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Abgeordnetenbestechung

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Die Abgeordnetenbestechung ist in Deutschland eine Straftat, die sich gegen die Wahlen und Abstimmungen sowie gegen den parlamentarischen Meinungsbildungsprozess richtet. Verletzt wird durch die Begehung der Tat das freie, unabhängige Mandat des Abgeordneten. In anderen Ländern ist dieser Straftatbestand unbekannt.

Deutschland

In Deutschland ist die Abgeordnetenbestechung seit 1994 ein Straftatbestand, der in § 108e Strafgesetzbuch geregelt ist. Dabei wird vom Tatbestand sowohl die aktive als auch die passive Bestechung mit Strafe bedroht.

Der Tatbestand lautet:

(1) Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wegen einer Straftat nach Absatz 1 kann das Gericht die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen.

Problematisch mag das Verhältnis zwischen der Indemnität des Abgeordneten (Art. 46 Abs. 1 GG) mit der Tatbestandsalternative des "Verkaufens" der eigenen Stimme sein. Hier wird aber vertreten, dass das Schutzprivileg des Art. 46 Abs. 1 GG durch den Verkauf einer Stimme überschritten wird. Ebensowenig kann hier Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG greifen, der gerade durch die Tatbestandsverwirklichung verletzt wird.

Zwar geht es im Tatbestand um Wahlen und Abstimmungen. Darin ist aber auch die Arbeit in den Kommissionen und Ausschüssen zu sehen. Umstritten ist lediglich die Einbeziehung der fraktionsinternen Abstimmung. Nach herrschender Ansicht ist dies abzulehnen, obwohl den Fraktionen wohl eine meinungsbildende Funktion im parlamentarischen System zukommt. Dagegen wird eingewandt, dass die Fraktion trotz Nennung in der Geschäftsordnung des Bundestages keine eigenständige verfassungsrechtliche Stellung innehat.

Ferner problematisch ist der tatbestandliche Bezug auf die Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Grundsätzlich ist fraglich, ob nur die deutschen Abgeordneten von der Vorschrift tangiert sind oder ob ein grundsätzlicher Schutz bezweckt wird. Unproblematisch sind die Konstellationen, an denen nur Deutsche (Käufer und Verkäufer der Stimme) beteiligt sind.

Auch Gemeindevertretungen (also Gemeinderäte) sind von der Vorschrift umfasst, jedoch darf es sich dabei nicht um Exekutivakte handeln, die beschlossen werden. Es muss sich dabei um den Beschluss von Gemeindeverordnungen oder Gemeindesatzungen (typischerweise Bebauungspläne) handeln.

Nach dem Wortlaut des § 108e StGB muss die Wahl oder die Abstimmung zum Zeitpunkt des "Kaufes" noch bevorstehen. Ansonsten kommen bei nachträglichen Bestechungen nur die §§ 332, 334 StGB (Bestechung und Bestechlichkeit) in Betracht.

Als Unternehmensdelikt ist die Abgeordnetenbestechung bereits vollendet, wenn der Versuch zur Abgeordnetenbestechung beginnt. Es muss nicht zwingend zur Beeinflussung gekommen sein. Möglich ist dann jedoch, dass sich der Abgeordnete des Betruges nach § 263 StGB strafbar gemacht hat, wenn er lediglich vorgespiegelt hat, sein Verhalten nach dem Zweck des Stimmenkaufs/-verkaufs auszurichten. Vorsatz wird auf der inneren Tatbestandsseite vorausgesetzt.

Als gesetzlich mögliche Nebenfolge des § 108e StGB können aktives und passives Wahlrecht aberkannt werden.

Geschichte (Deutschland)

Bis zum Jahr 1994 war Abgeordnetenbestechung in Deutschland kein Staftatbestand. Im Gegensatz zur heutigen Auffassung wurde argumentiert, dass ein derartiger Straftatbestand im Gegensatz zu der Grundgesetzregelung der Unabhängigkeit der Abgeortneten stehen würde.

