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Geisterbahnhof

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Der wiedereröffnete ehemalige Geisterbahnhof Potsdamer Platz

Ein Geisterbahnhof ist ein Bahnhof, der nicht mehr in Betrieb, aber baulich auch noch nicht verfallen ist. Dazu gehören vor allem unterirdische Bahnhöfe, die besonders unheimlich wirken, wenn sie schwach beleuchtet sind.

Geisterbahnhöfe in Berlin

S-Bahnhof Unter den Linden

In Berlin waren vor allem die Tunnelbahnhöfe der S- und U-Bahn Geisterbahnhöfe, an denen während der Teilung der Stadt (1961 bis 1990) West-Berliner Linien ohne Halt unter Ost-Berliner Gebiet durchfuhren. Bedingt war dies durch die Lage des Bezirks Mitte, der zum Ostteil der Stadt gehörte und im Norden, Westen und Süden an West-Berlin grenzte. Er wurde durch zwei U-Bahn-Linien (U6, U8) und eine S-Bahn-Tunnelstrecke (ab 1984: S2) durchschnitten, die also vom Westteil durch den Ostteil wieder in den Westteil fuhren. Eine vierte West-Linie nach Ost-Berlin war die oberirdische Berliner Stadtbahn (ab 1984: S3) mit dem Endbahnhof Friedrichstraße. An ihr gab es keinen Geisterbahnhof, da zwischen ihrer Endstation in Ost-Berlin und dem letzten Bahnhof in West-Berlin (Lehrter Stadtbahnhof) kein weiterer Haltepunkt lag.

Der Name spielt auf das schaurige Gefühl an, das vor allem West-Berliner Fahrgäste bekamen, wenn sie in lediglich schneller Schrittgeschwindigkeit durch einen kaum beleuchteten, aber sichtbar bewachten Bahnhof fuhren. Die Fahrgäste der U-Bahn wurden an den Grenzbahnhöfen informiert: „Voltastraße. Letzter Bahnhof in Berlin-West. Letzter Bahnhof in Berlin-West.“ Nach der Durchfahrt von sechs Bahnhöfen und der Unterfahrung des Zentrums Ostberlins wurde dann der nächste Halt Moritzplatz erreicht.

Liste der Geisterbahnhöfe einschließlich der letzten Bahnhöfe im Westteil

  • U6: von Nord nach Süd
Reinickendorfer Straße (letzter Bahnhof in Berlin-West)
Stadion der Weltjugend (bis 1973: Walter-Ulbricht-Stadion, heute: Schwartzkopffstraße)
Nordbahnhof (heute: Zinnowitzer Straße)
Oranienburger Tor
Friedrichstraße (Übergang zur Grenzübergangsstelle und zur S-Bahn nach Berlin (West))
Französische Straße
Stadtmitte
Kochstraße (erster Bahnhof in Berlin-West)
  • U8: von Nord nach Süd
Voltastraße (letzer Bahnhof in Berlin-West)
Bernauer Straße
Rosenthaler Platz
Weinmeisterstraße
Alexanderplatz
Jannowitzbrücke
Heinrich-Heine-Straße
Moritzplatz (erster Bahnhof in Berlin-West)
Schönholz (mit Halt, Bahnhof in Berlin (West))
Wollankstraße (mit Halt, Bahnhof nur von Berlin (West) erreichbar)
Bornholmer Straße
Gesundbrunnen (mit Halt, Bahnhof in Berlin (West))
Humboldthain (mit Halt, Bahnhof in Berlin (West))
Nordbahnhof
Oranienburger Straße
Friedrichstraße (Übergang zur Grenzübergangsstelle und zur U-Bahn nach Berlin (West))
Unter den Linden
Potsdamer Platz
Anhalter Bahnhof (mit Halt, Bahnhof in Berlin (West))

Besondere Bahnhöfe

Nur am Bahnhof Friedrichstraße hielten die Züge, er war also eigentlich kein Geisterbahnhof. Hier konnten West-Berliner Fahrgäste ohne Grenzkontrollen zwischen der U6, der S2 (Nord-Süd-Tunnel) und der S3 (Stadtbahn) umsteigen oder zur Fernbahn gelangen. Dazu wurde der in Ost-Berlin gelegene Bahnhof in einen Ost- und West-Bereich geteilt und diente mit dem sogenannten Tränenpalast auch als Grenzübergangsstelle. Der Ostbereich war normaler Teil des Binnenverkehrsnetzes der DDR (S-Bahn). Der Westbereich war hermetisch vom umgebenen Ost-Berlin abgetrennt, vergleichbar mit der Transithalle internationaler Flughäfen. Die einzigen Möglichkeiten, ihn zu verlassen, waren das Besteigen einer Bahn Richtung West-Berlin oder das Durchqueren der DDR-Passkontrolle in Richtung Ost-Berlin. Der U-Bahnsteig konnte nur über einen langen Verbindungsgang vom unterirdischen S-Bahnsteig aus erreicht werden, alle Ausgänge waren zugemauert. Auf den Bahnsteigen der S- und U-Bahn wurden Intershop-Verkaufsstellen mit speziellen Angeboten für West-Berliner − insbesondere zollfreie Spirituosen und Zigaretten − betrieben.

