Straßburger Münster
Das Liebfrauenmünster (frz. Cathédrale Notre-Dame) in Straßburg ist ein römisch-katholisches Gotteshaus und gehört zu den bedeutendsten Kathedralen der europäischen Architekturgeschichte sowie zu den größten Sandsteinbauten der Welt. Wie die Stadt Straßburg im Allgemeinen verbindet auch das Liebfrauen-Münster deutsche und französische Kultureinflüsse.
Das Münster wurde 1176 bis 1439 an der Stelle eines abgebrannten Vorgängerbaus aus den Jahren 1015 bis 1028 errichtet, der seinerseits ein 1007 abgebranntes Gotteshaus aus karolingischer Zeit ersetzte. Das neue Gebäude entstand zunächst im romanischen (Apsis, Chor, Krypta und Querschiff), dann im gotischen Stil. Von 1625 bis 1874 war das Münster mit seinem 142 Meter hohen Nordturm das höchste Bauwerk der Menschheit.
Das Straßburger Münster ist mit seiner charakteristischen asymmetrischen Form (der Südturm wurde nie gebaut) bis heute das Wahrzeichen des Elsass und auch vom drei Kilometer entfernten deutschen Rheinufer, von den Vogesen und dem Schwarzwald aus weithin sichtbar.
Geschichte
Der zentral auf der Illinsel gelegene Hügel südlich von der Schnittstelle von Cardo (heute: Rue du Dôme) und Decumanus (heute: Rue des Hallebardes) der römischen Garnisonstadt Argentoratum diente bereits in der Antike zunächst als Herkules-und-Mars-Tempel, noch früher vermutlich als druidisches Heiligtum. Bereits im 4. Jahrhundert soll an der Stelle der Tempelruine ein erstes christliches Heiligtum aus Holz errichtet worden sein. Um 510 ließ König Chlodwig I. ein steinernes Gebäude errichten, das 675 von Bischof Arbogast unter der Schirmherrschaft vom Thronerben Dagobert vergrößert wurde. Um 775 wurde das Gotteshaus im karolingischen Stil erweitert, 873 jedoch wurde es zum großen Teil vom Feuer zerstört.
1007 wurde die inzwischen wiederhergestellte Kirche vom Blitz zertrümmert. Bischof Wernher leitete daraufhin den Bau eines prächtigen, dreischiffigen Neubaus im damals aufgekommenen romanischen Stil ein. Nachdem dieser 1176 abbrannte, wurde der Bau eines noch größeren Gotteshauses beschlossen. Apsis, Chor, Krypta und Querschiff, die allesamt dem Grundriss der Vorgängerbaus entsprechen, entstanden in Laufe des nächsten Dreivierteljahrhunderts. 1235 bis 1245 wurde mit dem Bau des Langhauses begonnen, in einem Stil, der noch der bereits aus der Mode kommenden Romanik verpflichtet war. Nach einer Unterbrechung von acht Jahren wurde der Neubau des Langhauses dann 1253 bis 1275 im aufkommenden gotischen Stil unternommen.[1] Am 2. Februar 1276 begann Erwin von Steinbach im Auftrag des Bischofs Konrad von Lichtenberg mit dem Bau der Fassade, gefolgt nach seinem Tod am 17. Januar 1318 von seinem Sohn Johannes (sein anderer Sohn, Gerlach arbeitete derweil an der Stiftskirche Niederhaslach).
Die ursprünglich zweitürmig geplante Fassade (nach dem französischen Vorbild der Kathedralen von Paris und Reims) wurde durch Ergänzung eines Mittelbaus über dem Fensterrosengehäuse zu einem gleichmäßig hohen (66 Meter) Turmstumpf, der1365 vollendet. Nachdem der nördlich aufgesetzte Sockel des nun eigentlichen Turms unter der Leitung von Ulrich Ensinger fertiggestellt wurde, wurde auf diesen 1429 bis 1439 das Oktogon vom Kölner Architekten Johannes Hültz aufgesetzt, der das Straßburger Münster zu einer Höhe von 452 rheinischen Fuß (142 m) brachte.[2] Im 16. Jahrhundert entstand an der Nordseite des Querschiffs das Laurentiusportal, ein reich geschmücktes Werk der Renaissance.
