Zählen
Zählen bezeichnet das Aufsagen der Zahlwörter in einer festgelegten Reihenfolge: „eins“, „zwei“, „drei“, „vier“, „fünf“, „sechs“, „sieben“, „acht“, „neun“, „zehn“, „elf“, „zwölf“, „dreizehn“ und so weiter. Kinder demonstrieren so ihre Kenntnis der Zahlennamen und ihrer Reihenfolge im Dezimalsystem. Ebenfalls messen sie die verstreichende Zeit durch Zählen (Countdown). Das zugehörige Substantiv Zählung bezeichnet den Zählvorgang oder dessen Ergebnis (z. B. eine Volkszählung). Das Abzählen der Anzahl von vorher definierten Einheiten (Normalen) bezeichnet man als Messung; es dient zur Bestimmung kontinuierlicher Größen.
Nähere Bestimmung
Im Allgemeinen wird durch Zählen die Anzahl einer (endlichen) Menge von Objekten festgestellt, indem man, angefangen mit 1, nacheinander jedem Objekt die nächste natürliche Zahl zuordnet, bis keine Objekte mehr übrig bleiben (mittels einer Bijektion). Die zuletzt zugeordnete Zahl liefert die gesuchte Anzahl. Manche Menschen, besonders Kinder, nehmen dabei die Hände zur Hilfe, um sich nicht zu verzählen. (siehe auch: Handzähler)
Die Größe einer unendlichen Menge kann nicht mehr durch Zählen festgestellt werden, als Ersatz dient das mathematische Konzept der Mächtigkeit.
Mathematisch wird dieser Aspekt im Artikel Kardinalzahlen behandelt.
Der Mensch ist in der Lage mehrere Objekte simultan zu erfassen, ohne sie abzählen zu müssen. Um das Zählen zu beschleunigen wird oft nicht jedem einzelnen Objekt die nächste Zahl zugeordnet (entsprechend der Addition von 1), sondern Zweier- oder Fünfer-Gruppen aufsummiert (Addition von 2 oder 5): „Fünf“,„zehn“,„fünfzehn“,„zwanzig“, ...
Ist über die Anzahl auch die Reihenfolge oder der Rang der Objekte von Bedeutung spricht man von Ordinalzahlen.
Beim Nummerieren (im Gegensatz zum Zählen) werden Zahlen zum Unterscheiden und nicht zum Zählen verwendet, manchmal ist es dann zweckmäßig, Zahlen auszulassen. Die Nummer des Objekts ist dann jedoch nicht mehr identisch mit seinem Rang. Beispiel: In Identifikationsnummern für Personen (Versicherungen, Personalausweise etc.) werden Geburtsdaten in die Nummer kodiert, wie etwa 10000024121928. Nummern wie 10000032121928 werden nicht vergeben.
In manchen Situationen in Mathematik und Informatik erweist es sich als sinnvoll, mit dem Zählen oder Nummerieren bei 0 zu beginnen, zum Beispiel bei Speicherzellen oder bei Arrays in den meisten Programmiersprachen. Man kennt das auch von Häusern: Das erste Geschoss steht über dem Erdgeschoss (der 0. Etage). Darunter befindet sich der Keller (-1. Etage). Raumnummern innerhalb einer Etage fangen bei 0 an (00 = Toilette). Wenn man 100 Räume pro Etage hat, und man die Räume in der untersten mit 0 bis 99 durchnummeriert und die darüber mit 100 bis 199, ist die 100er-Stelle der Raumnummern gleich der Etage, ohne dass man Nummern auslassen muss.
Zur Biosoziologie des Zählens

Zählen ist eine sprachliche Fertigkeit, die im strengen Sinn vermutlich erst der Mensch im Lauf seiner biosozialen Phylogenese (Stammesentwicklung) erworben hat. Tiere, etwa Vögel, können nach dieser Annahme wohl bemerken, dass bei kleinen Anzahlen (z. B. ihrer Eier) eins 'fehlt', aber sie können noch nicht durchzählen. Da - nach Dieter Claessens - für den Menschen diesseits des Tier-Mensch-Übergangsfeldes zunächst buchstäblich "kein Ei wie das andere aussah",[1] gehört zum Zählen ein geschärftes Abstraktionsvermögen (siehe auch Biosoziologie).