Als Geisterbahnhof könnte auch der Bahnhof Bornholmer Straße bezeichnet werden. Er lag noch knapp auf Ost-Berliner Gebiet an der S2 zwischen Gesundbrunnen und Wollankstraße, war jedoch kein Tunnelbahnhof. Auch hier hielten die Züge nicht, obwohl das Empfangsgebäude am Grenzübergang Bornholmer Straße noch für West-Berliner zugänglich war. Vor dem Mauerfall gab es auch Planungen, ihn für West-Berliner zu öffnen.

Eine andere Besonderheit war der Bahnhof Wollankstraße, der vollständig im Ostsektor lag, dessen westlicher Rand jedoch die Sektorengrenze bildete. Er war in Betrieb, hatte einen geöffneten Ausgang zum Westsektor und konnte daher vom Westteil aus ohne Kontrolle benutzt werden. Die Mauer verlief unmittelbar östlich des Bahnhofs, seine Zugänge Richtung Ost-Berlin waren versperrt.

Wiedereröffnungen

Der erste wiedereröffnete Geisterbahnhof war Jannowitzbrücke (U8), auf dem am 11. November 1989 − zwei Tage nach dem Mauerfall – wieder Züge hielten. Er wurde provisorisch mit handgezeichneten Zugzielanzeigen ausgestattet; ähnlich wie im Bahnhof Friedrichstraße wurde eine provisorische DDR-Passkontrolle auf der Mittelebene eingerichtet. Am 22. Dezember 1989 folgte als zweiter Bahnhof Rosenthaler Platz (U8) mit einer ebenso provisorisch eingerichteten Passkontrolle.

Der dritte Bahnhof war Bernauer Straße (U8) am 12. April 1990. Es wurde zunächst jedoch nur sein nördlicher Ausgang geöffnet, der direkt an West-Berlin grenzte, so dass die Einrichtung einer Grenzkontrolle nicht nötig war. Der südliche Ausgang wurde gleichzeitig mit den restlichen Bahnhöfen der U6 und U8 am 1. Juli 1990 geöffnet, dem Tag der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen den beiden deutschen Staaten, an dem auch alle Grenzkontrollen entfielen.

Am 2. Juli folgte dann Oranienburger Straße als erste S-Bahn-Station. Nach notwendiger Renovierung folgten am 1. September 1990 die Stationen Unter den Linden und Nordbahnhof. Der Bahnhof Bornholmer Straße folgte am 12. Dezember 1990, zunächst nur am Bahnsteig für Westlinien. Für die Ost-Berliner Linien wurde ein zweiter provisorischer Bahnsteig am 5. August 1991 dem Verkehr übergeben. Als letzter Geisterbahnhof wurde am 3. März 1992 der S-Bahnhof Potsdamer Platz nach einer umfangreichen Sanierung des Nord-Süd-Tunnels dem Verkehr übergeben.

