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Slum

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Slum in Mumbai - größter Slum in Asien - 2004

Das englische Wort Slum (gesprochen ßlam) wurde zuerst um das Jahr 1820 in London bekannt. Ursprünglich stand Slum für "eine Wohnung mit niedrigem Standard". Slum beschrieb die armseligen Unterkünfte der Arbeiter nahe bei den Fabriken, die in gedrängt vollen Siedlungen mit schlechter Versorgung lebten; war dann die Bezeichnung für Stadtviertel mit schmutzigen Hintergassen. Ein Slum ist ein verwahrloster, verfallener Teil einer Stadt. Umgangssprachlich werden heute übervölkerte und verwahrloste Elendsviertel von Städten, die gewöhnlich von sehr armen Leuten bzw. städtischen Zuwanderern bewohnt werden, als Slum bezeichnet und damit die informellen Siedlungen, d.h. randstädtische Elendsviertel eingeschlossen. Charakteristisch sind eine heruntergekommene Bausubstanz und schlecht ausgebaute Infrastruktureinrichtungen.

Heute definiert UN-Habitat den Begriff Slum als "Siedlung, in der mehr als die Hälfte der Einwohner in unzumutbaren Unterkünften ohne grundlegende Versorgungseinrichtungen leben". Slumbewohner leben demnach "ohne Eigentumsrechte, Zugang zu sauberem Wasser, Zugang zu sanitären Einrichtungen und ohne ausreichenden Wohnraum".

Als Slums oder ungenauer Elendsviertel werden in Indien die Bazars, im Mittleren Osten die Compounds, in Argentinien die Marginalsiedlungen, in Brasilien die Villa Miserias und die Favelas und in der Türkei die Gecekondu oder Allgemein auch als Informelle Siedlungen bezeichnet.

Vorkommen

Slum in Jakarta, 2004
Slum in Jakarta
Datei:Glasgow-slum.png
Slum in Glasgow, 1871

Laut einem Bericht der vereinten Nationen lebt jeder sechste Mensch in einem Slum. Das heißt, dass es weltweit rund 1 Milliarde Menschen gibt, die in den Slums leben. Slums finden sich zumeist in den großen Städten der "Dritten Welt".

Slums sind durch eine hohe Armuts- und Arbeitslosenrate gekennzeichnet. Häufig treten auch soziale Probleme wie Kriminalität, Drogenmissbrauch und Alkoholismus verstärkt auf. In vielen Ländern sind sie aufgrund der schlechten sanitären Bedingungen Brutstätten von Krankheiten.

Die Entstehung von Slums wird im wesentlichen durch zwei Phänomene begünstigt.

  • Zum einen findet ein starker Zuzug (z.B. Landflucht) in die Ballungsräume statt. Der damit verbundenen demographischen Wandel innerhalb eines Zeitraums von weniger als einer Generation erschwert erheblich die Möglichkeiten zur Assimilierung der neuen Bevölkerung in die Stadt.
  • Zum anderen verharren die Bewohner der Städte in der Stadt. Durch innerstädtische Wanderungsbewegungen erfolgt eine Segregation in verschiedene Nachbarschaften.

Diese beiden Phänomene begründen für sich die Entstehung von Slums noch nicht. Sie führen in einer ersten Stufe zur Bildung von Stadtteieln mit sehr unterschiedlicher sozialer Struktur und zur Ghettos (Ghettoisierung). Die Siedlungsbereiche der schwächeren Bevölkerungsgruppen in diesem Gefüge können sich im Lauf der Zeit zu Slums verwandeln.

Die Rolle der innerstädtische Verkehrswege bei dieser Entwicklung ist ambivalent, da deren eigentlicher Zweck die Stadtteile zu verbinden auch von deren Trennungswirkung überlagert wird. Im besonderen gilt das für höherrangige Straßen und Autobahnen, deren Querung für die Bewohner erschwert wird.

Nicht alle Siedlungen, die äußerlich von einem Beobachter als Slum interpretiert werden, erfüllen bei näherer die Kriterien eines Slums. Städteplaner attestieren manchen Vierteln (z.B den Favelas im Umfeld von Caracas) bereits urbane Qualitäten. Dazu gehören funktionierende Nachbarschaften, kurze Wege, moderate Durchmischung von Wohn- und Gewerbenutzungen. Materieller Mangel der Bewohner führt dazu, dass Bauten, die den Maßstab sprengen, nicht entstehen. Wesentlich an diesen Stadtteilen ist die hohe Bebauungsdichte. Der fehlende Autoverkehr begünstigt die sonst ungünstige allgemeine Aufenthaltsqualität. In diesen Slums gibt es – wie in den Stadtkernen Europas vor über 100 Jahren - hygienische Probleme (z.B. fehlende Wasserversorgung, Kanalisation etc.).

