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Sozialismus

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Der Sozialismus ist eine der im 19. Jahrhundert entstandenen drei großen politischen Ideologien neben dem Liberalismus und Konservatismus. Sozialisten betonen besonders die Grundwerte Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität und legen meist Wert auf eine enge Wechselbeziehung zwischen praktischen sozialen Bewegungen und theoretischer Gesellschaftskritik, um beide miteinander in Richtung einer gerechten Wirtschafts- und Sozialordnung weiterzuentwickeln.

Überblick

In der Theorie des 'klassischen' Sozialismus wird die Auffassung vertreten, dass die Profitinteressen der Kapitaleigner die Produktion im Ergebnis nicht nach dem Bedarf der Gesellschaft ausrichten. Profitinteresse bringe privates Kapital dazu, sich in wenigen Händen zu konzentrieren. Diese Entwicklung führe zu einer finanziellen Oligarchie, deren Macht auch von einer demokratischen Gesellschaft immer weniger kontrolliert werden könne. Daraus wird in der Theorie des klassischen Sozialismus der Schluss gezogen, dass es notwendig sei, die Produktionsmittel mittels Vergesellschaftung oder Verstaatlichung (beispielsweise von Industrieunternehmen) der Verfügungsgewalt der Klasse der Kapitalisten zu entziehen. Die Verteilung von Gütern soll nach Auffassung des klassischen Sozialismus nicht über den Markt, sondern durch staatliche Lenkung (siehe Planwirtschaft) erfolgen.

Im Unterschied zum Liberalismus bezieht sich die sozialistische Theorie nicht allein auf Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz, sondern auf die materielle Gleichheit im Ergebnis (gleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums), im Idealfall mit dem Ziel einer klassenlosen Gesellschaft. Freiheit wird als Möglichkeit zur Emanzipation verstanden, die sich nur durch eine soziale Integration aller Menschen in die Gesellschaft erreichen lasse. Der Sozialtheoretiker Karl Marx ging davon aus, dass nach der Weltrevolution der Staatsapparat mit der Zeit überflüssig sein und absterben werde (ausführlicher erläutert in Lenins Staat und Revolution). Der Staat habe vor allem die Aufgabe, die erwirtschafteten Güter zum Wohle aller sozial gerecht zu verteilen.

Die Theorie des sozialistischen Anarchismus hingegen lehnt staatliche Strukturen als Herrschaftsinstrument ab. Der Anarchismus baut auf die freiwillige Verbindung der Individuen in Kollektiven, Räten und Kommunen, um dieselben Ziele zu erreichen. Insofern versucht der Anarchismus eine Synthese zwischen individueller Freiheit und kollektiver Verantwortung.

Eine explizit sozialistische Bewegung entwickelte sich erst in Folge von Aufklärung und industrieller Revolution zwischen Ende des 18. Jahrhunderts und Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie war eng verwoben mit der Entstehung der Arbeiterbewegung. Wie bei allen -ismen trat der Sozialismus historisch in vielfältigen Formen auf: Von den genossenschaftlichen Ideen der Frühsozialisten über die parteipolitische Organisation in sozialdemokratischen, sozialistischen und danach Kommunistischen Parteien, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts oft unterschiedliche Ausprägungen annahmen, bis hin zu den verschiedenen Auslegungen des sozialistischen Anarchismus. Inwieweit die moderne Sozialdemokratie, die sich in einigen Staaten (Großbritannien, Deutschland u.a.) teilweise den Ideen der sozialen Marktwirtschaft gegenüber geöffnet hat, noch als sozialistisch betrachtet werden kann, ist hingegen umstritten.

Frühsozialismus

Thomas Morus (Utopia) und Jean-Jacques Rousseau werden von vielen Sozialisten als gedankliche Vorläufer bezeichnet.

Gerade in der Ausbildung des eigentlichen Sozialismus gab es vielfältige Varianten. Frühsozialisten wie François Noël Babeuf, Claude-Henri Comte de Saint-Simon, Louis-Auguste Blanqui, Charles Fourier, Pierre-Joseph Proudhon, William Godwin, Robert Owen oder Moses Hess legten politische Konzepte von quasi-absolutistischen Diktaturen bis hin zu einem anarchistischen Föderalismus vor. Einig waren sie sich einerseits in einer abwehrenden Reaktion gegen Effekte des Frühkapitalismus wie in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, die mittelalterliche Standesunterschiede ebenso überwinden würde wie neuere Klassengegensätze. Oftmals argumentierten sie sehr moralisch, eine sozialwissenschaftlich inspirierte Analyse wie sie von Marx geleistet wurde, fehlte.

