Patriarchat (Kirche)
Ein Patriarchat (sächlich; griechisch πατριαρχία, von πατήρ, patér Vater und αρχή, arché „Ursprung“, „Herrschaft“) ist ein Verband von Bistümern an deren Spitze ein Patriarch steht. Patriarchate gibt es in den byzantinisch-orthodoxen, orientalisch-orthodoxen Kirchen und in der römisch-katholischen Kirche. Auch die Mitglieder der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche bezeichnen ihr Oberhaupt als Patriarchen.
Die altkirchlichen Patriarchate
Nachdem sich im 2. Jahrhundert anstatt der kollegialen Leitung durch Gemeindeälteste (Presbyter) die Bischofskirche durchgesetzt hatte, war das zentrale Element der kirchlichen Leitung das Bischofsamt. Auctoritas (Autorität) und Dignitas (Würde) dieses Amtes entsprangen der successio apostolorum (Apostolische Sukzession); jeder Bischof galt über eine lange Reihe von Vorgängern als Nachfolger der Apostel. Bei Ignatius von Antiochia tendierte seine fast monarchische Auctoritas bereits zu einer umfassenden Lehr-, Weihe- und Jurisdiktionsgewalt. In Nicaea wurde nun 325 die so genannte „Metropolitanverfassung“ eingerichtet:
„Die alte Sitte soll in Ägypten, Libyen und Pentapolis Bestand halten, dass der Bischof von Alexandria über dies alles die Obergewalt inne hat, da auch dem Bischof von Rom dies zukommt. Auf gleiche Weise sollen sowohl der Kirche von Antiochien als auch den anderen Exarchien den Kirchen ihre Vorrechte gewahrt bleiben.“
Obermetropoliten treten also wohl schon im 3., sicher aber im 4. Jahrhundert auf. Und zwar in Rom (Abendland), Alexandria (Ägypten) und Antiochia (Syrien). Auf dem Konzil von Chalcedon 451 wird auch dem Bischof von Jerusalem ein Jurisdiktionsvorrang (über Judäa, Samaria und Galliläa) eingeräumt. Die Bestrebungen Konstantinopels, den ersten Rang nach Rom zu erlangen, werden auf dem Konzil von Konstantinopel 381 erfüllt. Der dortige Bischof erhält den Ehrenvorrang nach Rom und die Rechte eines Patriarchen für Pontus, Asien und Thrakien. Seit Justinian I. wurden diese Obermetropoliten Patriarchen genannt. Sie waren ranggleich und standen zueinander in einer festen Ehrenordnung:
- Rom, gegründet durch die Apostel Petrus und Paulus
- Konstantinopel, gegründet durch den Apostel Andreas
- Alexandria, gegründet durch den Evangelisten Johannes Markus
- Antiochia, gegründet durch die Apostel Petrus und Paulus
- Jerusalem, gegründet durch alle Apostel
Durch ihre Communio vermittelten die Fünf den Bistümern ihrer Jurisdiktion die Kirchengemeinschaft mit allen Ortskirchen. Sie waren Garanten der Kircheneinheit. Zur Klärung von Konflikten bediente man sich Konzilien. Im Verlauf der verschiedenen Kirchenspaltungen wurde die patriarchale Leitung der Gesamtkirche aufgegeben bzw. unwirksam.
Die altkirchlichen Katholikate
Die Oberbischöfe der Kirchen außerhalb des Römischen Reiches führen zunächst den Titel Katholikos, später zusätzlich, neuzeitlich auch allein, den eines Patriarchen. Die wichtigsten Katholikate waren und sind:
Orthodoxe Patriarchate
Seit dem sog. Morgenländischen Schisma gibt es in der byzantinisch-orthodoxen Kirche noch vier altkirchliche Patriarchate:
- das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel in Istanbul, nach eigenem Anspruch weltweit auch zuständig für lokale Bistümer und Erzbistümer, die keinem anderen Patriarchat unterstehen
- das Patriarchat von Alexandria und Ganz Afrika, Residenz in Alexandria
- das Patriarchat von Antiochia und dem Ganzen Osten, Residenz in Damaskus
- das griechische Patriarchat von Jerusalem
sowie das
- Katholikat von Georgien.
Im Gefolge die Slawenmission entstanden
- das Patriarchat von Moskau und Ganz Russland (seit 1589 im fünften Ehrenrang),
- das serbische in Belgrad seit dem 14. Jahrhundert,
- das bulgarische seit 918, in Sofia,
- das rumänische Patriarchat in Bukarest, und
- das ukrainische in Kiew.
Römisch-Katholische Patriarchate
Neben dem altkirchlichen Patriarchat Rom (dessen Bischof, Papst Benedikt XVI., seit 2006 den Titel „Patriarch des Abendlandes“ nicht mehr führt), mit voller Lehr- und Jurisdiktionsgewalt über die Gesamtkirche, gibt es in der römisch-katholischen weitere Patriarchate.