Seit 1951 sah die Geschäftsordnung des Bundestages vor, dass sich der Bundestag eine Ehrenordnung geben könne. Von dieser Möglichkeit machte der Deutsche Bundestag erst im Jahr 1972 Gebrauch. Anlass war das gescheiterte Misstrauensvotum gegen die Regierung Brandt. Eine Reihe von Abgeordneten hatte damals gegen die eigene Fraktion gestimmt. Einzelne Abgeordnete hatten angegeben, dass ihnen wirtschaftliche Vorteile als Gegenleistung für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten angeboten worden wäre. Nach dem Untergang der DDR wurde bekannt, dass auch das Ministerium für Staatssicherheit versucht hatte, einzelne Abgeordnete der CDU zu bestechen.

Aber auch diese 1972 verabschiedeten Verhaltensregeln des Bundestages sahen keine Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung vor. Erst die Regierung Kohl führte mit dem achtundzwanzigsten Strafrechtsänderungsgesetz (BGBl. I 1994 S. 84) den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung 1994 ein.

Am 2. April 2007 wendete das Neuruppiner Landgericht erstmalig den seit 1994 existierenden Straftatbestand an. Die erste Verurteilung nach dem Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung in Deutschland ist nach Mitteilung einer Sprecherin des Neuruppiner Landgerichts gegenüber dpa vom 18. 10. 2007 mittlerweile rechtskräftig - der BGH habe ein Revisionsbegehren verworfen. Dem Abgeordneten des Neuruppiner Stadtrates hat eine Investitionsgesellschaft ein persönliches Darlehen von 100.000 Euro angeboten, wenn die Stadt einer Ausfallbürgschaft von 13,7 Mio. Euro zustimmt. Diese Bürgschaft war nach Ansicht des Gerichts wesentliches Element einer Finanzierung der Investitionsgesellschaft. Das Gericht sah den Stimmenkauf als erwiesen an.

Internationale Übereinkommen

Eine Reihe internationaler Übereinkommen sollen gegen Bestechung von Amtsträgern und Abgeordneten wirken.

OECD Konvention gegen Bestechung ausländischer Amtsträger

Diese, am 15. Februar 1999 ratifizierte Konvention schreibt den Teilnehmernationen (darunter Deutschland) vor, strafrechtliche Maßnahmen gegen Bestechung ausländischer Amtsträger (darunter Abgeordneten) vorzuschreiben. Ebenfalls wird die steuerliche Absetzbarkeit von Bestechungsgeldern untersagt.

In Deutschland erfolgte die Umsetzung mit dem IntBestG vom 10. September 1998.

Die Schweiz hat die OECD-Konvention am 31. Mai 2000 ratifiziert, Österreich am 1. Oktober 1998.

Strafrechtskonvention gegen Korruption des Europarats

Diese Konvention trat am 1. Juli 2002 in Kraft und beinhaltet weitergehende Forderungen zur Korruptionsbekämpfung. Die Konvention ist von der Schweiz ratifiziert, allerdings bisher nicht von Deutschland und Österreich.

UN-Konvention gegen Korruption

Die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) ist am 16. September 2005 in Kraft getreten. Nach der Konvention muss zudem künftig nach der Rechtsauffassung von Transparency International auch das verwerfliche Beeinflussen eines Abgeordneten auch bei der sonstigen Wahrnehmung seines Mandats erfasst werden.

Österreich hat diese Konvention am 11. Jan. 2006 ratifiziert.

Am 10. Dezember 2003 unterzeichnete die Schweiz das Übereinkommen. Der Bundesrat hat das Ziel im Jahre 2007 zu ratifizieren.

Österreich und die Schweiz

Abgeordnetenbestechung ist in Österreich und der Schweiz nach geltendem Recht nicht strafbar.

In Österreich wird an einem Gesetzentwurf gearbeitet, der voraussichtlich 2007 in Kraft treten kann. Die Schweiz hat das Ziel 2007 die UN-Konvention gegen Korruption zu ratifizieren.

Beiträge zum transnationalen Wirtschaftrecht / Uni Halle

Transparency International zur UN-Konvention

In Österreich soll die Bestechung von Abgeordneten künftig strafbar sein Gesetzesentwurf des Justizministeriums sieht maximal drei Jahre Haft vor