Sozialstrukturell gesehen wurde der Frühsozialismus nicht von der Arbeiterklasse getragen, sondern von Handwerkern und Kleinbürgertum. Diese begannen bereits die Verwerfungen der industriellen Revolution zu spüren, ohne dass es schon zur Bildung eines Industrieproletariats gekommen wäre.

Einige wie Robert Owen versuchten den Aufbau abgeschlossener sozialistischer Gemeinschaften in einer so empfundenen feindlichen Umwelt. Die meisten Sozialisten zielten auf eine grundlegende Veränderung der gesamten Gesellschaft.

Sozialistisch inspirierte Aktivisten beteiligten sich an der französischen Revolution von 1789 bis 1799 und an den im wesentlichen als bürgerlich geltenden europäischen Revolutionen bis 1848/1849 (siehe Julirevolution 1830, Februarrevolution 1848 und Märzrevolution 1848/1849); einen letzten Höhepunkt im 19. Jahrhundert hatten diese frühsozialistischen Bewegungen in der Pariser Kommune von 1871, die als erste proletarische Revolution gilt und die schon nach kurzer Zeit blutig niedergeschlagen wurde.

Durch die historische Entwicklung bedingt wurden die Diskussionslinien danach klarer: Die vielfältigen Ansätze des Frühsozialismus spalteten sich in drei Hauptlinien, den Anarchismus und die vom Marxismus inspirierten kommunistischen und sozialdemokratischen Bewegungen. Vereinzelt, wie im 20. Jahrhundert bei den russischen Revolutionen von 1905 und der Februarrevolution 1917 (bei der Oktoberrevolution 1917 nur noch sehr bedingt), der Münchner Räterepublik 1919 oder dem spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 kam es zur Zusammenarbeit der drei Gruppen. Diese war jedoch jeweils nur kurzfristig, meist von heftigen internen Auseinandersetzungen geprägt und endete im Sieg einer Gruppe oder der Niederlage aller.

Siehe auch: Utopischer Sozialismus

Marxistischer Sozialismus

Der Marxismus hatte lange Zeit die Deutungshoheit in der sozialistischen Bewegung. Seit dem Verfall der ersten Internationale 1876, über den größten Teil des gesamten 20. Jahrhunderts, wurden Diskussionen innerhalb des und über den Sozialismus überwiegend mit den von Karl Marx und Friedrich Engels analytischen Begriffen geführt. Wobei ihre Ansätze häufig verkürzt aufgenommen wurden ("Vulgärmarxismus") und bis heute das Bild „des“ Marxismus in der Öffentlichkeit prägen.

Die marxistischen Intellektuellen betrachteten den Frühsozialismus als 'Utopischen Sozialismus' und stellten ihm den Marxismus als 'wissenschaftlicher Sozialismus' gegenüber. Aus diesem Anspruch entwickelt sich ein erstes Modell weltgeschichtlicher Entwicklungsmöglichkeit: Da der Kommunismus nicht unmittelbar zu erreichen ist, sei der Sozialismus eine erste (niedere) Phase des Kommunismus. Die Entwicklung über den Sozialismus zum Kommunismus sei unvermeidlich. Ziel des Kommunismus wie des Sozialismus ist die Überwindung des Kapitalismus und die Befreiung des Menschen von der Ausbeutung durch den Menschen. Nach Karl Marx ist die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln in der Diktatur des Proletariats (Sozialismus) die ökonomische Voraussetzung der klassenlosen Gesellschaft (Kommunismus). Im Manifest der Kommunistischen Partei fordern Marx und Engels die Verstaatlichung aller Produktionsinstrumente: „Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.“ (Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4: 481)

In der ersten Phase der revolutionären Umgestaltung (dem Sozialismus) seien noch nicht alle Merkmale der bürgerlichen Gesellschaft (vgl. Bourgeoisie) überwunden, aber Ausbeutung und das Privateigentum an Produktionsmitteln sind bereits weitestgehend aufgehoben. Dabei wird von einem nebeneinander existieren beider Produktionsweisen ausgegangen, in deren Entwicklung die kapitalistische von der kommunistischen Produktionsweise langsam abgelöst wird. Diese Entwicklung führt letztendlich zum Kommunismus. Marx dazu: „Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter.“

Sozialismus kann mit dem Schlagwort „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“ beschrieben werden, im folgenden Kommunismus soll der Grundsatz „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ gelten.

