunktes und in weiterer Folge dem Verzicht auf den Klassenkampf. Davon abgeleitet, quasi in logischer Konsequenz der Gorbatschowschen Position wäre der Verzicht, die Beseitigung der Partei Leninschen Typs. Dem entgegengesetzt, sah Ernst Wimmer in der Überwindung, der Beseitigung der Klassenunterschiede die Voraussetzung für ein humanes Leben für die gesamte Menschheit.

Der 27. Parteitag

Der 27. Parteitag der KPÖ im Jänner 1990 manifestierte den spätestens seit dem Frühjahr 1989 sich im Besonderen in Teilen der Parteiführung dynamisch entfaltenden ideologischen Bruch - entlang der Fragen des Klassencharakters und der Rolle der Partei - teils bewusst verdeckt, teils nur bruchstückhaft thematisiert und dort wo offen geführt aus taktischen Überlegugen abgeschwächt und verwaschen. Die politisch-ideologische Auseinandersetzung zwischen den Kräften rund um den neuen Vorsitzenden Walter Silbermayr die das Aufgehen der KPÖ in einer allgemeinen Linken im Auge hatte und auch anstrebten wurden mit den marxistischen Kräften rund um Ernst Wimmer bewusst nicht offen geführt. Anstatt dessen kennzeichnete den 27. Parteitag unter anderem auch der Widerspruch des Parteitagsbeschlusses nach einer politischen Erneuerung der KPÖ auf marxistischer Grundlage, als eine revolutionäre, gesellschaftsverändernden Kraft während der neue Vorsitzende Walter Silbermayr massiv den Kampf gegen den Linksdogmatismus forderte. Kennzeichnend für die Neue Parteiführung unter Silbermayr und Sohn die sich der politischen Mode entsprechend dem "Neuen Denken" verpflichtet gaben war die politisch intendierte und administrativ durchgeführte Enthebung Ernst Wimmers als Ideologe der KPÖ.

Der 28. Parteitag und seine Konsequenzen

Im praktischen Ergebnis führte der 28. Parteitag vom Juni 1991 die KPÖ zum Gegenteil dessen was von den Protagonisten um Walter Baier vorgeblich angestrebt und vollmundig versprochen wurde, Nämlich die Einheit und Aktionsfähigkeit der Partei. Dass was von der einstigen Kommunistischen Partei Österreichs geblieben ist, sind mehrere, unterschiedlich große Teile in und außerhalb der KPÖ, die bis auf die steirische Landesorganisation ohne nennenswert bedeutenden politischen Einfluss sind. Die KPÖ wie deren kollektiven Absplitterungen und Einzelkämpfer erschöpfen sich in einer Phraseologie ihrer unterschiedlichen ideologischen Provenienz, und stehen so gut wie allesamt nicht auf dem Boden des wissenschaftlichen Sozialismus. Sie dienen zurzeit objektiv vor allem dem Selbstzweck.

Spätestens seit dem Frühsommer 1989 ging die Entwicklung in der KPÖ unter dem designierten Vorsitzenden Walter Silbermayr wenn auch verdeckt in Richtung einer politisch-ideologischen Kursänderung. Diese wurde mit dem 27. Parteitag im Jänner 1990 programmatisch festgeschrieben. Im Zuge der Jahre 1990 und 1991 konnten sich revisionistische Positionen, ein entsprechender Kurs in der KPÖ durchsetzen. Nach dem kollektiven Parteiaustritt von Silbermayr und seinen Parteigängern war unter vielen Mitgliedern der Partei die Position um eine falsche „Einheit der Partei“ gereift und vorherrschend und entscheidende Triebkraft im politischen Handeln. Diese Position um die „Einheit der Partei“ ist Ausdruck einer revisionistischen Haltung. Im Kern geht es um die künstliche Trennung von Form und Inhalt, oder eben um die Stilisierung des Fetischs Organisation – Partei einerseits und Ideologie, den wissenschaftlichen Sozialismus andererseits.