Dass etwas paarweise auftritt (Augen, Ohren, Hände), musste noch nicht notwendig dazu führen, dass Menschen auf das "Zählen" mit Hilfe von Zahlen kamen. Denn als Erstes musste sich ihnen die Doppelung - die Zwei - körperlich und konkret aufdrängen. Eine sprachliche Alternative zum Zählen ist hier der Dual, die "Zweizahl", die neben den Singular (die "Einzahl") tritt und alle Substantiv- und Verbformen entsprechend durchzieht. Die (zunächst anzunehmende) enge Bindung dieser Form der Zweizahl an den achsensymmetrischen menschlichen Leib und das allgemeine Auftreten des Duals in allen insoweit erschlossenen indoeuropäischen Sprachen lassen darauf folgern, dass man in seiner Entstehungszeit noch nicht oder nur mühsam über die Zwei hinaus "bis Drei zählen" konnte. Vielerlei gleich zu setzen, um es dann zu zählen, erfordert eine neuartige Abstraktionsleistung. Daraus folgt wiederum, dass vermutlich der Dual historisch älter als der Plural (die "Mehrzahl") ist.
Auch liegt, wenn sich die "Zweizahl" in der Überlebenspraxis als unzureichend bemerkbar macht, die alsbaldige 'Erfindung' des "Plurals" immer noch nicht zwingend nahe. In einigen Sprachen wurden als Numerus analog zum Dual erst noch die "Dreizahl" (der Trial), sogar dann noch die "Vierzahl" (der Quadral) und der 'kleine Plural' (der Paukal) entwickelt.
Die Inklusivzählung
Abstände, Distanzen und Zeiträume wurden von der Antike bis in nachmittelalterliche Zeit hinein nach der "Inklusivzählung" gezählt. Das bedeutet, dass bei wiederkehren Intervallen der erste Intervallabschnitt des Folgeintervalls mitgezählt wird. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Oktave in der Musik, die wie die Tagewoche 7 Töne umfasst obwohl beim Spielen der Tonleiter 8 Töne gespielt werden, da der erste Ton des Folgeintervalls mitgespielt wird.
Beispiele hierfür, die noch heute unseren Sprachgebrauch bestimmen sind:
Zählung von Tagen
Normalerweise gilt heute für Angaben wie "in x Tagen", dass der heutige Tag nicht mitgerechnet wird. Man sagt zum Beispiel nicht "in 2 Tagen" wenn "morgen" gemeint ist. Jedoch ist es im deutschen Sprachraum aus historischen Gründen weit verbreitet, „in acht Tagen“ zu sagen, wenn eine Woche (sieben Tage) gemeint ist. Eine Analogie existiert im Französischen mit „quinze jours“, zu deutsch „fünfzehn Tage“, als Bezeichnung für zwei Wochen, ebenso im Griechischen („δεκαπενθήμερο“) und im Spanischen („quincena“).
Ein anderes bekanntes Beispiel findet sich in der Bibel. Jesus Christus ist "am dritten Tage auferstanden" - obwohl er am Freitag Nachmittag starb und am Samstag Abend (in der Nacht auf den Sonntag) auferstand. Auch dies ist ein Beispiel für die antike Inklusivzählung: Der Sonntag (die Samstagnacht zählt im Judentum zum Sonntag) kommt zwei Tage nach dem Freitag - entsprechend der früher üblichen Inklusivzählung ist er somit der "dritte Tag".
Weitere Beispiele:
- Im Römischen Kalender waren die Nonen (was "neun" bedeutet) acht Tage vor den Iden (und nicht neun)
- Christi Himmelfahrt wird 39 Tage nach Ostern gefeiert, die jedoch als "40 Tage" bezeichnet werden, da der Ostersonntag mitgezählt wird
- Pfingsten wird 49 Tage nach Ostern gefeiert und nicht 50 (dito)
Zählung von Jahren und Jahrhunderten
Die Historische Chronologie hat immer wieder mit dem Problem der Inklusivzählung zu kämpfen. So können beispielsweise die überlieferten Regierungsjahre von Herrschern nicht einfach addiert werden, weil diejenigen Jahre, an denen ein Herrscherwechsel stattfand, doppelt gezählt wurden.
Intervalle in der Musik
Auch bei musikalischen Intervallen wird aus historischen Gründen - obwohl das lateinische Wort intervallum "Zwischenraum" bedeutet - sowohl der Anfangs- als auch der Endeton bei der Benennung mitgezählt. Daher hat die Prime den Abstand 0 Töne, die Sekunde den Abstand 1 Ton, die Terz den Abstand 2 Töne, die Quarte den Abstand 3 Töne, die Quinte den Abstand 4 Töne, die Sexte den Abstand 5 Töne, die Septime den Abstand 6 Töne und Oktave den Abstand von 7 Tönen.
Beispiel der Intervalle vom C aus:
C D E F G A H C 7 1 2 3 4 5 6 7
Dass der in der Musik übliche Name jedes Intervalls um 1 zu groß ist, sieht man unter anderem bei der Addition von Intervallen. Eine Quarte und eine Quinte ergeben zusammen eine Oktave. Aber 4 + 5 ist nicht 8 – vielmehr ist 3 + 4 = 7.
Quellen
- ↑ Dieter Claessens: Das Konkrete und das Abstrakte. Soziologische Skizzen zur Anthropologie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-518-07329-X