Während Marx selbst noch eine ausgefeilte sozialwissenschaftliche Methode benutzte, um seine Analysen zu belegen, geriet seine Theorie immer mehr zum politischen Machtinstrument. In seinem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit schon gegebene Absolutheitsanspruch wurde nach der Machtübernahme sozialistischer Bewegungen immer mehr zum Mittel, um (politisch gewünschte) wahre Weltanschauung und (politisch unerwünschte) falsche Ideologie zu unterscheiden.

Realsozialismus

Siehe auch den Hauptartikel Realsozialismus.

Der Begriff des Realsozialismus bzw. auch „Real existierender Sozialismus“ wurde in den sich „realsozialistisch“ nennenden Staaten geprägt, die von der Kommunistischen Partei der jeweiligen Länder in der Regel in Ein-Parteien-Systemen regiert wurden. Zu ihnen gehörten insbesondere die UdSSR mit der KPdSU an der Spitze, und die ab Mitte/Ende der 1940er Jahre an ihr ausgerichteten Staaten des so genannten europäischen Ostblocks: Polen, ČSSR, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, DDR; aber auch andere Staaten wie etwa die Mongolische Volksrepublik (Mongolei von 1924 bis 1992). Weiterhin bestehen bis heute einige weitere sehr unterschiedliche, sich teilweise widersprechende von manchen als realsozialistisch bezeichnete Systeme, beispielsweise in der Volksrepublik China (seit 1949), im nach dem Vietnamkrieg vereinigten Vietnam (spätestens seit 1975), Laos (seit 1975), Kuba (seit 1959) oder Nord-Korea (seit 1948). In der Mongolei wurde die reformiert kommunistische MRVP auch unter pluralistisch-demokratischen Vorzeichen von 1992 bis 1996 und erneut im Jahr 2000 wieder an die Regierung gewählt, ebenso die Kommunistische Partei der Republik Moldawien, die unter pluralistischen Vorzeichen seit 2001 in Moldawien regiert, aber (trotz ihren Namens) keine sozialistische Politik betreibt.

Mit der Oktoberrevolution 1917 in Russland bot sich die Gelegenheit, die Ideen des Sozialismus in die Praxis umzusetzen. Nach der Oktoberrevolution bildeten sich weltweit kommunistische Parteien, die zumeist aus Abspaltungen von schon bestehenden gemäßigt reformorientierten sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien hervorgingen.

Der Begriff des Realsozialismus sollte erklären, warum viele Vorhersagen der Marxschen Theorie wie zum Beispiel die Weltrevolution und die rasche Entwicklung größeren Wohlstands in den sozialistischen Staaten nicht eintraten. Er sollte weiterhin darauf hinweisen, dass sich diese Staaten weiterhin auf dem Weg zum Kommunismus befanden, allerdings mit Problemen der Realpolitik zu kämpfen hatten.

Stalin vertrat die Theorie, dass anstatt einer Weltrevolution, die in allen Ländern gleichzeitig hätte stattfinden sollen, zuerst der Sozialismus in einem Land, im konkreten historischen Fall der Sowjetunion aufgebaut werden könne und solle.

Spätestens seitdem sich Stalin nach dem Tode Lenins gegen dessen Willen in der Sowjetunion gegen Trotzki durchgesetzt hatte, wurden die utopischen Hoffnungen der sozialistischen Bewegungen in den realsozialistischen Staaten de facto aufgegeben. Der Realsozialismus geriet zu einer Mischung aus Machtpolitik der Sowjetunion und einem im Westen als diktatorisch-technokratisch bezeichneten Kommunismus, der vielen nur als Scheinkommunismus erschien.

