Ligatur (Typografie)
Eine Ligatur ist eine Buchstabenverbindung. Sie hat sich historisch entweder durch schnelle Schreibweise häufig genutzter Zeichen gebildet oder wurde zur optischen Korrektur anders als die Einzelzeichen geschrieben.
Ein weiterer Grund für die Entwicklung von Ligaturen ist in den Wurzeln der typografischen Arbeit, im Bleisatz zu finden. Hier wurden häufig verwendete Buchstabenkombinationen zu einem Buchstaben, also zu einem Schriftkegel zusammengefasst um Blei-Material, Zeit und Arbeit zu sparen. Die bekanntesten Ligaturen im klassischen Bleisatz sind: ch, ck, ff, fi, fl, ft, ll, sch, si, sl, ss, st, tt und tz.
Ein bekanntes Beispiel für eine Ligatur ist das &-Zeichen. Ursprünglich wurde es als Einzelbuchstabe et geschrieben.
In der Schreibschrift hat es sich zunächst in eine Darstellung entwickelt, in der der Bogen vom kleinen e in den Stamm des kleinen t übergeht. Wenn das E groß geschrieben wird, ergibt sich |
Daraus hat sich durch weitere Vereinfachung das heute bekannte Kaufmanns-Und gebildet: |
Eine andere Art von Ligaturen ist beim ß oder bei den Buchstabenkombinaten ff und fl zu beachten.
Hier einmal ohne Ligaturen | Datei:Keine ligaturen.png |
und mit Ligaturen | Datei:Ligaturen.png |
Die Anzahl der Ligaturen ist bei verschiedenen Schriftarten unterschiedlich. Die Ligaturen werden üblicherweise typografisch gestaltet und bilden nicht nur eine einfache Verkleinerung der Laufweite, wie man auch beim genauen Betrachten der angegebenen Beispiele sehen kann.
Ein Grund für die Zusammenführung der Zeichen ist die Vermeidung von optischen Lücken, die beim schnellen und angenehmen Lesen stören würden.
Ligatur und Schriftsystem
Eine Ligatur ist ein Element der grafischen Oberflächenstruktur der geschriebenen Sprache. Das heißt, dass sie nicht notwendiger Bestandteil eines Schriftsystems, einer Orthographie ist. Ihre Verwendung folgt allein typografischen Regeln, die der optischen/ästhetischen Gestaltung dienen, ohne für die Bedeutungsunterscheidung von Wörtern notwendig zu sein. Für das Funktionieren der deutschen Orthografie ist es zum Beispiel nicht notwendig, knifflig mit Ligatur zu schreiben. Die Verwendung von Ligaturen ist in keiner europäischen Sprache orthografisch vorgeschrieben, sie ist ein Stilmittel und von Schriftart zu Schriftart unterschiedlich. Ligaturen sind demnach keine Grafeme eines Schriftsystems.
(Diese grafematische Einstufung des Begriffs hat seine Parallele in der fonologischen Bewertung von Phänomenen wie die eines silbischen [n] in reden. Das silbische [n] ist Element der fonetischen Oberflächenstruktur, es ist kein eigenes Fonem des Deutschen; fonologisch basiert es auf der Fonemverbindung /ən/.)
Von diesen "echten", synchron als solche verwendeten Ligaturen sind Einheiten eines Schriftsystems zu unterscheiden, die ursprünglich (diachron) aus Ligaturen entstanden sind (vgl. auch die Entwicklung des lateinischen Alphabets). Zu diesen zählen Buchstaben wie w, ß, æ, œ und Zeichen wie & und % (vgl.u.). Die Verwendung solcher Buchstaben unterliegt orthografischen Regelungen, sie sind kleinste bedeutungsunterscheidende Einheiten eines Schriftsystems und damit Grafeme wie andere Buchstaben auch.
Die früheren Ligaturen w und ß
Die im Deutschen am häufigsten verwendeten früheren Ligaturen sind das w und das so genannte Eszett oder scharfe s, manchmal auch spitzes s oder Dreier-S genannt. Obwohl w und ß historisch Ligaturen sind, werden sie heute als Buchstaben (Grafeme) betrachtet und behandelt. Während w im Deutschen selbstverständlich als einzelner Buchstabe betrachtet wird (vgl. aber die in anderen Sprachen vorkommenden Bezeichnungen "Doppel-u" bzw. "Doppel-v" und im Schwedischen seine alphabetische Einordnung beim Buchstaben v), scheint die Entwicklung beim ß noch nicht endgültig abgeschlossen (es fehlt z.B. nach wie vor ein Großbuchstabe).