Mit dem propagandistisch verwendeten Appell auf Gefahr in Verzug agitierte Baier; „dass dieser Parteitag ein Parteitag der Krise, der tiefste Krise in der Geschichte der Bewegung darstellt, … „ und um der bloßen und weiteren Existenz willen eine Richtungsentscheidung herbeigeführt werden müsse. In diesem Klima der Furcht um die Existenz der Partei, der Furcht um die weitere Schwächung durch eine mögliche Spaltung konnte es gelingen ohne einen Rechenschaftsbericht über die zweifelsfrei wichtige Periode seit dem 27. Parteitag vorzulegen genau jene Politikfelder und Themen weitestgehend außer Diskussion zu stellen, diese quasi als die richtige Politik bestätigen zu lassen, trotzdem sie zur fortschreitenden Demoralisierung und politischen Entfremdung der KPÖ beigetragen haben, wie zum Beispiel die Einstellung des Zentralorgans, der Tageszeitung „Volksstimme“. Zum Zweck der Durchsetzung des Status Quo auch für die künftige Politik wurde wie es Baier in seinem Hauptreferat unternahm die Bestätigung des Kurses seit dem 27. Parteitag zur „Kernfrage Hauptfrage ein Parteitag des Zumachens oder des Öffnens, ein Parteitag der Belehrung oder des Dialogs, Parteitag des Vorwärts, der Erneuerung oder des Zurück“ stilisiert und beschworen. In Folge dessen konnte die Geschichte der Partei, der gesamten Bewegung als Fehlergeschichte mit der Punze des „Stalinismus“ versehen werden. Es wurden jene die ein differenziertes, ein marxistisches, ein materialistisches Geschichtsbild zu vertreten versuchten kurzer Hand als Stalinisten verunglimpft und solcherweise politisch ausgeschaltet. An die Stelle der „historischen Mission der Arbeiterklasse, des Führungsanspruchs der revolutionären Partei trat die Orientierung auf „Die Linke.“ Das Thema Wielandschule – Ernst-Kirchweger-Haus in Wien Favoriten wurde in diesem Zusammenhang regelrecht als Bekenntnis zur „Erneuerung“ gemacht. Damit wurde die Fragwürdigkeit des Anspruchs auch auf die materielle Substanz gestellt. Die Ideologie der Partei und Bewegung in der Vor-Perestroika-Ära wurde mit dem Etikett „Dogmatisch“ und „Dogmatismus“ versehen und ihm das „Neue undogmatische Denken“ entgegengestellt.

Nachdem das „Kunststück“ der verdeckten und der offenen Erpressung und des kaltschnäuzigen politischen Betrugs mit so gut wie allen Mitteln zu dem gewünschten Ergebnis geführt hatte: die Zustimmung zu einem nicht anders als revisionistisch zu bezeichnenden Kurs zu gewährleisten, musste man schließlich noch den größten Widersacher, den Chefideologen, Lehrer und Förderer einer ganzen Generation, den revolutionären Marxisten Ernst Wimmer, politisch Ausschalten. Da Ernst Wimmer in einer fairen Diskussion in der das Argument ausschlaggebend nicht mundtot machen konnte, wählte man den Weg seiner Desavouierung und sozialen Ausgrenzung. Wie bereits unter Silbermayr und Sohn wurde Wimmer das Etikett des "Dogmatikers" verpasst und in Teilen der Partei, seine Person betreffend ein Klima geschaffen in dem er als Persona non grata galt. In diesem Zusammenhang ist der „Diskussionsbeitrag“ von Julius Mende zum Wahlvoschlag zum Bundesvorstand ebenso aufschlussreich wie erwähnenswert:

„„Und jetzt mache ich was ganz unfeines. Denn der Genosse Wimmer hat mich immer gefördert in der Partei, ... „ Ein Problem ist, und das sehe ich so: Links sein heißt, die politische Anschauung auch auf den eigenen Lebenszusammenhang zu beziehen. Auf die eigene Frau, auf die eigenen Kinder, darauf, dass man selbst kein Politroboter wird, sondern dass man mit normalen Leuten, die draußen leben, saufen gehen kann, spielen gehen kann, irgend etwas anderes einmal, tanzen gehen kann und nicht dauernd mit Marx und Engels unterm Arm durch die Gegend läuft“. Aus: „Dokumentation zum 28. Parteitag der KPÖ“, Wien 1991 s. 286“