Slums, die aus der Landflucht heraus entstanden sind, sind sozial wie technisch ähnlich organisiert wie die dörflichen Strukturen in der Heimat der Landflüchtigen. Stadtplaner scheitern hier oft an der Schwierigkeit, eine agrarisch geprägte Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit stadttauglich zu machen.

Multizentrale Städte mit kleinen selbstorganisierenden, aber durchmischten Nachbarschaften sind am ehesten geeignet, gegenseitige Verantwortung der Bevölkerung zu bilden und zu fördern und so dazu beizutragen, dass aus ärmlichen Stadtvierteln keine Slums werden, sondern sukzessive eine Verbesserung des Standards erreicht wird. Es ist dabei Wesentlich, das Bildungsniveau der Bevölkerung zu erhöhen.

Die Slums einiger westlicher Großstädte sind nicht aus der Landflucht entstandenen. Sie sind meist vorwiegend aus der Segregation von Nachbarschaften entstanden. Die öffentlichen Infrastruktur in diesen Gebieten wächst nicht in dem Maßen, wie die Anzahl der Bewohner. Auch hier kann durch soziale und technische Maßnahmen eine Verbesserung der Situation erzielt werden – allerdings mit dem Vorteil, dass die dortige Bevölkerung prinzipiell bereits städtisch geprägt ist.

Von derartigen Slumbildungen bleiben jedoch die Großstädte allein nicht verschont, da bereits in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts (in den USA 20-30 Jahre früher) die Stadtflucht einsetzte. Damit stehen nun ehemals dörfliche Gemeinden vor ähnlichen Problemen, wie Städte. Das Leben als Pendler ist heute für viele Arbeiter und Angestellte Realität. Das Ende der Finanzierbarkeit dieses Lebensstils ist jedoch absehbar und damit auch der Niedergang ländlicher Schlafstädte.

Viele Regierungen der Welt versuchen, das Problem der Slums zu lösen, indem sie die bauanfälligen alten Gebäude abreißen und sie durch moderne, meistens stark verdichtete Wohnsiedlungen mit besseren sanitären Anlagen ersetzen. Solche Lösungsversuche können scheitern, da sie nur bedingt auf die sozialen Probleme der Bevölkerung wirken.

Entstehung der Slums

Ein Slum in Pachuca, Mexiko.

Nach Mike Davis' "Planet of Slums" sei zur Erklärung, weshalb die Slums in den letzten Jahren förmlich "explodierten", zunächst zu erklären, weshalb die Städte in den "unterentwickelten" Staaten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vergleichsweise langsam wuchsen.

Die Gründe für das vorerst langsame Wachstum seien vielschichtig. Davis sieht hier einen wichtigen Grund im Kolonialismus - vor allem im britischen -, der den Kolonialisierten die Stadtrechte verweigerte. Hinzu komme, dass die sozialistischen Staaten, wie die VR China (bis 1980) und die Sowjetunion, mit ihrer Planwirtschaft ebenfalls ein zu starkes Stadtwachstum eindämmten. In Lateinamerika, wie z. B. Venezuela oder Mexiko-Stadt, wurde mit der Politik des Bulldozing versucht, die Slums klein zu halten.

Mit dem Ende des Kolonialismus fielen zugleich die politischen Stadtmauern, und die Menschen ergriffen das Recht auf Freizügigkeit. Hierzu wurden sie durch Hungersnöte und Verschuldung gezwungen, aber mehr noch durch Bürgerkriege und die Politik der Counterinsurgency. Die Einführung der kapitalistischen Logik sorgte in Staaten wie China und Russland mitsamt seinen Satellitenstaaten ebenfalls für ein rasches Anwachsen der Städte. Soziale Wohnungsbauten wurden in der Regel von den Mittelschichten und von Militärangehörigen beschlagnahmt. Der Sargnagel für ein gemäßigtes Städtewachstum und die Eindämmung der Slums war nach Davis schließlich das vom IWF eingeführte Strukturanpassungsprogramm (SAP), welches seit 1975 den Rückzug von Sozialmaßnahmen aus den Vierteln der Armen beschleunigte.

Vor allem war und ist das Slumwachstum eine Folge der Landflucht, bedingt durch die Pull-Faktoren (jene Faktoren, die die Menschen in die Stadt ziehen), und der Überbevölkerung und Armut auf dem Land.

Siehe auch

Literatur

Commons: Slums – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien