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Rudolf Berthold (Jagdflieger)

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Rudolf Berthold (* 24. März 1891 in Ditterswind, Unterfranken; † 15. März 1920 in Harburg an der Elbe) war ein deutscher Jagdflieger im Ersten Weltkrieg und Führer eines Freikorps. Nach der Kapitulation seines Freikorps im Zuge des Kapp-Putsches wurde er in Harburg bei Hamburg nach schwerster Mißhandlung ermordet.

Leben

Nach dem Abitur 1910 Eintritt in das Königlich Preußische Infanterieregiment Graf Tauentzien von Wittenberg (3. Brandenburgisches) Nr. 20 (Wittenberg). Am 30. Januar 1912 Beförderung zum Leutnant. 1914 Übertritt zur Fliegertruppe. Während des Ersten Weltkrieges wurde er mit 44 erfolgreichen Luftkämpfen zu einem der legendären Fliegerasse wie v. Richthofen (80 Siege), Udet (62 Siege), Boelcke (40 Siege), Voss (48 Siege) und Immelmann (15 Siege). November 1917 Ernennung zum Hauptmann.

Das Freikorps

1919 gründet er mit Genehmigung der Reichsregierung das "Fränkische Bauerndetachement Eiserne Schar Berthold" - Standort in Bad Kissingen. Das Freikorps erhält Ausrüstung, Verpflegung und Sold aus staatlichen Mitteln. Bereits im September soll die "Eiserne Schar" wieder aufgelöst werden. Dem entzieht sich Berthold und verlegt das Freikorps nach Königsberg. Von dort aus greift die "Eiserne Schar" in die Kämpfe um das Baltikum ein. Daher auch die Bezeichnung "Baltikumer".

Über das Wirken der Berthold-Truppe schreibt Ernst von Salomon, selbst Angehöriger der "Eisernen Schar", in seinem 1930 erscheinenden dokumentarischen Roman "Die Geächteten":

"Wir knallten in überraschte Haufen und tobten und schossen und schlugen und jagten. Wir trieben die Letten wie Hasen übers Feld und warfen Feuer in jedes Haus und pulverten jede Brücke zu Staub und knickten jede Telegraphenstange. Wir schmissen die Leichen in die Brunnen und warfen Handgranaten hinterdrein. Wir erschlugen, was uns in die Hände fiel, wir verbrannten, was brennbar war. Wir sahen rot, wir hatten nichts mehr von menschlichen Gefühlen im Herzen. Wo wir gehaust hatten, da stöhnte der Boden unter der Vernichtung. Wo wir gestürmt hatten, da lagen, wo früher Häuser waren, Schutt, Asche und glimmende Balken, gleich eitrigen Geschwüren im blanken Feld. Eine riesige Rauchfahne bezeichnete unseren Weg ... da brannten die bürgerlichen Tafeln, die Gesetze und Werte der zivilisierten Welt ... Wir zogen zurück, prahlend, berauscht, mit Beute beladen ..."

Teilnahme am Kapp-Putsch

Anfang 1920 wird das Freikorps zur Demobilmachung ins innere Deutschlands verlegt. Im Kehdinger Land bei Stade, vor den Toren Hamburgs, quartiert sich das Korps ein. Berthold widersetzt sich jedoch jedem Befehl zur Entlassung. Er entwickelt eine rege Tätigkeit in nationalistischen Militärkreisen. Dabei sieht er in der Errichtung einer Militärdiktatur nach dem Vorbild Horthys in Ungarn das richtige Ziel. Das sollte unter "offener Flagge des Kampfes gegen den Bolschewismus" stattfinden. Am 11. Februar schreibt ihm sein "gehorsamst ergebener" Vertrauensmann, Leutnant Mayerl: "Hoffentlich vergisst der kommende Diktator nicht, die Juden für vogelfrei zu erklären. - Eine Nacht genügt, um diese Hunde auszurotten. Ich habe für hier schon eine schwarze Liste angelegt, damit auch die 'Richtigen' totgeschlagen werden. Denn es verdienens auch manche Nichtjuden."

