Natürliche Theologie
Begriff
Die theologia naturalis, also die natürliche Theologie, ist innerhalb der Theologie die Lehre von Gott, die aus natürlichen Quellen schöpft. Sie ist das Gegenstück zur Offenbarungstheologie, die sich auf die übernatürlichen Selbstoffenbarung Gottes bezieht. Sie wurde vor allem in der Scholastik vertieft.
Innerhalb der natürlichen Theologie werden sämtliche Erkenntnisse ausschließlich mit Hilfe der Vernunft des Menschen gewonnen. Obwohl also von Gott geredet wird, handelt es sich primär nicht um Glauben und Religion, sondern um einen speziellen Bereich der Philosophie. So sind monotheistische Ansätze beispielsweise unabhängig vom Judentum und vor dem Christentum in der griechischen Philosophie zu finden.
Begründung
Die natürliche Theologie setzt die grundsätzliche Möglichkeit objektiver Erkenntnis voraus sowie die durchgängige Gültigkeit des metaphysischen Kausalprinzips bzw. des Satzes vom zureichenden Grund. Dagegen richtet sich der Fideismus nach dem Aussagen über Gott ausschließlich durch den Glauben, Offenbarung und mit Hilfe der besonderen Gnade Gottes möglich seien. Diese Kritik stellt sich als widersprüchlich heraus, da es unmöglich ist, die genannte gnadentheologische Aussage des Fideismus über den der Vernunft angeblich völlig unzugänglichen Inhalt mit den Mitteln eben dieser Vernunft zu beweisen. In diesem Zusammenhang ist (u.a. mit Blick auf Kant) auch anzumerken, dass es den Glauben nicht schmälert, wenn man philosophische Erkenntnisse über Gott zu gewinnen sucht, wenn man auf solche Erkenntnisse verzichtet.
Während es philosophisch unmöglich ist, dass das Endliche das Unendliche erfasst, ist es sehr wohl möglich, auf dessen Sein zu schließen. Aus der Mangelhaftigkeit des ontologischen Gottesbeweises folgt nicht notwendig eine Unmöglichkeit von Gottesbeweisen überhaupt, wie dies etwa von Kant (vgl. Kritik der reinen Vernunft, A 620 ff.) behauptet wird.
Insbesondere auf Thomas von Aquin stützt sich die folgende Argumentation, die in diesem Rahmen jedoch nur die Hauptargumente nennen kann. Man kann die fünf Wege den vier aristotelischen Ursachen zuweisen oder sie nach Ordnungs-, Wirkungs- und Seinszusammenhängen gliedern. Letztlich gibt es aber nur einen Gottesbeweis, nämlich den Kontingenzbeweis. Die verschiedenen Wege beleuchten die Kontingenz jeweils nur aus einem anderen Blickwinkel, einem anderen Seinsmodus des Kontingenten. Der Beweis aus der Bewegung beginnt bei der Möglichkeit, bewegt oder allgemeiner gesprochen verändert zu werden; der Beweis aus der Wirkursache setzt beim Gewirktsein an; der Stufenbeweis betrachtet die Tatsache, dass einigem mehr Wahrheit, Gutheit und Einheit zukommt als anderem, und der teleologische Beweis schließlich betont die Hinordnung und das Gelenktwerden des Seienden auf ein Ziel (griechisch telos).
Kontingenzbeweis des Seins Gottes
Allem zugrunde liegt der Kontingenzbeweis. Die Kontingenz ist die Indifferenz dem Sein gegenüber, also die Möglichkeit zu sein oder genausogut nicht zu sein. Befürworter der Natürlichen Theologie betrachten mit dem kontingenten Sein und dem Kausalprinzip den Gottesbeweis schon als gegeben. Er bestehe sozusagen im zu Ende gedachten metaphysischen Kausalprinzip. Ausformuliert lautet die Kurzform dieses Beweises: Das Kontingente setzt das Absolute voraus. Anders ausgedrückt: Wenn und weil das Bedingte ist, muss das Unbedingte sein. Es kann nicht nur kontingent Seiendes geben. Da das Seiende nur Sein-Habendes ist, verweist es notwendig auf anderes. Dies ist entweder selbst wieder nur Seiendes oder das absolute Sein selbst. Ein unendlicher Regress von Seiendem zu Seiendem ist unmöglich, da diese jeweils nur potentiell, aber eben nicht notwendig sind. Gebe es das reine, subsistierende Sein, das "ens a se" nicht, gebe es gar nichts. Weil Gott das "ens a se", d.h. das Sein aus sich, ist, spricht man auch von seiner Aseität.