Geisterbahnhöfe außerhalb Berlins

  • Dortmund-Reinoldikirche: Der U-Bahnhof Reinoldikirche ist in 3 Ebenen gebaut. Die -2-Ebene ist für die Ost-West-Stadtbahn gedacht, die 2008 eröffnet wird. Momentan ist diese Ebene ungenutzt, aber für jedermann zugänglich.
  • Duisburg-Angerbogen: Der Bahnhof wurde 1974 im Süden der Stadt zur Erschließung einer Trabantenstadt gebaut. Erst 2002 wurde mit dem Bau einer Siedlung (mit bedeutend weniger Wohnraum als ursprünglich geplant) auf dem Gelände begonnen, der damals 10,5 Millionen Euro teure Bahnhof ist immer noch ungenutzt.
  • Düsseldorf-Heinrich-Heine-Allee: Unterhalb des auf 2 Ebenen realisierten, stark frequentieren U-Bahnhofs befindet sich eine weitere, momentan in Bau befindliche dritte Ebene als Vorleistung aus dem Jahre 1983 für die sogenannte Wehrhahnlinie.
  • Hannover-Hauptbahnhof: Unterhalb der sich in Betrieb befindlichen Ebene befindet sich eine weitere im Rohbau unvollendete Station, die einem (zur Zeit nicht geplanten) unterirdischen Ausbau der D-Linie im Innenstadtbereich als Vorleistung dient.
  • Köln-Fixheider Weg: Diese Stadtbahnhaltestelle wurde 2003 durch die ca. 200 Meter weiter südlich errichtete Haltestelle Im Weidenbruch ersetzt. Die beiden Seitenbahnsteige und die ehemaligen Zugangstreppen sind bis heute erhalten geblieben.
  • Köln-Bahnhof Deutz/Messe: Als die Stadtbahn Deutz in Ost-West-Richtung im Tunnel gebaut wurde, erstellte man als Vorleistung im Bereich Deutz/Messe die Tunnelstation für die Deutzer Nord-Süd-Stadtbahn in der dritten Ebene mit. Sie ist bis heute ungenutzt.
  • Stuttgart-Bahnhof Zuffenhausen: Der Bahnhof wurde im Zuge der Einführung der S-Bahn Stuttgart in den 1970er Jahren neu gebaut. Da es in der damaligen Zeit angedacht war, die Straßenbahn-Linie nach Stammheim durch eine U-Bahn zu ersetzen, die vom Haltepunkt Friedrichswahl unterirdisch in einer langen Kurve unter dem Bahnhof hindurch führt, wurden beim Bau des Bahnhofes Vorarbeiten für den Bau einer U-Bahn Station geleistet. Nach Fertigstellung des Bahnhofes dauerte es jedoch über 25 Jahre, bis es überhaupt zu konkreten Plänen zur Konvertierung der Straßenbahnlinie 15 auf Stadtbahn-Betrieb kam. Mit dem Bau des nordwestlichen Astes der neuen Linie U15 soll im Jahre 2008 begonnen werden, wobei die endgültige Trasse nicht über den Bahnhof in Zuffenhausen führen wird.
  • Moskau-Wolokolamskaja: Der 1975 errichtete Bahnhof der Tagansko-Krasnopresnenskaja-Linie wurde zwecks Anschluss eines letztlich nie realisierten Wohngebiets gebaut, ein Anschluss an das Netz ist nicht geplant.
  • London: In der britischen Hauptstadt gibt es zahlreiche ungenutzte Bahnhöfe, siehe Geschlossene Stationen der London Underground
  • Stockholm: Es gibt einen U-Bahnhof, genannt Kymlinge (Blaue Linie), der als Bahnhof beim Bau der Linie vorbereitet wurde, aber nicht benutzt wird, weil der Stadtteil noch nicht gebaut ist.
  • Wien: Die Station Lerchenfelder Straße der Wiener U-Bahnlinie U2 wurde am 27. August 2003 aufgelassen. Aufgrund der Verlängerung der Bahnsteige von 75 auf 115 Meter auf der gesamten Linie der U2, verkürzte sich der ohnedies knappe Stationsabstand zwischen den Stationen Lerchenfelder Straße und Volkstheater und führte zur Schließung der Station Lerchenfelder Straße. Es wurden zwar Verkleidungselemente, Stationsschilder und Sitzbänke entfernt, dennoch sind die Seitenbahnsteige dieses Geisterbahnhofs beim Durchfahren mit der U-Bahn nach wie vor gut zu erkennen.
  • New York City: Bei der New York City Subway wurden in den 1950er Jahren an einigen Strecken die Bahnsteige verlängert, so dass sie nunmehr Züge von zehn statt wie zuvor fünf Wagen Länge aufnehmen konnten. Dies hätte jedoch an einigen Stellen sehr geringe Stationsabstände bedeutet, was zur Schließung einiger Bahnhöfe führte, die von den Zügen heute ohne Halt durchfahren werden.[1]
  • Toronto: Der U-Bahnhof Bay an der Bloor-Danforth-Linie der Toronto Subway besitzt unterhalb der heute genutzten Station noch eine zweite Bahnsteigebene. Sie diente als Zustiegsmöglichkeit für Züge, die ab Februar 1966 von Osten her kommend Richtung Museum auf die heutige Yonge-University-Spadina-Linie abbogen. Weil sich diese Linienführung aber schnell als technisch äußerst ungünstig erwies, nahmen bereits im September desselben Jahres keine Züge mehr diesen Weg. Die Station ist aber immer noch voll betriebsbereit.[2]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Joe Brennan: Abandoned Stations
  2. Englischer Wikipedia-Artikel über jenen Bahnhof

Literatur

  • Heinz Knobloch: Geisterbahnhöfe. Westlinien unter Ostberlin. Ch. Links Verlag, ISBN 3-86153-034-1