Slowakischer Staat
Die (erste) Slowakische Republik (slowakisch [prvá] Slovenská republika) war ein unabhängiger slowakischer Nationalstaat und Verbündeter Deutschlands während des Zweiten Weltkriegs zwischen 1939 und 1945. Sie erstreckte sich auf dem Gebiet der heutigen Slowakei mit Ausnahme der südlichen und östlichen Gebiete und grenzte dabei an Deutschland und Ungarn sowie kurzzeitig an Polen.
Obwohl sie während ihres kurzen Bestehens international großteils anerkannt war, wurde sie durch die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges rückwirkend im Zuge der Annullierung des Münchner Abkommens und der Wiener Schiedssprüche für nicht existent erklärt.
Die Unterscheidung Erste Slowakische Republik, oft auch Slowakischer Staat (slowakisch slovenský štát/Slovenský štát) wird vor allem vorgenommen, um sie von der seit 1993 unabhängigen heutigen (also zweiten) Slowakischen Republik/Slowakei zu unterscheiden, die nicht als ihr offizieller Nachfolgestaat angesehen wird. Die Bezeichnung Slowakischer Staat wurde vor allem während der Zeit des Kommunismus in der Tschechoslowakei (1948–1989) verwendet.
Staatsgründung

Infolge des Münchner Abkommens bekam die Slowakei innerhalb der Tschechoslowakei (die von nun an Tschecho-Slowakei hieß) eine Autonomie und verlor seine südlichen Gebiete infolge des Wiener Schiedsspruches an Ungarn. Bei der Planung zur Einverleibung der Resttschechei zu Deutschland hatte Deutschland verschiedene Pläne mit der Slowakei (bei offiziellen Stellen wurde durch ungarische Falschinformationen der Eindruck erweckt, die Slowaken wollten sich wieder mit dem ungarischen Staatsgebiet vereinen), schließlich entschied man sich dazu, die Slowakei als einen eigenständigen Staat mit starkem deutschen Einfluss entstehen zu lassen und deren starkes militärisches Potential für den Überfall auf Polen und andere Gebiete zu verwenden.
Am 13. März 1939 wurde Jozef Tiso (ehemaliger slowakischer Premierminister, der kurz zuvor von tschechischen Truppen abgesetzt worden war) von Hitler nach Berlin eingeladen. Er wurde unter Druck gesetzt und sollte unverzüglich einen unabhängigen slowakischen Staat ausrufen, andernfalls würde das slowakische Territorium zwischen Polen und Ungarn aufgeteilt werden. Um dieser Aussage zu mehr Überzeugungskraft zu verhelfen, "untermauerte" Joachim von Ribbentrop das ganze mit einem (gefälschten) Bericht, dem zufolge ungarische Truppen sich schon der slowakischen Grenze nähern würden. Tiso weigerte sich aber, diese Entscheidung allein zu treffen und es wurde ihm deshalb erlaubt, ein Treffen mit den Mitgliedern des slowakischen Parlamentes abzuhalten. Am nächsten Tag, dem 14. März trat dieses dann zusammen und beschloss einmütig, nachdem es Tisos Bericht zu dessen Unterredung mit Hitler gehört hatte, die Unabhängigkeit des Landes. Jozef Tiso wurde gleichzeitig als neuer Premierminister der Republik bestimmt.
Krieg mit Ungarn
Am 23. März 1939 begann der Slowakisch-ungarische Krieg mit einem überfallartigen Einmarsch Ungarns in den Osten der Slowakei, der aus dem bereits zuvor besetzten Karpatenrussland heraus erfolgte. Nach einem Waffenstillstand und Verhandlungen musste die Republik ein 1.697 km² großes Gebiet im Osten an Ungarn abtreten.