Fideismus, (auch: Strenger Traditionalismus) theologische Richtung, extreme Form einer katholischen Glaubensphilosophie, nach der die übernatürliche Offenbarung als einzige Quelle des Glaubens auch Ursprung allen Wissens ist
Begründet durch Joseph de Maistre (1753-1821) und Louis de Bonald (1754-1840), dann durch Félicité de Lamennais (1782-1854) (Essai sur l'indifferénce en matière de religion I-IV, 1817-23) fortgebildet. Ähnliches findet sich auch bei Louis Eugène Marie Bautein (1796-1867).
Der Fideismus war neben Frankreich auch in Deutschland und Belgien präsent. Die Kritik, die letztlich zur Ablehnung des Fideismus als Häresie (Ketzerei) führte, machte sich gerade an der substantiellen Vorordnung der Gotteserkenntnis im Glauben vor derjenigen in der Vernunft fest, da sich die Theologie jedweder argumentativ darstellbarer Grundlage entblößt hätte.
Wenn es verursachtes, gewirktes Sein gibt, muss es das unverursachte Sein geben, die "prima causa" also die erste Ursache, ohne die auch keine folgenden und damit auch nicht die jetzigen Ursachen und Wirkungen wären. Teleologisch betrachtet sei aus der Ordnung der Natur auf einen weisen Ordner und Lenker zu schließen. Auf die Bewegung bezogen müsse es den unbewegten Beweger, auf Wahrheit, Gutheit, Einheit bezogen die Wahrheit, Güte und Einheit geben. Da die Nominaldefinition dem Menschen bei der Wahl der Begriffe eine gewisse Freiheit lässt, gibt es eine Reihe von Namen für das Absolute. Zum bekanntesten Namen heißt es bei Thomas von Aquin: "quam omnes Deum nominant" (Summe der Theologie I, q. 2, 3) also, dass dies(er) von allen Gott genannt wird.
Vom "Wesen" Gottes
Ursprünglich ist es Ziel der Gottesbeweise zu zeigen, dass Gott ist. Auf der Basis die fünf thomistischen Beweise meinen Befürworter, zeigen zu können, dass von Gott Folgendes gesagt werden kann: Er sei unbewegter Beweger, erste Wirkursache, notwendiges, absolutes Sein, höchstes, wahrstes Sein, mit Vernunft und Willen. Dass das Ende der fünf Beweisketten jedoch ein persönlicher Gott ist und nicht ein blindes Prinzip, bedarf jedoch weiterer Annahmen, die z.B. Thomas von Aquin in "Summe der Theologie" oder "Summe gegen die Heiden" ausführt. Die Gotteslehre wird dabei im Anschluss an die Gottesbeweise überwiegend im analytisch-deduktiven Verfahren entwickelt. Besonderer Wert wird zudem auf das Herausheben, die Analogie und die Verneinung gelegt: Je mehr "Negationen" feststünden, desto mehr verliere die menschliche Erkenntnis an Dunkelheit. Dass dem Menschen jedoch immer sehr viel mehr von Gott verborgen bleiben muss, als sich ihm erschließen kann, zeige sich u.a. daran, dass die Natürliche Theologie einer Vielzahl von Beweisen und Begriffen bedarf, obwohl Gott wesensmäßig in absoluter Weise Einheit sei.
Eine originelle Variante natürlicher Theologie ist der "Geschöpflichkeitsbeweis" im Rahmen einer relationalen Ontologie bei Peter Knauer SJ. Da Gott unbegreiflich ist, können wir nur das von ihm Verschiedene begreifen, das auf ihn verweist, also die Welt in ihrer Geschöpflichkeit. Geschöpflichkeit bedeutet dabei "restloses Bezogensein auf... / in restloser Verschiedenheit von...". Das nicht unter Begriffe fallende Woraufhin dieser einzigartigen Beziehung, die als solche die Welt konstituiert, nennen wir "Gott". Gott ist "ohne wen nichts ist" und daher in allem mächtig (aktuale Allmacht im Gegensatz zu einer bloß potentiellen Allmacht). Der Begriff der Geschöpflichkeit antwortet auf die Erklärungsbedürftigkeit der Welt: Die Welt und alles in ihr stellt ein problematisches Zugleich einander ausschließender Gegensätze wie Sein und Nichtsein, Identität und Differenz, Notwendigkeit und Kontingenz dar. Will man dies anders als logisch widersprüchlich und damit falsch beschreiben, muss man nach zwei Hinsichten suchen, die das Ganze umfassen und sich nicht wieder ausschließen. Diese Hinsichten findet man nur im Geschöpflichkeitsbegriff: Sein als restloses Bezogensein auf... / Nichtsein als restloses Verschiedensein von... usf. Aufgrund der Restlosigkeit des Bezogenseins des Geschaffenen auf Gott ist die Beziehung der Welt auf Gott einseitig. Gott ist nicht Bestandteil eines übergreifenden Systems. Auf das dadurch entstehenden Verstehensproblem, wie dann noch von "Gemeinschaft mit Gott" oder von "Offenbarung" gesprochen werden kann, kann faktisch nur die christliche Botschaft mit ihren trinitarisch-inkarnatorisch-pneumatologischen Gottesverständnis antworten: Gott ist der Welt mit einer Liebe zugewandt, die im Voraus dazu die Liebe Gottes zu Gott, des Vaters zum Sohn als der Heilige Geist ist, und die an nichts Geschöpflichem, also auch nicht etwa an unserer moralischen oder "religiösen" Leistung ihr Maß oder ihre Grenze findet. Diese Liebe ist ewig und unbedingt. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, um uns diese Liebe im Wort Gottes zu verkünden: An Jesus als den Sohn Gottes glauben bedeutet, auf sein Wort hin sich und die ganze Welt von Gott um seinetwillen und nach seinem Maß geliebt zu wissen. Dieser Glaube entmachtet die in unserer Todesverfallenheit und Verwundbarkeit wurzelnde Angst um sich, die sonst immer wieder der letzte Grund für alle Unmenschlichkeit ist.