Zu unterscheiden sind die "großen" Patriarchate, die eine eigene Jurisdiktion innehaben, die von der der Lateinischen Kirche abweichen kann (das Kanonische Recht (CIC) gilt dort nicht); und den "kleinen" Patriarchaten ohne eigene Jurisdiktion (Titular-Patriarchate). Titular-Patriarchate können existierende oder erloschene Bischhofssitze sein.
- Lateinische Patriarchate
- das Lateinische Patriarchat von Jerusalem, seit 1099, nach 1291 Titularpatriarchen mit Sitz in San Lorenzo fuori le mura, Rom. In Jerusalem wieder- bzw. neu errichtet am 23. Juli 1847, ohne Suffragan, mit Jurisdiktion über Israel, Palästina, Jordanien und Zypern.
Nur das Lateinische Patriarchat von Jersusalem hat die Jurisdiktion eines Patriarchats ähnlich der der unierten Kirchen.
Zu den mit der römisch-katholischen Kirche unierten und dem römischen Papst unterstellten Patriarchaten gehören (in Klammern die Residenz):
- Patriarchate der unierten Kirchen
- das Koptisch-katholische Patriarchat von Alexandria (Kairo), seit 1824 bzw. 1895, sieben Suffragane
- das Maronitische Patriarchat von Antiochia (Bkerkhe, Libanon)
- das Syrisch-katholische Patriarchat von Antiochia (Beirut), zwei Suffragane
- das Melkitisch-griechisch-katholische Patriarchat von Antiochia (Damaskus), drei Suffragane
- das Chaldäische Patriarchat von Babylon (Bagdad), seit 3.Jhd. bzw. 1553, acht Suffragane
- das Armenisch-katholische Patriarchat von Kilikien (Beirut), vier Suffragane
Oberbischöfe unierter Kirchen, die nicht zu den altkirchlichen Patriarchaten oder Katholikaten zählen, oder die im Rahmen der Ökumene mit anderen Kirchen keinen Patriarchentitel haben, tragen den Titel Großerzbischof.
Titular-Patriarchate
Als Titular-Patriarchate werden existierende oder erloschene Bischofssitze bezeichnet, die keine eigene Jurisdiktion eines Patriarchats haben. Es gibt, wenn überhaupt, nur protokollarische Vorrechte gegenüber einem Erbistum oder Bistum.
- das Patriarchat von Venedig (hierher 1451 von Grado übertragen)
- das Patriarchat von Lissabon, seit 1716, drei Suffragane
- das (Lateinische) Patriarchat von Ostindien mit Sitz in Goa, seit 1886 (Titelträger: der Erzbischof von Goa und Daman, Filipe Neri António Sebastião do Rosário Ferrão)
- das (Lateinische) Patriarchat von Westindien (América hispana) - der Großkaplan (Armeebischof) des spanischen Heeres, seit 1524 und seit 1963 nicht mehr besetzt (von 1540 bis 1920 trug der Erzbischof von Toledo diesen Titel) (vakant seit 1963)
- das Melkitisch-griechische Patriarchat von Alexandria (Titelträger: der melkitische griechisch-katholische Patriarch von Antiochia, Gregorios III Laham), seit 1838
- das Melkitisch-griechische Patriarchat von Jerusalem (Titelträger: der melkitische griechisch-katholische Patriarch von Antiochia, Gregorios III Laham), seit 1838
Ehemalige Patriarchate
- das Patriarchat von Grado (1451 aufgehoben)
- das Patriarchat von Aquileia (1751 aufgehoben)
- das Lateinische Patriarchat von Antiochia (1964 aufgehoben)
- das Lateinische Patriarchat von Konstantinopel (1964 aufgehoben)
- das Lateinische Patriarchat von Alexandria (1964 aufgehoben)
Die letzten drei wurden während der Kreuzzüge in Konkurrenz zu den „alten“ orthodoxen Patriarchaten gegründet, siehe hierzu auch den Artikel Lateinische Patriarchen des Ostens. Im Zuge der Ökumene mit der Orthodoxie wurden diese nach dem 2. Vatikanum aufgehoben.
Orientalisch-orthodoxe Patriarchate
In den orientalisch-orthodoxen Kirchen ist der Patriarch (in der armenischen ein „Katholikos“) jeweils das Kirchenoberhaupt. Zu den orientalisch-orthodoxen Patriarchaten gehören
- das Syrisch-Orthodoxe Patriarchat von Antiochia und des ganzen Orients (Syrisch-Orthodoxe Kirche) in Damaskus, auch Jakobiten genannt
- die Katholikate von Etschmiadsin („Oberster Katholikos“) und Kilikien (Sitz: Antelias) sowie die Patriarchate von Konstantinopel und von Jerusalem der Armenischen Apostolischen Kirche.
- das Koptische Patriarchat von Alexandria der Koptisch-orthodoxen Kirche (Sitz: Kairo)
- das äthiopisch-orthodoxe Patriarchat mit Sitz in Addis Abeba
- das Patriarchat von Eritrea.
Einen vergleichbaren Rang beansprucht der „Katholikos“ der Malankara Orthodox-Syrischen Kirche.
Assyrisches Katholikat
- der Assyrischen Kirche des Ostens (Sitz: Chicago) bzw. der Alten Kirche des Ostens (Sitz: Bagdad).