Nach der Annexion des Elsasses an das katholische Frankreich (1681) wurde das Kircheninnere gemäß der katholischen Liturgie umgestaltet und der 1252 entstandene Lettner 1682 herausgebrochen, um die Choranlage in Richtung Langhaus zu erweitern. Im 18. Jahrhundert wurde das Münster mit einer Galerie im neugotischen Stil umgeben, im 19. Jahrhundert restaurierte Dombaumeister Gustave Klotz den im Deutsch-Französischen Krieg durch preussisches Artilleriefeuer beschädigten romanischen Vierungsturm. Ende des 19. Jahrhunderts erhielt das Chorgewölbe auch seine Ausmalung im neubyzantinischen Stil. Weitere Schäden erlitt das Gebäude am 11. August 1944, als es von englischen und amerikanischen Fliegerbomben getroffen wurde.
Der Stadt Straßburg war es im späten Mittelalter gelungen, die Herrschaft des Bischofs abzuschütteln und zur Freien Reichsstadt aufzusteigen. Schon früh fand die Reformation in der Stadt Eingang, 1534 wurde eine lutherische Kirchenordnung erlassen und das Münster wurde zu einer evangelischen Kirche. Nach der Besetzung der Stadt im Rahmen der Reunionspolitik Ludwigs XIV. am 30. September 1681 wurde das Münster wieder an die Katholiken zurückgegeben. In Anwesenheit von Fürstbischof Franz Egon von Fürstenberg und Ludwig XIV. wurde eine Messe im Münster abgehalten. Im Rahmen der Französischen Revolution wurden zahlreiche Portal- und Fassadenstatuen des Münsters beschädigt oder zerstört und sind seitdem durch Kopien ersetzt. 1892 wurde die Kirche durch Papst Leo XIII. zur Basilica minor erhoben.
Architektur


Das Gebäude wurde aus rosa Vogesensandstein (grès rose des Vosges) errichtet.
Während die östlichen Bauteile, vor allem Krypta, Chor und Südportal, noch der ausgehenden Romanik angehören, sind Langhaus und vor allem die berühmte, mit tausenden Figuren geschmückte Westfassade Meisterwerke der Gotik.
Als Wahrzeichen und Bischofskirche der wohlhabenden Freien Reichsstadt Straßburg ist das Münster der deutschen Baugeschichte zuzurechnen. Ähnlich wie beim Kölner Dom orientierten sich die Baumeister, darunter Ulrich von Ensingen (der zuvor am Ulmer Münster tätig war) und Erwin von Steinbach, allerdings an Einflüssen der französischen Kathedralgotik. Dazu zählen etwa die Doppelung der Westtürme und die sich dadurch ergebende breite Westfassade sowie der basilikale Aufriss des Langhauses im Unterschied zu den in Deutschland beliebteren Hallenkirchen.
Ausmaße
- Aussenlänge gesamt: 110 Meter
- Innenlänge gesamt: 103 Meter
- Innenhöhe des Mittelschiffs: 32 Meter
- Innenbreite des Mittelschiffs: 16 Meter
- Höhe der Fassade: 66 Meter
- Durchmesser der Fassadenfensterrose: 15 Meter
- Höhe des Nordturms: 142 Meter
Städtebau
Der Münsterplatz gehört zu den schönsten europäischen Stadtplätzen. Dominiert von der Westfassade des Münsters, stehen hier zahlreiche, teilweise vier- bis fünfgeschossige Fachwerkhäuser im Stile alemannisch-süddeutscher Architektur. Charakteristisch sind die steilen Dächer mit bis zu vier Dachgeschossen. An der Nordseite des Münsterplatzes steht das bekannte, reich verzierte Kammerzellhaus.