Seit der Wende von 1989 gilt der Realsozialismus, zumal der des europäischen „Ostblocks“ bis dahin, insbesondere bedingt durch die rigorosen Maßnahmen Stalins bis 1954 (vgl. Stalinismus), aber auch seiner Nachfolger nach Chruschtows Entstalinisierung seit 1956, vor allem in Europa und Nordamerika weitgehend als historisch diskreditiert. Insbesondere massive Verstöße gegen die Menschenrechte in den großen realsozialistischen Ländern, neben der UdSSR auch in China und anderen Nationen trugen wesentlich zu einer moralischen Diskreditierung des Realsozialismus bei.

Die Ursachen für das Scheitern des Realsozialismus auf anderen Ebenen, jedenfalls dem des europäischen Ostblocks, sind vielfältig. Als Hauptursachen werden von vielen unter anderen die folgenden Entwicklungen angesehen:

  • Entgegen der Voraussagen des Marxismus entwickelten die kapitalistisch geprägten Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Ostasiens auf Druck der Arbeiterbewegung ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes soziales Sicherungssystem in einem Sozialstaat, der die schlimmsten sozialen Unterschiede und die Armut in diesen Ländern abfederte und somit auch ein potenzielles revolutionäres Potenzial dort deutlich unterminierte.
  • Der Staatsapparat der meisten realsozialistischen Staaten erwies sich aufgrund mangelnder demokratischer Mitbestimmung als zunehmend unflexibel, und aufgrund ideologischer und anderer Hemmnisse kaum fähig, mit dem Komplexitätsgrad moderner westlicher Gesellschaften umzugehen.
  • Die Staaten des realen Sozialismus orientierten sich an einem in der Regel kapitalistisch geprägten Modernisierungsmodell, nur konnten sie den Grad der Modernisierung dieser Staaten, von wenigen technologischen Ausnahmen abgesehen, kaum aufholen. Sie versuchten, trotzdem - etwa durch Subventionen in vielen Bereichen (Gesundheitswesen, öffentlicher Verkehr, Grundnahrungsmittelproduktion, Wohnungsbau usw.) - die sozialen Leistungen der kapitalistischen Staaten zu übertreffen, was Ursache für die Aussage „Überholen ohne einzuholen“ wurde.
  • Die politischen Systeme realsozialistischer Staaten wurden auf Dauer nur selten von der Mehrheit der jeweiligen Bevölkerung getragen, insbesondere dort nicht, wo das entsprechende System (ohne eigene Revolution) von außen aufgezwungen wurde (vor allem in Ungarn, der ČSSR, Rumänien, Polen, der DDR und Bulgarien). Diese Systeme wurden gegen eine sich regende Opposition von den herrschenden sozialistischen oder kommunistischen Parteien auf Dauer auch durch einen zunehmend ausufernden Polizeistaat (Bespitzelung, Repressionen, Zensur) am Leben erhalten. Der unwillige Teil der Bevölkerung, der zum Teil lieber ausgewandert wäre, wurde oft durch Sperranlagen und strenge Visa-Bestimmungen am Verlassen des Staates gehindert. Realsozialistische Staaten setzten auch Mittel ein, unter denen die Verfechter des Sozialismus im 19. Jahrhundert gelitten hatten, beispielhaft hierfür ist die politische Verfolgung von Trotzkisten.
  • Der in den meisten realsozialistischen Staaten umgesetzten staatlich und zentral gelenkten Planwirtschaft fehlte es oft an Übersicht über die Bedingungen und den Bedarf vor Ort. Durch langfristige wirtschaftliche Planung ohne eine Rückmeldung von den Produzenten und Konsumenten ging oft die Flexibilität verloren, kurzfristig auf komplexe Wirtschaftsvorgänge zu reagieren. Die Folge war, dass häufig am Bedarf vorbei produziert wurde, ökonomisch notwendige Investitionen unterblieben, Ressourcen unzweckmäßig eingesetzt und Innovationen nicht umgesetzt wurden. Eine weitere wirtschaftliche Ursache für das Scheitern des Realsozialismus war die hohe Verschuldung der entsprechenden Staaten, die insbesondere im Kalten Krieg zunahm, beispielsweise, um in der Rüstungsproduktion mit der militärischen Entwicklung der USA und der NATO Schritt zu halten (vgl. Wettrüsten, Rüstungswettlauf).