Anfang März 1920 verhandelt Berthold in Berlin über die Angliederung seiner Truppe an die III. Marinebrigade (von Löwenfeld). In einem Brief vom 6. März 1920 schreibt er "Was die politischen Verhältnisse angeht, so drängt ja, Gott sei Dank, jetzt alles zur Entscheidung ... Die Verhältnisse haben sich so zugespitzt, dass vielleicht schon in Tagen der große Schlag erfolgt."

Am 13. März 1920 beginnt der Kapp-Putsch. Berthold sah den erwarteten Putsch als zu verfrüht an, meint aber zu seinen Offizieren: "Wir haben versprochen, die gerechte Sache zu unterstützen und werden das auch tun." Der Plan, mit der Truppe von Stade aus mit dem Zug nach Altona zu fahren um sich dort den Putschisten unter Oberst Wangenheim anzuschließen, scheitert zunächst an der Weigerung der Eisenbahner einen Zug zu stellen. Am folgenden Tag erzwingen die Soldaten "unter brutaler Anwendung von Gewalt und Todesbedrohungen, die sich auch auf die Familienangehörigen der Eisenbahnbeamten ausdehnte" - so der Stader Regierungspräsident - die Bereitstellung eines Zuges.

Das erste Ziel Bertholds ist Harburg. In der auf der Strecke nach Hamburg liegenden preußischen Stadt Harburg sind bereits die mit dem Putsch sympathisierenden Offiziere des dort stationierten ca. 900 Mann starken Pionier-Bataillons verhaftet und unter Hausarrest gestellt worden. Berthold beabsichtigt die Wiederherstellung der Befehlsgewalt der Offiziere und die Entfernung aller regierungstreuen Soldaten. Außerdem plant er, seine Leute dort aus Beständen der Reichswehr auszurüsten.

In Harburg sind die Baltikumer gezwungen, in einer Schule Quartier zu beziehen. In Verhandlungen wird Berthold sowohl von sozialdemokratischer als auch von bürgerlicher Seite aufgefordert, mit seiner Truppe ohne Halt direkt nach Berlin zu fahren. Berthold lehnt dies ab. Er macht einen Abzug von Bedingungen abhängig. Daraufhin radikalisiert sich die Stimmung in der Stadt - insbesondere in der Arbeiterschaft.

Die Schule wird von Schaulustigen, Angehörigen des Pionier-Bataillons und von der inzwischen bewaffneten und unter sozialdemokratischer Führung stehenden Einwohnerwehr belagert. Berthold fordert: "Platz frei - es wird geschossen." Mit Maschinengewehr werden Warnschüsse über die Köpfe der Menge gegeben. Das Feuer wird erwidert, worauf von den Baltikumern in die fliehende Menge geschossen wird. Mehrere Menschen brechen tot oder verwundet zusammen. Die Schule wird unter Dauerbeschuss genommen.

Tod Bertholds

Berthold ist zu Kapitulationsverhandlungen gezwungen, die zu dem Ergebnis führen, dass der "Eisernen Schar" nach Abgabe aller Waffen, freier Abzug zurück nach Stade gewährt werden soll. Während der Waffenabgabe fallen wieder Schüsse, "die anscheinend von Baltikumtruppen aus dem Hinterhalt abgegeben" werden - so die bürgerliche "Harburger Anzeigen und Nachrichten" am 16. März 1920. Tatsächlich lässt sich nicht zweifelsfrei klären von welcher Seite die Schüsse abgefeuert werden. Jedenfalls flammt erneut ein Schusswechsel auf. Die Baltikumer müssen wegen Munitionsmangel nach kurzer Zeit das Feuer einstellen. Dennoch hat die Aktion zu einer außerordentlichen Erregung und Erbitterung der überwiegend unbewaffneten Menge geführt.