Ernst Wimmer wurde in den Bundesvorstand nicht wiedergewählt. Die Wahlergebnisse zum Bundesvorstand widerspiegelten die bestehende Polarisierung. Die Entwicklung der folgenden Monate und Jahre sollte unzweifelhaft zeigen, dass dem auf diesem Parteitag endgültig durchgesetzten Kurs der Liquidation der Kommunistischen Partei Österreichs nichts und niemand ernsthaftes entgegengesetzt werden konnte. In der Hinterdreinsicht zeigt Ernst Wimmers Diskussionsbeitrag auf dem 28. Parteitag die Tiefe seines Verständnissen für die Problemlage und seine analytische Weitsicht:

„„Dass es einen Marxismus mit neuen Erkenntnissen, Methoden und Kriterien so lange geben wird, als es Kapitalismus geben wird und darüber hinaus, das steht für mich außer Frage. Aber ob es eine marxistische Partei, eine Partei kommunistischen Typs in den nächsten Jahren geben wird, das ist leider für mich nicht so sicher. Keineswegs deswegen, weil ich wie kleinmütig geworden oder gekränkt der Auffassung wäre, dass eine solche Partei keine Existenzberechtigung mehr hätte, im Gegenteil. Aber ich habe begründete Zweifel daran, dass das, was heute die Partei ausmacht, sich aufraffen und zusammenraufen kann, um Funktionen zu erfüllen, die erst eine Existenzberechtigung ergeben.“ Aus: „Dokumentation zum 28. Parteitag der KPÖ““, Wien 1991 s. 78/79“

So wie Gorbatschow und die Protagonisten der Perestroika in der Sowjetunion vorgaben einen besseren Sozialismus anzustreben, täuschten auch die Protagonisten des 27. Und 28. Parteitages der KPÖ die Menschen die ihnen Vertrauten um ihre eigentliches Ziel, das Überlaufen in das Lager der Gegner und Feinde der Arbeiterbewegung zu verschleiern. Der Begriff Revisionismus bezeichnet eine Strömung des Opportunismus innerhalb der revolutionären Arbeiterbewegung, die unter dem Vorwand einer Verbesserung, Weiterführung oder Erneuerung des Marxismus bzw. Marxismus-Leninismus oder der Verteidigung des wahren Marxismus gegen angebliche oder tatsächliche Entstellungen seines Wesens ein ganzes System der Revision seiner theoretischen und politischen Grundlagen mit dem Ziel entwickelt, den wissenschaftlichen und revolutionären Inhalt der Weltanschauung der Arbeiterklasse zu beseitigen und durch bürgerliche Theorie zu ersetzen.

Die historische Rolle und Bedeutung der Kommunistischen Partei Österreichs, ihre verdienstvolle Geschichte wird noch geschrieben werden müssen. Wenige Wochen vor seinem Tot, inspirierte Wimmer einige sich um ihn scharende Genossen zur Schaffung einer periodischen Streitschrift. Diese Zeitung, die spätere Neue Volksstimme sollte den Versuch unternehmen die Marxisten-Leninisten in der KPÖ zu sammeln und in der politisch-ideologischen Auseinandersetzung mit dem Revisionismus als politische Waffe dienen.

Der Aphoristiker

Ernst Wimmer hinterließ zirka 8000 Aphorismen. Diese große Anzahl entstand im Zeitraum von ungefähr 30 Jahren. Wimmer wählte die Aphoristik als Verwirklichung seines Bedürfnisses nach schriftstellerischem Ausdruck unter den Bedingungen seines selbst gewählten Primats auf die politisch-journalistische und politisch-ideologische Arbeit als Kommunist. So gut wie ausnahmslos widmete er sich täglich zumindest eine Stunde dem Überdenken und der Kritik dessen was ihm von Bedeutung schien. Nur wenige seiner Aphorismen und Essays sind bisher in Buchform publiziert worden. Ernst Wimmers Aphorismen und Essays befinden sich im Eigentum seiner Söhne.