Sozialdemokratie

In der Sozialdemokratie - besonders in Deutschland und Russland - setzte sich seit etwa 1900 der Reformismus durch, der Sozialismus nicht durch eine soziale Revolution, sondern durch demokratische Reformen erreichen zu können glaubt. Damit wurden sozialdemokratische Gründungsprogramme, die Sozialismus gemäß der Marxschen Theorie vom Klassenkampf als Ergebnis krisenhafter Zuspitzungen der sozialen Gegensätze und revolutionärer Umgestaltungen erwarteten, zuerst in der praktischen Alltagspolitik und dann auch theoretisch aufgegeben.

In Deutschland begann die Auseinandersetzung um einen revolutionären oder reformistischen Weg zum Sozialismus mit Veröffentlichungen Eduard Bernsteins, die 1896 eine Revisionismusdebatte auslösten. Zwar fand Bernsteins Position in der SPD zunächst keine Mehrheit, doch setzte sie sich nach dem Tod des Parteivorsitzenden August Bebel 1913 unter seinem Nachfolger Friedrich Ebert mehr und mehr durch. Dies zeigte sich mit der Zustimmung der SPD zum Ersten Weltkrieg 1914, an der die Sozialistische Internationale zerbrach. Daraus entwickelte sich ein Gegensatz zur radikalen Linken innerhalb der Sozialdemokratie, der zur Spaltung der SPD in USPD und MSPD führte. Er verschärte sich seit der Oktoberrevolution in Russland 1917 zu einem Bruch zwischen sozialistischen und kommunistischen Parteien Europas, der sich besonders am Verhältnis zum sogenannten Realsozialismus sowjetischer Prägung zeigte. Dabei beanspruchte die Anfang 1919 gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) als Nachfolgerin des Spartakusbundes, mit dem proletarischen Internationalismus die besten sozialdemokratischen Traditionen zu bewahren. Mit der Ermordung der Spartakusführer und KPD-Gründer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurde die Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung in die reformorientierte SPD und die marxistisch-revolutionäre KPD unumkehrbar, während die USPD bis 1922 zwischen diesen beiden Polen zerrieben wurde und danach keine bedeutende Rolle in der Weimarer Republik mehr spielte.

In Russland spaltete sich die Sozialdemokratie schon 1903 in die reformorientierten Menschewiki (= Minderheitler) und die marxistisch-revolutionären Bolschewiki (= Mehrheitler), deren Gegensatz nach vorübergehender neuer Zusammenarbeit 1912 endgültig wurde. Die theoretische, nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1917 auch die praktische Führung der Bolschewiki übernahm Lenin. Den Menschewiki gelang unter Kerenski mit der Februarrevolution 1917 der Sturz des Zaren und die Regierungsbildung, doch setzten sie den Krieg gegen Deutschland für Gebietsgewinne fort. Durch das Angebot eines Sofortfriedens gewann Lenin eine Mehrheit im Rätekongress, die er für eine erneute Revolution - diesmal gegen das russische Parlament in Petersburg - nutzte. Nach dem fünfjährigen russischen Bürgerkrieg gegen verschiedene zarentreue „Weiße Truppen“ (vgl. Weiße Armee) gründteen die Bolschewiki die UdSSR mit der seit 1952 KPdSU genannten alleinherrschenden Staatspartei. Damit verlor die unterlegene russische Sozialdemokratie fast bis zum Ende der Sowjetunion 1990 jede machtpolitische Bedeutung.

Die innersozialistischen Gegensätze in der „Systemfrage“, die in Deutschland zugunsten der Reformisten, in Russland zugunsten der Revolutionäre ausgegangen waren, vertieften nach dem Rechtsruck der Weimarer Republik ab 1923 die Spaltung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten und schwächten so die Zukunftsperspektiven des Sozialismus weltweit. Obwohl die SPD bis zu ihrem Heidelberger Programm von 1925 am Ziel einer Ablösung der kapitalistischen durch eine sozialistische Wirtschaftsordnung festhielt, ging sie im politischen Alltag den Weg einer Reformpartei, die ihre Ziele parlamentarisch durch Kompromisse und Koalitionen - auch mit gegnerischen Kräften der Gesellschaft - allmählich durchzusetzen suchte. Obowhl sie eine der größten demokratischen Parteien in der ersten deutschen Republik blieb und die meisten Regierungen mittrug, geriet sie bald in die politische Defensive gegenüber deutschnationalen und rechtsradikalen Parteien, bis sie 1933 kurz nach der KPD mit allen übrigen Parteien außer der NSDAP vom neuen Regime des Nationalsozialismus verboten, ihre Führungskräfte verfolgt und ihre Strukturen zerschlagen wurden.