Geschützt von bewaffneten Arbeitern versucht Berthold in ein Lokal zu fliehen. Ein Teil der wütenden Menge verfolgt sie und holt Berthold aus dem Gebäude heraus. Als er auf der Straße geschlagen und getreten wird, zieht Berthold eine kleine Pistole, um sich zu verteidigen. Die Pistole wird ihm jedoch entrissen und damit auf ihn geschossen. Außerdem treffen ihn zwei Gewehrschüsse. Der am 16. März 1920 ausgestellte Totenschein wie auch der Obduktionsbericht verzeichnet zwar schwere, jedoch keineswegs tödliche Quetschungen durch Schläge, Tritte und möglicherweise Kolbenhiebe. Getötet wird er durch die Schüsse.

Während die Baltikumer außer Berthold 10 Tote verzeichnen, fallen auf Seiten der Harburger 14 Personen. Beide Seiten haben jeweils etwa 20 zum Teil schwer Verletzte.

Berthold wurde auf dem Berliner Invalidenfriedhof beigesetzt. Sein Grabstein, eine bronzene Platte, verschwand nach 1945. Heute erinnert ein erneuerter Stein an ihn.

Der neue Grabstein auf dem Invalidenfriedhof.

In der NS-Zeit erscheinen verschiedene, die Ereignisse verfälschend darstellende Publikationen. Von einer durch "vertierte Weiber" durchschnittenen Kehle oder gar einem abgeschlagenen Kopf kann keine Rede sein. Auch in der Zeit nach 1945 werden die Ereignisse häufig vor allem als "Lynchjustiz an Hauptmann Berthold" behandelt. Selbst die Mär von dem abgeschlagenen Kopf findet sich wieder. Auch heute noch wird mitunter berichtet, dass er von kommunistischen Kräften mit dem Ordensband seines Pour le Mérite erwürgt worden sei.

1980 werden mit einer Darstellung in "die anderen" (siehe Literatur und Quellen) erstmals nach der NS-Zeit die Ereignisse in Harburg als eigenständiger Beitrag zur Abwehr des Kapp-Putsches beschrieben.

In der Zeit nach 1933 wurden für Berthold verschiedene Gedenksteine errichtet. Während der vor der Schule errichtete Stein nach Ende des Krieges entfernt wurde und seither verschollen ist, existiert der Stein auf dem "Neuen Friedhof" nach wie vor. Dort heißt es: "Naer Oostland wyllen wy ryden".

Literatur und Quellen

  • Jörg Berlin: "Lynchjustiz an Hauptmann Berthold" oder Abwehr des Kapp-Putsches? Die Ereignisse in Harburg im März 1920, in: Das andere Hamburg. Freiheitliche Bestrebungen in der Hansestadt seit dem Spätmittelalter. Köln 1981. S. 209ff
  • Klaus-Dieter Brügmann u.a.: die anderen. Widerstand und Verfolgung in Harburg und Wilhelmsburg. Zeugnisse und Berichte 1933 - 1945, Hamburg 1980. S. 12ff
  • Emil Julius Gumbel: Verschwörer. Zur Geschichte und Soziologie der deutschen Geheimbünde 1918 - 1924, Wien 1924 (Reprint 1971). Darin Briefe an Berthold (bei Gumbel fälschlich Berchthold), die nach seinem Tod bei ihm gefunden wurden.
  • Ernst von Salomon: Die Geächteten. (hier zitiert nach der bei C. Bertelsmann ca. 1940 erschienenen Ausgabe, S. 167f)
  • Ludwig F. Gengler: Rudolf Berthold. Sieger in 44 Luftschlachten. Erschlagen im Bruderkampfe für Deutschlands Freiheit. Mit einem Geleitwort von Hermann Göring, Preußischer Ministerpräsident und Reichsminister für Luftfahrt, General der Infanterie. Berlin 1934
  • Dominique Venner: Söldner ohne Sold. Die deutschen Freikorps 1918 - 1923. Wien - Berlin, 1974