In der Schweizer Orthografie des Deutschen wird ß dagegen - wenn überhaupt - als "echte" Ligatur (und zwar als orthografisch nicht obligatorische Variante von ss) verwendet. Das ist darin begründet, daß in der schweizerdeutschen Aussprache Artikulationsgrenzen zwischen den beiden s häufig vorkommen. In der bundesdeutschen und österreichischen Aussprache ist dies ausgeschlossen.
w hat sich als Ligatur aus zwei u bzw. v entwickelt (in dieser Zeit wurde noch nicht strikt zwischen den Buchstaben u und v unterschieden).
Das deutsche ß ist eine alte lateinische Ligatur aus langem ſ und rundem s (Schluß-s in der deutschen Kurrentschrift, in Sütterlin und in Fraktur). Voll ausgeprägt findet man es auch in italienischen Drucken des 15. Jahrhunderts. Als das lange ſ im Lauf des 18. Jahrhunderts außer Gebrauch geriet, wurde auch die ſs-Ligatur in nicht deutschen Schriften nicht mehr verwendet. Als im 19. Jahrhundert die Antiqua-Schriften zunehmend auch für den deutschen Druck verwendet wurde, war die Schreibweise des ß uneinheitlich. Die Gebrüder Grimm schrieben sz. ſs, nicht als Ligatur, war durchaus üblich. Letztlich hat sich hier die ursprüngliche alte Form, wie wir sie heute kennen, durchgesetzt.
Das Z ist erst im Mittelalter in die lateinische Schrift aus dem Griechischen übernommen worden zur Darstellung des stimmlosen S. Diese Schreibweise des S-Lautes hat sich im Namen des Buchstaben und in den Buchstabenformen der gebrochenen Schriften bis heute gehalten.
Durch die noch nicht noch nicht verbindliche Rechtschreibreform fallen viele Eszets am Wortende weg. Hier empfiehlt der Duden für den Fraktursatz die Schreibweise mit langem und rundem S.

Der Typograph Jan Tschichold versuchte herzuleiten, dass auch das deutsche ß aus den gebrochenen Schriften auf eine Ligatur aus einem langen ſ und einem kurzen s zurück gehe. Diese Ansicht hat sich weit verbreitet, obwohl sie von keinem einzigen stichhaltigen Argument gestützt wird. Tschichold beschränkt sich nämlich auf eine selbstgezeichnete Grafik, anhand derer er die angebliche, aber unbewiesene Verschmelzung von ſ und s in der Fraktur darstellt, und auf einen zwar richtigen, aber gegenstandslosen Hinweis auf die ſs-Ligatur in französischen Antiqua-Schriften des 18. Jahrhunderts.
Weitere ehemalige Ligaturen
Ähnlich wie w, ß und das &-Zeichen entstand auch das % aus einer Ligatur der Buchstaben cto für cento (ital. hundert).
Ligaturen im Schriftsatz
Im Satz mit gebrochenen Schriften und auch beim Satz von Antiquaschriften werden mehrere Ligaturen verwendet. Dies ist der Fall, wenn zwei Buchstaben mit Oberlänge (f, i, l, ſ, t) aufeinandertreffen. Folgende Verbindungen sind möglich:
f+f, f+i, f+l, f+t
ſ+i, ſ+ſ, ſ+t; ſ+c+h
l+l, t+t
In skandinavischen Texten findet man außerdem die im Deutschen unbekannten Verbindungen ſ+k und ſ+l.
Der Gebrauch der oben genannten Ligaturen unterliegt allein dem ästhetischen Gefühl des Schreibers. Im Gegensatz dazu gibt es im deutschen Text drei so genannte Zwangsligaturen beim Satz mit gebrochenen Schriften, wobei diese Verbindungen einen phonologischen Hintergrund haben:
c+h, c+k, t+z
Das ch bezeichnet im Deutschen zwei eigene Laute (den ich- und den ach-Laut), während ck und tz anstelle von kk und zz geschrieben werden. ch und ck finden sich ebenfalls im deutschen Antiqua-Satz bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Wenn c und k getrennt gesprochen werden, wie zum Beispiel in einigen Namen, wurde jedoch keine Ligatur verwendet. Ligaturen werden nicht über eine Wortfuge hinweg gebunden, vergleiche Kauf-leute und Kau-fläche, letzteres mit Ligatur, aber das fällt nur sehr sorgfältigen Lesern auf.