Nach dem Ende der NS-Diktatur konnte die SPD sich regenerieren und griff nun auf sozialistische Ziele zurück, die das Wiederstarken des Faschismus durch energische Eingriffe in den Monopolkapitalismus verhindern sollten. Doch erst nach ihrer deutlichen Wende zur Marktwirtschaft im Godesberger Programm 1959 wandelte sie sich von einer Klassenpartei zur Volkspartei. Dabei definierte sie „Sozialismus“ nun in auasdrücklicher Abgrenzung vom Sowjetkommunismus als „Demokratischen Sozialismus“, um damit ihre Anerkennung des pluralistischen Systems der westlichen Demokratien zu zeigen. So befreite die SPD sich allmählich aus ihrer Oppositionsrolle und stellte mit Willy Brandt 1969 erstmal den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Dessen Regierungserklärung versprach „mehr Demokratie“, jedoch keinen Sozialismus im Sinne der alten SPD-Programme mehr.

In der ostdeutschen Sowjetischen Besatzungszone war es unter sowjetischem Einfluss zur Zwangsvereinigung der SPD mit der dominierenden KPD zur SED, die in der DDR von 1949 bis zu deren Niedergang 1989/1990 an der Macht blieb und sich an der KPdSU und dem politischen System der UdSSR ausrichtete. Dort wurde Sozialismus ebenfalls nur noch bedingt revolutionär definiert, aber weiterhin als gegensatz zum wetlichen Kapitalismus und Vorstufe zum Kommunismus aufgefaast.

Demokratischer Sozialismus, Neue Linke

Der Demokratische Sozialismus war daher lange Zeit praktisch ein Synonym für die Sozialdemokratie. In der DDR wurde der demokratische Sozialismus abwertend als „Sozialdemokratismus“ bezeichnet. Seit dem Scheitern des Realsozialismus und zunehmender Liberalisierung der Sozialdemokratie bis hin zum modernen Neoliberalismus (in der Sozialdemokratie vor allem von der SPD unter Gerhard Schröder und der britischen Labour Party unter Tony Blair propagiert), für viele eine besonders aggressive Steigerung des internationalen Kapitalismus, nehmen die Bestrebungen nach einem eigenständigen Demokratischen Sozialismus zu. Viele sich explizit nicht als sozialdemokratisch empfindende Sozialisten sind auf der Suche nach neuen politischen Konzepten. Die Sozialdemokratie selbst rückt immer weiter von Marxistischen Gesellschaftsanalysen und dem damit verbundenen Konzept des Sozialismus ab; in der Partei wird darüber diskutiert, ob das Konzept des demokratischen Sozialismus aus dem Parteiprogramm zu tilgen sei.

Demokratischer Sozialismus in entsprechenden neuen Varianten setzt zum einen auf einen Ausbau des Sozialstaats, auf der anderen Seite auf eine stärkere Orientierung des Parlamentarismus hin zu Elementen direkter Demokratie.

In Deutschland sieht sich die 1990 aus der SED hervorgegangene Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), auf der Außerordentlichen Tagung des 9. Parteitages vom 17. Juli 2005 in Berlin umbenannt in Die Linkspartei. und am 16. Juni 2007 in der neu gegründeten Partei Die Linke aufgegangen, diesem Ziel verbunden. In anderen Staaten Westeuropas hatten sich ähnliche Inhalte in einigen Kommunistischen Parteien, die den revolutionären Kurs im eigenen Land abgelegt hatten, mit der ideologischen Richtung des Eurokommunismus schon Mitte bis Ende der 1960er Jahre niedergeschlagen. Beispiele für Vertreter des Eurokommunismus waren etwa die Kommunistische Partei Italiens (KPI, italienisch Partito Comunista Italiano – PCI), die sich 1990 umbenannte in „Demokratische Partei der Linken“ (italienisch Partito Democratico della Sinistra – PDS) oder die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF) (französisch PCF).

