Zum Inhalt springen

Ostara

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. Dezember 2007 um 19:42 Uhr durch Derseefuchs (Diskussion | Beiträge) (Literatur). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Datei:Nc ostara.jpg
Jugendstil-Darstellung von Ostara

Ostara ist ein von Jacob Grimm durch Namensvergleiche als Name für eine germanische Frühlingsgöttin hergeleiteter Begriff. Grimm bezog sich dabei auf eine von dem angelsächsischen Mönch und Kirchenhistoriker Beda zur Erklärung des Wortes „Easter“ (Ostern) erwähnte Göttin Eostrae.

Quellen

Beda Venerabilis

Beda Venerabilis in einem mittelalterlichen Manuskript

Im 8. Jahrhundert erklärt der englische Kirchenvater Beda Venerabilis (673-735) in dem Werk „De temporum Ratione“ (in etwa „Über die Vernunft der Zeiten“), einer der wichtigsten Quellen über die Bekehrung der Angelsachsen, die Herkunft des Wortes Ostern mit einer Göttin Eostrae, die dem Eostur-monath (Ostermonat ahd. für April) seinem Namen verliehen haben soll.

Aus „De temporum Ratione“ (vgl. Kap. 15) ins deutsche übersetzte Zitate Bedas über vorchristliche Monatsbezeichnungen und die Göttin Eostre:

  • „Der erste Monat, im Lateinischen Januar genannt, ist Giuli; Februar wird Solmonath genannt; März Hrethmonath; April, Eosturm-monath [...].“
  • „Der Eosturmonath, heute Passah-Monat bezeichnet, war früher benannt nach einer ihrer Göttinen welche Eostre genannt wurde, zu deren Ehren Feste in diesem Monat gefeiert wurden. Jetzt benennen sie die Passah-Zeit mit ihrem Namen, womit die Freuden der neuen Feierlichkeit unter dem Namen der altehrwürdigen Göttinnenverehrung angerufen werden.“ (im Original: „Eostur-monath, qui nunc paschalis mensis interpretatur, quondam a dea illorum, quae Eostrae vocabatur, et cui in illo festa celebrabant, nomen habuit; a cuius nomine nunc paschale tempus cognominant, consueto antiquae observationis vocabulo gaudia novae solemnitatis vocantes“)

Jacob Grimm

Jacob Grimm spekuliert in seinem Werk „Deutsche Mythologie“ (Band 1, Seite 266 bis 269[1]) über eine germanische Göttin mit dem Namen Ostara, auf der Basis von Bedas Eostrae: „Die beiden göttinnen, welche Beda (de temporum ratione cap.13) ganz kurz, ohne nähere schilderung, blofs zur erklärung der nach ihnen benannten monate anführt, sind Eástre und Hrede, von dieser hat der merz, von jener april seinen sächsischen namen.“ Grimm zieht weitere etymologische Indizien heran; unter anderem den bei Eginhard erwähnten „ôstârmanoth“[2] (Ostermonat ahd. für April), und kommt zu dem Schluss: „Ostara, Eástre mag also Gottheit des strahlenden Morgens, des aufsteigenden Lichts gewesen sein, eine freudige, heilbringende Erscheinung, deren Begriff für das Auferstehungsfest des des christlichen Gottes verwandt werden konnte.“

Edda

In der isländischen Dichtung der Edda, die unter den schriftlichen Quellen zur germanischen Religion verhältnismäßig bald nach Einführung des Christentums aufgezeichnet wurde, kommt weder ein Name wie Ostara bzw. Eostrae noch die Vorstellung einer Frühlingsgöttin anderen Namens vor.

Etymologische Diskussionen

Überlieferungen

Über Bedas Erwähnung der Eostrae hinaus werden weiterhin folgende Belege als für die Existenz einer Ostara bzw. Eostrae sprechend angesehen:

  • Ostara wird als Ostra im Werningerödischen Intelligenzblatt (19, S. 72) von 1797 erwähnt.
  • 1880 wurde im Karlsbader Wochenblatt (13, S.27) Ostara in folgenden Zitat erwähnt: „Stab aus, Stab aus! Stecht dem Winter die Augen aus. Als Vorfeier zu dem am Ostertage gefeierten Feste der Frühlingsgöttin Ostara, wo der Kampf zwischen Sommer und Winter stattfand, sang die Jugend diesen Spruch während desselben.“ Dies mag jedoch bereits von Grimm beeinflusst sein.
  • Folgende Flur- und Ortsnamen: Osterode im Harz, Osterholz in Westfalen, Oesch [auch Austerthal geschrieben[3]] in der Mülheimer Markung weisen auf eine mögliche Göttin Ostara hin.[4]
  • Nach Fricke[5] geht der Namens eines Steinblocks in Westfalen »im Oestern« möglicherweise auf Ostara zurück. Insbesondere da der aus der selben Gegend stammende „Osta-Stein“ eine im 16. Jh. gefundene Votivtafel, die u. a. folgenden Runenspruch enthält: »Dhu gautar osta, ous il sin grosta –« (in etwa: »Du guter Osta, aus deinem Antlitz leuchtet -«), existiert. Die Tafel ist nur noch in Nachzeichnungen erhalten und zeigt eine männliche oder weibliche Figur mit Hörnerhelm, die ein überquellendes Füllhorn trägt, und daneben einen Kreis (als Sonne oder Vollmond gedeutet) und einen Halbmond. Der Text ist jedoch eindeutig auf eine männliche Person bezogen.
  • Als weitere Hinweise werden bisweilen auch angelsächsische Namen wie easterbeald, eastewine, easterhild und easterwulf sowie etwa 150 Weihesteine in der Umgebung der niederrheinischen Ortschaft Morken-Harff genannt, die von einer Matrone oder Göttin Austriahenae berichten. Sie werden auf das Jahr 200 datiert. Darüber hinaus fand man in Hermühlheim bei Köln sieben römerzeitlichen Weihinschriften mit den Matronennamen Authrinehae, Auðrinehae, Audrinehar und Autriahenae. Austriahenae wird teilweise auch mit dem Stamm der Austriates, „die Östlichen, die im Osten wohnen“, in Verbindung gebracht und hätte dann weder mit einer Aurora noch mit einer Eostre zu tun.
  • Im Frankenreich war der 4. Monat des Jahres der „ôstarmânôt“ (Ostermond ahd. für April). Das als verwandt geltende „ôstârmanoth“[6] findet sich auch bei Eginhard. Diese Benennung der Monate geht auf Karl den Großen zurück. Der zeitliche Ursprung der anderen Benennungen ist nicht bekannt und damit auch, ob diese vom Osterfest inspiriert wurden oder das Osterfest nach den Monatsnamen benannt wurde.

Udolphs Ableitung von der Taufe

Seit 1999 liegt ein Vorschlag Jürgen Udolphs vor, der den Begriff Ostern von einem nordgermanischen Wortstamm *ausa (Wasser schöpfen, gießen) und *austra (Osten nach Udolph begießen) herleitet und dies auf Ostern als angebliches altes Tauffest bezieht. Dies ist jedoch nicht belegt.

Udolphs Ableitung wird mit ähnlichen sprachgeschichtlichen Argumenten kritisiert wie die Ableitung von Bedas Eostrae: Ausgerechnet in der Heimat der Angelsachsen gibt es aus dem Altsächsischen keinen Beleg für Ostara bzw. Eostrae; altsächsisch ist als Wort für das Fest nur das lateinische „pascha“ belegt (womit in den meisten europäischen Sprachen das Fest bezeichnet wird); umgekehrt gibt es bei den Sachsen wie bei den Angelsachsen keine Hinweise auf das in Island belegte *ausa bzw. *austra - als Wort für die Taufe wurde „diepan“ verwendet. Da die ursprüngliche Heimat der Angelsachsen das heutige Schleswig-Holstein darstellt, ist allerdings die Behauptung, angelsächsische Mönche hätten diese Bezeichnung in den deutschen Raum gebracht, schwer nachvollziehbar, wenn man nicht weiss, dass die auswandernden Angelsachsen noch Heiden waren, Deutschland und insbesondere die Sachsen aber durch inzwischen christianisierte Angelsachsen missioniert wurden.

Aus den Namen „Ostara“, „Osten“, und „Austro“ (Morgenröte, Morgenstern) wurde auch eine gemeinsame Wurzel *au.es bzw. *aus (scheinen, leuchten, hell werden) konstruiert. Zu dieser gemeinsamen Wurzel fanden sich weitere indogermanische Entsprechungen: So wurden auch die Namen „Aurora“ (römische Göttin der Morgenröte), „Aurum“ (Gold) und „Eos“ (griechische Göttin) mit Ostara bzw. Eostre in Verbindung gebracht und eine gemeinsame Grundbedeutung „leuchtend, strahlend“ angenommen. Diese gemeinsame Wurzel deutet jedoch nicht mehr auf eine Göttin als einfach auf die Himmelsrichtung hin und ist als Beleg denkbar ungeeignet, da eine Personifizierung erst nach der Bedeutung als Himmelsrichtung entstanden wäre.