  • "Maulwurfsgrille – Die Neigung des Österreichers zur Schlamperei entspricht seinem Stolz auf Individualität: Um diese zu behaupten, braucht er Schlupflöcher, die jene lässt.
  • "Die Summe der Ausnahmen, die einer geltend macht, ergibt die auf ihn passende Regel."
  • "Sogar die Gläubigsten beten nicht so oft zu ihrem Gott, als sie trachten, ihn zu überlisten."
  • "Zu unseren Erfahrungen verhalten wir uns wie zu Untergebenen: Wir sagen ihnen, was sie uns zu sagen haben."
  • "Wären wir außerstande zu ertragen, was wir unerträglich nennen, hätten wir eine andere Geschichte."
  • "Wenig ist so dauerhaft wie Urteile über Dinge, die man nicht kennt. Fast schließen sie schon aus, was sie erschüttern könnte: ein Kennenlernen."
  • "Wie gut es einer mit uns meint, der gutgemeinte Rat erteilt, können wir daran prüfen, ob und wie er uns schlecht macht, folgen wir seinem Rat aus guten Gründen nicht."
  • "So sanft kann kein Hang zum Idealisieren sein, dass man nicht ins Rutschen kommt."
  • "Jeder von uns wäre für den anderen ein hinreichend großes Theater, würde nicht meist bei fast geschlossenem Vorhang gespielt."


Ernst Wimmer starb in den Abendstunden des 27. Oktober 1991 in Wien an Leukämie. Dass weit über die Partei- und Landesgrenzen hinausgehende Ansehen Ernst Wimmers und seine politisch objektive Rolle für die Entwicklung der KPÖ als marxistische Partei der Arbeiterbewegung und sein prägender Einfluss auf wichtige Teile der intellektuellen Linken wie auch der kulturschaffenden Linken in Österreich in den 1970er und 1980er Jahren verlangte trotz massiver ideologischer Differenzen zwischen Ernst Wimmer und der Parteiführung nach einer angemessenen Ehrung, einem Parteibegräbnis durch die offizielle Partei. So wurde Ernst Wimmer just am 7. November 1991 im Rahmen eines Parteibegräbnisses und unter großer Anteilnahme mehrerer Hundert Menschen am Döblinger Friedhof in Wien beigesetzt. Die Grabreden hielt keiner der führenden Parteifunktionäre sondern bewusst gewählt, persönliche Freunde Wimmers, der österreichische Dichter Arthur West und der österreichische Bildhauer Alfred Hrdlicka.

Entgegen der noch zu Lebzeiten Wimmer´s mehrfach gemachten Zusage der Parteiführung der KPÖ und trotz eines entsprechenden Parteitagsbeschlusses verschiedentlich Werke Ernst Wimmer´s zu publizieren ist dies bis dato unterblieben. Der äußerst umfangreiche Nachlass Ernst Wimmer´s befindet sich im Eigentum seiner Söhne.

Werke

  • Zur Lage der Arbeiterklasse in Österreich KPÖ, Wien 1973
  • Antimonopolistische Demokratie und Sozialismus Globus Verlag, Wien 1974
  • Eurokommunismus - Eine Sammlung von Stellungnahmen (mit Franz Muhri, Erwin Scharf)
  • Der verwirklichte Sozialismus (Gaisch, Willi, Herausgabe Ernst Wimmer) Wien 1977
  • Sozialpartnerschaft aus marxistischer Sicht Globus Verlag, Wien 1979
  • Plädoyers für einen wissenschaftlichen Humanismus ,herausgegeben mit Josef Schleifstein, Globus Verlag, Wien, 1981
  • Staat und Demokratie - Dritter Weg oder Revolution?, Globus Verlag, Wien 1982
  • Sozialismus in Österreichs Farben - Programm der Kommunistischen Partei Österreichs, 1982
  • Antonio Gramsci und die Revolution Globus Verlag, Wien 1984
  • Die Kommunistische Partei Österreichs - Beiträge zu ihrer Geschichte und Politik, Globus Verlag, Wien, 1987
  • 100 Jahre Hainfeld, 70 Jahre KPÖ - Rückblick & Ausblick Globus Verlag, Wien, 1988