Als Vertreter des Demokratischen Sozialismus werden auch bestimmte so genannte „undogmatische“ oder „antiautoritäre“ Strömungen der „Neuen Linken“ betrachtet, die aus der APO (Außerparlamentarische Opposition) der Studentenbewegungen seit Mitte der 1960er Jahre hervorgingen. Die Neue Linke trat und tritt in verschiedenen Parteien auf, die in Westdeutschland von den sehr unterschiedlichen, kleinen, als K-Gruppen bezeichneten Splitterparteien über die SPD bis zu der 1980 neu gegründeten Partei „Die Grünen“ (heute „Bündnis 90/Die Grünen“) reichen; WASG - die Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (gegründet Januar 2005; ab 18. September 2005 mit 12 Abgeordneten im Bundestag) nicht zu vergessen. Andere blieben weiterhin außerhalb von Parteien, beispielsweise in verschiedenen sozialen Bewegungen (vgl. Neue soziale Bewegungen), politisch engagiert. Der 1999 gegründete Kampfund Deutscher Sozialisten fordert eine Zusammenarbeit von „Linksradikalen“ (Kommunisten, Sozialisten) und „Rechtsradikalen“ (Nationalisten).

Perspektiven

Angesichts des Wandels zur Produktionsweise des High-Tech-Kapitalismus (Wolfgang Haug) und den damit verbundenen Lebensweisen fordern linkspolitische Intellektuelle, aus den historischen Erfahrungen zu lernen und das sozialistische Projekt zu aktualisieren. In der Bundesrepublik lassen sich neue "Unterhaltungen über den Sozialismus" beobachten. Eine kritische Bestandsaufnahme unternimmt unter anderem die Zeitschrift Das Argument und die dort ebenfalls angesiedelte Edition des Historisch-kritischen Wörterbuchs des Marxismus (HKWM).

Kritik

Der libertäre Ökonom Ludwig von Mises, ein Vertreter der Österreichischen Schule, kritisiert die ökonomische Effizienz des Sozialismus anhand des sowjetischen Realsozialismus wie folgt: "Wenn wir das sowjetische Regime als Experiment betrachten, müssen wir feststellen, dass dieses Experiment klar die Überlegenheit des Kapitalismus und die Unterlegenheit des Sozialismus bewiesen hat." [1].

Nach Ansicht des Mises Schülers Friedrich August von Hayek kollidiert die Vergesellschaftung der Produktionsmittel zwangsläufig mit dem Individualrechten und der Rechtsstaatlichkeit. Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit würde eine Selbstbeschränkung der Planungsbehörden erfordern, zu der diese nicht in der Lage seien, da sie sonst ihren Aufgaben nicht nachkommen könnten. [2]

Der Ökonom Jürgen Pätzold formuliert es so: "Die zentrale Planung verlangt in gesellschaftspolitischer Hinsicht den Kollektivismus und in staatspolitischer Hinsicht den Totalitarismus des Einparteiensystems. Eine Marktwirtschaft erfordert dagegen, soll sie funktionieren, die Einbettung in ein System politischer und ökonomischer Freiheiten. Ein vergleichbares System der Freiheiten ist mit der Zentralverwaltungswirtschaft unvereinbar. Die Handlungs- und Bewegungsfreiheit der Individuen bildet in der zentral verwalteten Wirtschaft einen latenten Störfaktor, den der Staat zurückzudrängen sucht." [3]

Referenzen

  1. Ludwig von Mises, Socialism.. Indianapolis, IN: Liberty Fund, Inc. 1981. Trans. J. Kahane. Library of Economics and Liberty. 2 December 2006.(http://www.econlib.org/LIBRARY/Mises/msSApp.html)
  2. Friedrich August von Hayek: The Road to Serfdom (dt. Der Weg zur Knechtschaft)
  3. http://www.juergen-paetzold.de/einfuerung_mawi/2_MAWI.html#Leistungsf%E4higkeit

Literatur

Wiktionary: Sozialismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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