Innenausstattung
- Zahlreiche Bleiglasfenster, vorwiegend 12. bis 15. Jahrhundert
- Taufstein von Jost Dotzinger, 1443
- Kanzel von Hans Hammer, 1486
- Skulpturengruppe „Christus am Ölberg“, 1498 (zuvor in der Thomaskirche
- Schwalbennestorgel im Langhaus (Gehäuse/Prospekt von 1385, 1491; heutige Mechanik und Register von Alfred Kern, 1981)
- Chororgel von Joseph Merklin, 1878
- Apostelbüsten im Chor, Holz, 17. Jahrhundert
- Altäre (16. bis 19. Jahrhundert)
Die astronomische Uhr
Bemerkenswert ist die astronomische Uhr. Ihre Vorläuferin, die Dreikönigsuhr, wurde 1354 erbaut. Ab 1547 wurde sie durch eine Uhr ersetzt, die bereits astronomische Funktionen hatte und bis 1780 lief. 1832 wurde Jean-Baptiste Schwilgué mit der Renovierung beauftragt. Er konstruierte ein völlig neues Uhrwerk, dessen Funktionen einmalig in der Welt sind. Die Uhr zeigt die Erdbahn, die Mondbahn und die Bahnen der damals bekannten Planeten (Merkur bis Saturn) an. Am erstaunlichsten ist das Räderwerk, das in der Silvesternacht abläuft und das Basisdatum für die beweglichen Feiertage errechnet. Den Rekord für langsam drehende Zahnräder stellt wohl der Teil der Uhr auf, der die Präzession der Erdachse nachbildet - eine Umdrehung in 25.800 Jahren. Sie ist aber auch die einzige Uhr, auf der ganzen Welt, die 13 Uhr schlägt.

Sonstiges
Der junge Goethe drückt in seinem Text „Von deutscher Baukunst“ (1772) seine Verehrung für das Münster aus.
Bemerkenswert ist das Südostportal des Münsters. Dort hat das Pauluszitat (2 Kor 3) eine steinerne Ausformung gefunden: Die weibliche personifizierte Kirche, erhobenen Hauptes und mit Herrscherstab in der Hand, steht der ebenfalls weiblichen Synagoge gegenüber. Diese jedoch gebeugt mit einer Binde vor den Augen und die Lanze in der Hand vierfach gebrochen.
"Zwischen Paulus und diesen beiden Frauenskulpturen liegen die Schmähpredigten der Kirchenväter und über ein Jahrtausend der Entrechtung, Erniedrigung und Demütigung der Juden." (Lit.: Pinchas Lapide, 2001, S.91).
Galerie
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Kammerzellhaus (zweites von links) neben dem Münster
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Linkes Portal des Straßburger Münsters
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Skulpturen am mittleren Portal der Fassade
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Detail eines Fassadenportals
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Marienkrönung
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Mittelschiff mit Blick zur Chorapsis
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Romanische Chorapsis
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Außenansicht der Fensterrose
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Die Fensterrose der Fassade
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Anbetung der Könige
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Die Langhausorgel mit ihrem erhaltenen gotischen Gehäuse
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Die Kanzel
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Ölberg und Kruzifix
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Der Chorturm, von der Münsterplattform aus gesehen
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Wasserspeier
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Figur am Abstieg der Aussichtsplattform
Siehe auch
Einzelnachweise
Literatur
- Benoît van den Bossche: Straßburg, das Münster. Fotografien von Claude Sauvageot. Schnell & Steiner, Regensburg 2001. ISBN 3-7954-1387-7 (vom ehem. Verlag der Mönche in Saint-Léger-Vauban, Département Yonne, Région Bourgogne (Burgund).
- Rezension (pdf-Datei)
- Pinchas Lapide: Paulus zwischen Damaskus und Qumran. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1993, 42001, S.91. ISBN 3-579-01425-0 (hier Zitat z. Südostportal u. Paulus)
- August Raichle: Das Münster zu Straßburg. Mit einer Einführung von Alfred Stange. Reihe Das kleine Kunstbuch. Knorr & Hirth Verlag, Ulm.
Weblinks
- Commons: Strasbourg Cathedral – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Offizielle Website
- Seite der Münsterbauhütte
- Münsterbeschreibung von Schadaeus 1617
- Meister Eckhart und seine Zeit - Bauwesen - Straßburger Münster
- Die gotische Langhausorgel
- Die Chororgel von Joseph Merklin
- Die Kryptaorgel
- Fotos bei "Einige gotische Kathedralen"