Russischsprachige Bevölkerungsgruppen in Deutschland
Als „Russen in Deutschland“ oder auch „Deutschrussen“ werden Russen bezeichnet, die in Deutschland leben. Der Begriff Russlanddeutsche ist dagegen ein Sammelbegriff für die deutsche Minderheit in Russland.
Die Zahl der Russen in Deutschland beträgt mittelerweile einige Millionen Menschen, darunter viele Deutschrussen, also Personen mit einem deutschen und einem russischen Elternteil.
Die große Mehrheit der heute in Deutschland lebenden russischsprachigen Menschen kam in den Jahren kurz vor und nach der Wiedervereinigung nach Deutschland. Die meisten sind entweder russische Familienangehörige von Russlanddeutschen oder russischsprachige Juden.
Geschichte
Die russische Einwanderung gibt es schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts, dabei werden vier Einwanderungswellen unterschieden.
Die erste Welle war die Folge der russischen Revolution 1917. In den 1920er Jahren lebten viele Exilrussen, größtenteils geflohene Gegner der Bolschewiken, Adlige und Bürgerliche, im Deutschen Reich, rund 360.000 allein im Raum Berlin. Aus dieser Zeit rührt die Bezeichnung "Charlottengrad" für Berlin-Charlottenburg. Viele verließen Deutschland nach der Machtergreifung Hitlers.
Zu der zweiten Welle zählen Kriegsgefangene und vor allem Verschleppte im Zweiten Weltkrieg, die nach dem Krieg in Deutschland geblieben sind. Es blieben etwa 200.000 bis 250.000 Verschleppte nach dem Krieg in Deutschland.
Die dritte Welle besteht aus sogenannten Dissidenten - Intellektuelle, deren Werke gegen die Leitlinien der Sowjetunion verstießen und die deswegen in den Westen ins Exil gingen. Oft wurden sie in der Sowjetunion ausgebürgert. Diese Welle hatte ihren Höhepunkt in den 1970er und 1980er Jahren. Außerdem gelang es einigen Russen während des so genannten Kalten Krieges sich in der Bundesrepublik Deutschland niederzulassen.
Die vierte Welle schließlich begann mit der Perestroika 1986. Sie dauerte bis Mitte/Ende der 1990er Jahre an (seit 1995 von Jahr zu Jahr stark abnehmend). In dieser Zeit sind vergleichsweise mehr Menschen als bisher nach Deutschland gekommen. Im Gegensatz zu den bisherigen Einwanderungswellen haben die heutigen Einwanderer aus Russland keine so klare Charakterisierung, die Mischung ist viel bunter. Der größte Teil der nach Deutschland kommenden Russen besteht aus russischen Familienangehörigen von Russlanddeutschen, welche selbst wiederum Wert auf ihre deutsche Nationalität legen, die sie von anderen Einwanderern (auch ihren mitreisenden russischen Verwandten) unterscheidet. Da die Russlanddeutschen Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind und bei der Einreise automatisch bundesdeutsche Staatsbürger werden, können auch die mitreisenden russischen Familienangehörigen als Ehepartner von Deutschen erleichtert eingebürgert werden. Dies gilt für andere nicht-deutsche Einwanderer aus Russland, etwa jüdische Kontingentflüchtlinge, nicht.
Der Rest des Artikels beschäftigt sich mit dieser aktuellen vierten Welle und deren Auswirkungen.
Rechtliche Grundlagen
Seit dem Beginn der Perestroika 1986 zogen erste größere Gruppen von Bürgern der Sowjetunion nach Deutschland. Dabei wird zwischen deutschen Aussiedlern (seit dem 1. Januar 1993 Spätaussiedler) sowie ihren russischen Angehörigen auf der einen Seite und jüdischen Kontingentflüchtlingen auf der anderen Seite unterschieden. Die ausgesiedelten Russlanddeutschen und ihre nicht-deutschen Familienangehörigen werden als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes behandelt. Sie haben daher unmittelbar nach der Einreise einen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft.
Seit 1991 haben jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion die Möglichkeit, als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland einzureisen. Grundlage hierfür ist ein Beschluss der Innenministerkonferenz vom 9. Januar 1991, nach dem das HumHAG (Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge) auf diesen Personenkreis entsprechende Anwendung findet. Das HumHAG ist durch Artikel 15 Abs. 3 Nr. 3 des Zuwanderungsgesetzes außer Kraft getreten. Juden aus der ehemaligen UdSSR außer Estland, Lettland und Litauen werden nach §23 (2) AufenthG aufgenommen. Der Beschluss der Innenministerkonferenz wurde als eine Übereinkunft der Regierung Kohl und des Zentralrates der Juden in Deutschland getroffen.
Die Einreise-Anträge sowohl von Spätaussiedlern als auch Kontingentflüchtlingen werden inzwischen in der deutschen Botschaft des Ausreiselandes gestellt. Die Bearbeitungszeit kann dabei bis zu einigen Jahren betragen.