Ligaturen im Computersatz
Der Computersatz erlaubt eine fast beliebige Positionierung der Buchstaben. Deshalb ist es möglich, den Abstand zwischen zwei Zeichen einzustellen und in vielen Fällen auf Ligaturen zu verzichten. Die ß-Ligatur wird standardmäßig verwendet und als ein Buchstabe behandelt. In guten Fonts sind spezielle Ligaturen vorhanden. Die anderen Ligaturen werden durch entsprechende Positionierung der typografischen Zeichen emuliert.
Neue Satzprogramme wie Adobe InDesign 2.0 setzen, soweit im Schriftsatz vorhanden, automatisch Ligaturen. Diese Ligaturen werden intern nicht als ein Sonderzeichen sondern weiterhin als getrennte Buchstaben behandelt, so dass eine Rechtschreibprüfung problemlos möglich ist.
Bei Microsoft Word hingegen müssen Ligaturen als Sonderzeichen eingefügt werden und verwirren die Rechtschreibprüfung. Das Emulieren von Ligaturen aus mehreren Einzelzeichen gelingt dann gut, wenn das Schriftdesign des Fonts darauf bereits angepasst ist. In OpenType sind Ligaturen vorgesehen und können problemlos eingesetzt werden, wenn das Satz- oder Schreibprogramm OpenType unterstützt (bisher tut das nur InDesign).
Schwierigkeiten können sich bei der Rechtschreibprüfung ergeben. Selbst einige Satzprogramme unterstützen die Verwendung von Ligaturen nur in recht aufwändiger Weise. Einige Satzprogramme (zum Beispiel TeX) verlagern die Verwendung von Ligaturen in den Ausgabeprozess. Das kann das Problem nur teilweise lösen, da es kontextabhängig ist, ob ein Zeichen als Ligatur gesetzt werden muss oder nicht. Der Setzer muss explizit angeben können, ob eine Ligatur gesetzt werden soll oder nicht (bei TeX z.B. »Kauf\/leute« zur Unterbindung der automatischen Ligatur). Wenn beim Buchsatz Wert auf gutes Aussehen gelegt wird, ist die Verwendung von Ligaturen zwingend notwendig.
Ungewollte »Ligaturen« können entstehen, wenn Buchstaben zu eng zusammengerückt werden. Dieses unbeabsichtigte Zusammenstoßen ist zu vermeiden. Gute Fonts enthalten entsprechende Informationen zur Optimierung der Darstellung im Druckraster, wie zum Beispiel Hints.
Ligaturen in anderen Schriften
Nicht nur in der lateinischen Schrift gibt es Ligaturen, auch in vielen anderen sind sie vorhanden. Einige Schriften werden grundsätzlich nur wortweise verbunden geschrieben und gedruckt, wie z.B. mongolisch, arabisch und viele Abkömmlinge der Brāhmī-Schrift. Hier folgt der Einsatz unverzichtbarer bedeutungstragender Ligaturen teilweise recht komplizierten Regeln.
In der arabischen Schrift ist die Form des Zeichens vom Kontext abhängig. Für jeden Buchstaben gibt es vier verschiedene Formen: alleinstehend, initial, medial und final.
Bei Devanagari, einem Brahmi-Abkömmling, wird Vokallosigkeit des Konsonanten in Konsonantengruppen durch Ligatur, am Wortende durch Virama bezeichnet.
Literatur
- Jan Tschichold: Meisterbuch der Schrift, Ravensburg, 1952, 2. Aufl. 1965
- Albert Kapr: Schriftkunst, Dresden, 1971, 1996
- Georg Kandler: Erinnerungen an den Bleisatz, Band 1 (1995) und Band 2 (2001), Minner Verlag, Kornwestheim
- Carl Faulmann: Das Buch der Schrift, Wien 1880 (Nachdrucke sind erhältlich)
- Robert Bringhurst: The Elements of Typographic Style (zweite Auflage, 2002), Hartley & Marks
Weblinks
- Die deutsche Rechtschreibung (PDF)
- Eszett, Umlaute und deren Sortierung
- Wilfried Kürschner Der Buchstabe ß - Form und Name
- Heinrich Tischner: Esszett
- Hindi, Dokumentation der Sprache
- [1]