Internationale Beziehungen
Seit ihrer Entstehung war die Republik als ein sogenannter Satellitenstaat immer stark vom Deutschen Reich abhängig. Der am 23. März 1939 unterzeichnete Schutzvertrag mit Deutschland band das Land militärisch, wirtschaftlich und außenpolitisch formal gesehen an den Nachbarstaat. Dadurch war das es als Mitglied der Achsenmächte auch an den Kriegen gegen Polen und die Sowjetunion beteiligt und erklärte sogar Großbritannien und den USA den Krieg. Dennoch wurde das Land bis auf einen Streifen entlang der Grenze zu Mähren nicht von Deutschland besetzt.
Das schwierigste außenpolitische Problem waren die Beziehungen zum südlichen Nachbarn Ungarn, welches insgesamt etwa 1/3 des ehemals slowakischen Territoriums besetzt hatte und versucht hatte, auch das übrige Land zu besetzen. Die Slowakei wiederum wollte eine Revision des Wiener Schiedsspruches erreichen, außerdem gab es dauerhafte Auseinandersetzungen über die Behandlung der slowakischen Bevölkerung in den ungarischen Gebieten.
Landescharakter
- 85% der Einwohner waren Slowaken, die restlichen 15 % waren deutschsprachig, ungarischsprachig, Juden oder Sinti und Roma
- 50% der Einwohner waren in Landwirtschaft beschäftigt
- Administrative Einteilung in 6 Gespanschaften/Gaue ("župy"), 61 Bezirke (okresy) und 2.659 Gemeinden, siehe weiter unten
- Hauptstadt war Bratislava mit damals über 120.000 Einwohnern
Der Staat übernahm die Rechtsordnung der Tschechoslowakei und veränderte diese nur geringfügig. Der Verfassung von 1939 (am 21. Juli verabschiedet) zufolge war der "Präsident" das Staatsoberhaupt, das „Parlament der Slowakischen Republik“, das für 5 Jahre gewählt wurde war das höchste gesetzgebende Organ (es fanden jedoch keine landesweiten Wahlen statt), und der „Staatsrat“ übte die Pflichten eines Senats (vergleichbar mit dem deutschen Bundesrat) aus. Die Exekutive stellte die Regierung, bestehend aus 8 Ministerien, dar.
Die Slowakische Republik war insgesamt gesehen ein autoritärer Staat, der von vielen Elementen des Faschismus gekennzeichnet war, während der kommunistischen Periode wurde er vor allem als klerikalfaschistischer Staat angesehen. Die führende politische Partei war die Slowakische Hlinka-Volkspartei - Die Partei der nationalen Einheit. Alle anderen Parteien mit Ausnahme derer der nationalen Minderheiten der Ungarn und Deutschen waren verboten (das Verbot der anderen Parteien bestand jedoch schon vor der Gründung der Republik). Die Regierung erließ eine Reihe antisemitischer Gesetze, die vor allem die Juden vom öffentlichen Leben ausschloss und später auch deren Deportation in die deutschen Konzentrationslager begünstigte, dennoch fand während der Existenz des Staates keine einzige Hinrichtung statt.
Positive Effekte hatte die Erschaffung des Staates auf die slowakische Wirtschaft, die Wissenschaft, Erziehung und Kultur. So wurde 1942 die Slowakische Akademie der Wissenschaften gegründet, eine Vielzahl neuer Hochschulen und höherer Schulen wurde eingerichtet und die slowakischsprachige Literatur und Kultur erlebte eine Blüte.