Entsprechungen

Ostara wurde und wird mit diversen Göttinnen verschiedener Pantheone gleichgesetzt bzw. in Verbindung gebracht:

  • In dem Buch The Two Babylons von Alexander Hislop (New York 1943, S. 103 bis 108) vermutet der Autor einen Zusammenhang mit chaldäischen Göttinnen: „Man erkennt seinen chaldäischen Ursprung auf den ersten Blick. Ostern ist nichts anderes als Astarte [sic], einer der Titel der Beltis, der Himmelskönigin, deren Name [...] Ischtar“ ist. „Das allgemeine Brauchtum, das heute mit diesem Fest verbunden ist, bestätigt dessen babylonischen Ursprung zur Genüge. Die warmen Kreuzsemmeln am Karfreitag und die gefärbten Eier am Pascha oder Ostersonntag waren bei den chaldäischen Riten genauso zu finden wie heute”. Unplausibel ist jedoch, dass eine Göttin von einem Kulturkreis in den anderen übernommen wurde, während bei den dazwischen siedelnden Kulturen keine Spur einer solchen Tradition zu finden ist. Auch sonst ist eine Beeinflussung germanischer Kultur durch babylonische nirgends belegt. Allerdings könnte die Existenz einer gemeinsamen indoeuropäischen Göttin Aurora (siehe unten) die Verbindung mit babylonischen Kulten unter Umständen leichter erklären.
  • Etymologisch weisen die griechische Astraea und Eos, die litauische Göttin Aušrine, die lettische Auseklis, die römische Aurora und die hinduistische Usha auf eine indogermanische Göttin mit ähnlichem Namen hin. Begründet wird dies mit dem indogermanischen *au.es (scheinen, leuchten, hell werden) sowie *austra im Sinne von Osten, die Himmelsrichtung, in welcher die Sonne aufgeht. Auch wegen Grimms Deutung als „gottheit des strahlenden morgens, des aufsteigenden lichts” wird Ostara mit der griechischen Eos in Verbindung gebracht. Weiter spricht etymologisch hierfür auch ein im Kloster Corvey aufbewahrtes altes Lied[7] in welchem eine »Eostar, Eostar, erdhan modor« (Eostar, Eostar, Erden Mutter; Eostar wird meist als Ostara gedeutet) besungen wird.
  • Der Beiname „ástagud“ (Liebesgöttin), den die Göttin Freyja in der jüngeren Edda (vgl. Skaldskaparmál Kap. 28) trägt, wir gelegentlich in etymologischen Zusammenhang mit Ostara gebracht wird, lässt sich aber nicht als Beleg deuten, Ostara entspreche der Freyja in der germanischen Mythologie.
  • Wolf vermutet die Ostara entspreche der Nehalennia, deren Symbole der Hase und das Ei darstellen[8] und als ein "Überbleibsel eines Fruchtbarkeitsritus, wobei die Eier und der Hase Fruchtbarkeit symbolisieren" gedeutet werden [9]. Diese wiederum soll der Fruchtbarkeitsgöttin Nertus, gelegentlich auch der Idunna entsprechen.

Zweifelhafte Göttin

Kritik an Beda Venerabilis

Die Existenz der von Beda Venerabilis erwähnten Göttin Eostrae, wird von vielen Wissenschaftlern bestritten oder zumindest stark angezweifelt. Da Beda die einzige Quelle für eine Göttin Eostrae ist, nehmen viele Forscher eine Erfindung Bedas in der Tradition der Etymologie Isidor von Sevillas an.

So kam das „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens1935 zum Schluss: „Wenn schon eine angelsächsische Eostra auf schwachen Füßen stand, hielt die Forschung erst recht eine deutsche Göttin Ostara für nicht nachweisbar.“

Kritik an Jacob Grimm

Grimm - wie auch allgemein die deutsche Romantik - war sehr interessiert an einer germanischen Religion als eigenständiger Grundlage deutscher Kultur und stellte den Bezug von Sagengestalten wie Frau Holle bzw. Perchta zur nordischen Göttin Frigg bzw. Freya her. Durch Grimms allgemeinen Einfluss auf die deutschen Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts, fand Ostara eine weite Verbreitung. An Grimms Ableitung wird jedoch heute häufig kritisiert, dass er alternative Erklärungsansätze, wie das friesische „Âsteron“, das mittelhochdeutsche „Ôsteren“ oder das althochdeutsche Wort für Ostern „Ôstarûn“ gar nicht berücksichtigt hat, was jedoch unzutreffend ist, da Grimms Interpretation ja explizit auch auf dem althochdeutschen Wort „Ôstarûn“ beruht.