Vertreter der Natürlichen Theologie beschreiben deren Argumentation wie folgt:
- Aus der Unbeweglichkeit und Unveränderlichkeit wird Gottes Ewigkeit gefolgert. Weil Gott demnach erste Ursache und notwendig ist, was alles Nichtseinkönnen ausschließt, ist er frei von jeglicher Potenz, also reiner Akt (actus purus). Damit ist er frei von jeder Zusammensetzung, ohne Materie und auch nicht von seiner Wesenheit zu unterscheiden. Da Gottes Wesen mit seinem Sein zusammenfällt, er das erste Sein, die oberste Ursache und reiner Akt ist, bleibt ihm jeder Mangel fern, ist er also vollkommen. Von der Vollkommenheit wird dann auch die All-Güte, die Einheit, die Allmacht und die Allwissenheit sowie die Tatsache, dass Gott schlechthin unendlich ist, geschlossen. Das Erkennen und Lenken aller Dinge setzt einen Willen voraus, und da dieser in absoluter und vollkommener Weise wirkt, folgt ebenfalls Gottes unendliche Liebe. Die vollkommene, intelligente Ursache allen Lebens und aller Personen ist nicht nur das Leben selbst, sondern auch Person. In seiner höchsten Vollendung ist Gott zudem nicht nur glücklich, sondern das Glück selbst, wie Thomas es als die Krönung der natürlichen Theologie ansieht.
Literatur
- Brugger, Walter: Philosophisches Wörterbuch, 21. Auflage, Freiburg 1992
- Brugger, Walter: Summe einer philosophischen Gotteslehre, München 1979
- Cramer, Wolfgang: Gottesbeweise und ihre Kritik - Prüfung ihrer Beweiskraft, Frankfurt am Main 1967
- Kälin, Bernhard: Lehrbuch der Philosophie. Band I: Logik, Ontologie, Kosmologie, Psychologie, Kriteriologie und Theodizee, Sarnen 1957
- Knauer, Peter, Unseren Glauben verstehen, Würzburg 2001 (6. Auflage), 20-33.
- Lehmen, Alfons: Lehrbuch der Philosophie auf aristotelisch-scholastischer Grundlage; Band III: Theodizee, fünfte, verbesserte Auflage, Freiburg im Breisgau 1923
- Seidl, Hans (Hrsg. und Übersetzer): Die Gottesbeweise in der "Summe gegen die Heiden" und der "Summe der Theologie", zweite Auflage, Hamburg 1986
- Thomas von Aquin: Summe der Theologie, deutsch-lateinische Ausgabe, hrsg. vom kath. Akademikerverband, Salzburg 1934
- Thomas von Aquin: Summe gegen die Heiden (Summa contra gentiles) Lateinisch Deutsch, hrsg. und übersetzt von Karl Albert und Paulus Engelhardt unter Mitarbeit von Leo Dümpelmann, Sonderausgabe, Darmstadt 2001
- Vries, Josef de: Denken und Sein, Ein Aufbau der Erkenntnistheorie, Freiburg 1937
Weblinks
- Die Gottesbeweise bei Thomas von Aquin Die Arbeit erläutert die Gottesbeweise und verteidigt sie gegen (moderne) Kritik
- Ausschnitt aus dem Katechismus der Katholischen Kirche Es wird die Möglichkeit der natürlichen Gotteserkenntnis philosophisch und theologisch begründet
- Natural Theology Kurzer englischer Text, der die natürliche Gotteslehre in Vergangenheit und Gegenwart darstellt
Siehe auch
Theologie, Gottesbeweis, Apologetik, Agnostiker, en:Arguments_for_the_existence_of_God, Theodizee, Christliche Apologie