Administrative Unterteilung
Zum 1. Januar 1940 existierten folgende Gespanschaften/Gaue (slowakisch župy):
- Pressburger Gespanschaft (slowakisch Bratislavská župa; 3.667 km², 455.728 Einwohner)
- Neutraer Gespanschaft (slowakisch Nitrianska župa; 3.546 km², 335.343 Einwohner)
- 5 Bezirke (slowakisch okresy): Hlohovec, Nitra, Prievidza, Topoľčany, Zlaté Moravce
- Trentschiner Gespanschaft (slowakisch Trenčianska župa; 5.592 km², 516.698 Einwohner)
- 12 Bezirke (slowakisch okresy): Bánovce nad Bebravou, Čadca, Ilava, Kysucké Nové Mesto, Myjava, Nové Mesto nad Váhom, Piešťany, Považská Bystrica, Púchov, Trenčín, Veľká Bytča, Žilina
- Tatraer Gespanschaft (slowakisch Tatranská župa; Verwaltungssitz Ružomberok, 9.222 km², 463.286 Einwohner)
- 13 Bezirke (slowakisch okresy): Dolný Kubín, Gelnica, Kežmarok, Levoča, Liptovský Svätý Mikuláš, Námestovo, Poprad, Ružomberok, Spišská Nová Ves, Spišská Stará Ves, Stará Ľubovňa, Trstená, Turčiansky Svätý Martin
- Scharosch-Sempliner Gespanschaft (slowakisch Šarišsko-zemplínska župa; Verwaltungssitz Prešov, 7.390 km², 440.372 Einwohner)
- 10 Bezirke (slowakisch okresy): Bardejov, Giraltovce, Humenné, Medzilaborce, Michalovce, Prešov, Sabinov, Stropkov, Trebišov, Vranov nad Topľou
- Graner Gespanschaft (slowakisch Pohronská župa; Verwaltungssitz Banská Bystrica, 8.587 km², 443.626 Einwohner)
- 12 Bezirke (slowakisch okresy): Banská Bystrica, Banská Štiavnica, Brezno nad Hronom, Dobšiná, Hnúšťa, Kremnica, Krupina, Lovinobaňa, Modrý Kameň, Nová Baňa, Revúca, Zvolen
Die Flächen der einzelnen Gespanschaften umfassten die der von 1923-1928 existierenden Gespanschaften in der Tschechoslowakei, deren Einteilung wurde am 25. Juli 1939 vom slowakischen Parlament beschlossen.
Das Ende
Nach dem Slowakischen Nationalaufstand im August 1944 besetzten die verstimmten Deutschen ab September 1944 das Land, welches dadurch de facto einen Großteil seiner Unabhängigkeit verlor. Die deutschen Truppen standen unter Leitung des Generals der Waffen-SS Gottlob Berger. "Deutscher Befehlshaber in der Slowakei" wurde nach G. Berger, ab September 1944 der SS-Obergruppenführer Hermann Höfle. Er wurde am 11. September 1944 als Höherer SS- und Polizeiführer in der Slowakei etabliert; ihm unterstanden dabei in Personalunion die in der Slowakei eingesetzten Wehrmachtsverbände, die Polizei und die SS-Verbände.
Kurz darauf wurden die deutschen Truppen jedoch sukzessive durch die Rote Armee sowie rumänische und tschechoslowakische Truppen von Osten her aus dem Land zurückgedrängt. Wenig später wurden die "befreiten" Gebiete wieder ein Teil der wiederhergestellten Tschechoslowakei.
Der Staat hörte de facto schon am 4. April 1945, als die Rote Armee Bratislava besetzte und somit das gesamte slowakische Staatsgebiet besetzt hatte, auf zu existieren. Offiziell fand der Staat erst am 8. Mai 1945 sein Ende, nachdem die slowakische Regierung ins österreichische Kremsmünster geflohen war und dort vor dem General des XX. US-Corps, General Walton Walker die Kapitulation unterzeichnete.
Siehe auch
- Geschichte der Slowakei (360 bis heute)
- Geschichte der Tschechoslowakei (1918 bis 1993)
- Slowakisch-ungarischer Krieg (1939)
Literatur
- Kaiser, Johann, Die Politik des Dritten Reiches gegenüber der Slowakei 1939-1945. Ein Beitrag zur Erforschung der nationalsozialistischen Satellitenpolitik. Bochum, Diss. 1969
Weblinks
- Eva Gruberová: Hitlers Hirte Der katholische Priester Jozef Tiso regierte von 1939 bis 1945 die Slowakei – und ließ 60.000 jüdische Bürger in den Tod schicken. Die Kirche des Landes verehrt ihn bis heute. In: Die Zeit, 27.09.2007 Nr. 40
- Jana Müller: Die Slowakei unter Tiso. Ein "Musterstaat" Hitlers. In: Zeitschrift des Zeitgeschichtemuseums Ebensee, Nr. 46, November 1999