Neuzeitliche Erfindung?

Der Brauchforscher Dietz-Rüdiger Moser erklärt in seinem Buch „Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf: Brauchformen der Gegenwart in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen“, dass es sich bei der Frühlings- und Fruchtbarkeitsgöttin „Ostara“ um eine neuzeitliche Erfindung handele.

Oder doch eine alte Göttin?

Eine neuere, gründliche Untersuchung von Kurt Oertel [10] [11] zur Frage der Existenz einer germanischen Göttin Ostara kommt hingegen zu dem Ergebnis, dass die frühere Kritik an Beda und Grimm zum größten Teil unberechtigt und nicht stichhaltig sei. Es bestehe eine Namensverwandtschaft der germanischen Göttin, mit der griechischen Eos, der römischen Göttin Aurora und der altindischen Göttin Usastara bzw. Usas aus der Rig-Veda, was auf eine gemeinsame indoeuropäische Göttin der Morgenröte hindeute. Deren von Grimm postulierte Schreibweise „Ostara“ sei aber in der Tat zweifelhaft und „Austro“ die wahrscheinlichere Ursprungsform. Auch die Verbindung heutiger Osterbräuche mit dieser Göttin sei kaum zu belegen.

Analytische Psychologie

In der Analytischen Psychologie in der Tradition von Carl Gustav Jung gilt Ostara als Ausprägung des so genannten Mutterarchetypes.

Neuheidentum

Im Neuheidentum wird Ostara zu den Asen gezählt. Sie wird als Entsprechung der Göttin Freyja (Frowa, Liuba), seltener als Entsprechung der von Tacitus erwähnten Erdgöttin Nerthus gesehen. Ostara wird zumeist als eine vollkommen in weiß gekleidete junge Frau dargestellt. Diese Darstellung ist von dem unechten „Schlummerliedchen“, einem Gedicht des 19. Jahrhunderts abgeleitet.

Ihr werden neben Frühling und Morgenröte auch die Fruchtbarkeitssymbole Hase und Ei sowie Gänse-[12]- bzw. Maiblume[13] zugeordnet - kritische Stimmen begründen dies damit, dass man die Plausibilität der Erklärung für die Etymologie des Wortes Ostern verstärken wolle. Der Hase ist in vielen Kulturen ein Symbol des Mondes. Da die Mondflecken wie ein Hase mit Ei gesehen werden können, ist die Verbindung „Hase - Mond - Mondgöttin (Freyja) - Ostara“ naheliegend.

Literatur

  • Jacob Grimm: Deutsche Mythologie. Vollständige Ausgabe. Marix Verlag: Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-86539-143-8.
  • Klaus Mailahn: Göttin, Fuchs und Ostern. LIT-Verlag, Münster/Wf. 2007, ISBN (folgt noch)

Nachweise

  1. zitiert nach der Ausgabe von Olms-Weidemann, S. 239-241, Rechtschreibung im Original
  2. Einhart, Life of Charlemagne (Englische Übersetzung von Vita Karoli Magni)
  3. Mülh. Pfarrurbar v. 1610 u. 1630, S. 27 u. 184
  4. Schönbach Berthold v. R.; Quitzmann; Pfannenschmid; Wolf; Panzer; Meier; Mannhardt; Hoops (vgl. HWA Bd. 6, S. 1316)
  5. Fricke Westfalen 7 f. (vgl. HWA Bd. 6, S. 1316)
  6. Einhart, Life of Charlemagne (Englische Übersetzung von Vita Karoli Magni)
  7. Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Band 6, S. 18600
  8. Wolf, Johann Wilhelm: Beiträge zur deutschen Mythologie 1–2. Göttingen/Leipzig 1852/57
  9. Funk & Wagnalls, Standard Dictionary of Folklore, Mythology and Legend, New York, Band 1, 1949, Seite 335)
  10. http://www.niflungen.de/download/ostara.pdf
  11. http://www.wurzelwerk.at/thema/noreiadieeule18.php
  12. Karl Hiller / Matthias F. Melzig Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen, S. 1714 Berlin 2006
  13. Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen. Deutsche Märchen und Sagen, S. 31436
Wiktionary: Ostara – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen