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Trilok Gurtu

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Trilok Gurtu (* 30. Oktober 1951 in Bombay) ist ein indischer Percussionist und Sänger, der vor allem als Vermittler zwischen indischen und westlichen Musik-Traditionen berühmt geworden ist. Während man ihn Mitte der Achtziger Jahre als zugehörig zu der Welt des Jazz gesehen hat gilt er seit Mitte der Neunziger als Vertreter der "Weltmusik". Im neuen Jahrhundert, sucht er mehr als zuvor die Zusammenarbeit mit Musikern aus seiner alten Heimat, bleibt dabei aber seiner Wahlheimat Hamburg treu.

Kindheit und Jugend

Trilok Gurtu wurde in eine hochmusikalische Familie in Bombay hineingeboren. Seinen Großvater bezeichnet Gurtu als einen sehr guten Sitar-Spieler, sagt allerdings dass dieser Großvater auf Auftritte verzichtet hat, da es aus finanzieller Sicht keine Notwendigkeit dafür gab. Seine Mutter, Shobha Gurtu, dagegen tritt mit ihrer Kunst, dem klassischen nordindischen Gesang, öffentlich auf. Sie gilt als eine der größten Sängerinnen ihres Landes.

Gurtu hat in mehreren Interviews berichtet, dass er in der Kindheit ständig Musik um sich herum hatte und dass er von seiner Umgebung zu musikalischen Übungen angehalten wurde. Bereits im Alter von fünf Jahren begann er, die Tablas zu spielen. Wichtige Anregungen kamen dabei von seinem älteren Bruder, Ravi, der sich vor ihm bereits auf die Perkussion verlegt hatte. Der Bruder brachte immer mal wieder auch Platten mit Latin-Musik ins Haus, und bereits als Kind versuchte Gurtu, die Konga-Parts aus den gehörten Latin-Stücken nachzutrommeln.

Schon im Alter von zehn Jahren hatte er zusammen mit dem Bruder eine Perkussionsgruppe, und es gab Engagements für Konzerte an den Universitäten. Zu dieser Zeit hatte er neben dem Tabla-Spiel auch gelernt, mit Bongos und mit dem Schlagzeug umzugehen. Als er sechzehn Jahre alt war, also circa im Jahr 1967, nahm er Arbeiten in Kinos und in Hotels an. Die Arbeit in westlich ausgerichteten Hotels bot ihm mehr als zuvor die Möglichkeit, sich mit westlicher Musik vertraut zu machen. Wenn es um die Musiker geht, die ihn damals beeinflusst haben, dann nennt er vor allem John Coltrane, Jimmy Hendrix, James Brown und The Supremes.

Auf Wunsch des Vaters begann er ein Studium, konnte sich aber für die Studienhalte nicht begeistern. Wichtiger war für ihn, dass er sich im Jahr 1969 einer Gruppe namens Waterfront anschließen konnte. Waterfront spielte in Diskotheken und manchmal auch auf Pop-Konzerten. Da man als Musiker in Indien nicht gut Geld verdienen konnte, gab man die Auftritte im Jahr 1973 auf. Für Gurtu waren das immer noch Zeiten, in denen er sich kein eigenes Schlagzeug leisten konnte und sich daher seine Instrumente bei Freunden leihen musste.

Kontaktaufnahmen mit Musikern der westlichen Welt

Im Jahr 1973, im Alter von 21 Jahren, verließ er Indien und reiste durch Europa - zuerst mit der Band Waterfront und später als Teil der Truppe von R.D. Burman und Asha Boshle. Er lebte für einige Zeit in Italien und kehrte dann nach Indien zurück. Über diese Zeit sagt er: "Ich verstand es, Stücke von Hendrix auf den Tablas zu spielen, aber keiner kümmerte sich darum."

Als er wieder zurück in Bombay war, spielte er auf dem Jazz Yatra Festival zusammen mit Charlie Mariano. Mariano war der erste westliche Musiker, mit dem er zusammen auftreten konnte.

Gurtu bewarb sich mit einer Empfehlung von Charlie Mariano in den USA beim Berkeley College of Music, wurde aber abgelehnt. (Als sich Jahre später die internationale Beachtung und viele Ehrenpreise eingestellt hatten, bekam er vom selben College die Ehrenmitgliedschaft angeboten, und da war es dann er, der ablehnte.)

Im Jahr 1977 reiste er mit dem indischen Pop-Sänger Asha Boshle nach New York. Anschließend ging er nach Deutschland und spielte mit der deutschen Rock-Band Embryo zusammen. Da sich mit diesen Engagements nicht genug Geld verdienen ließ, ging er nach Schweden um dort mit dem Jazz-Trompeter Don Cherry zusammenzuarbeiten.

Jazz und Klassik

Über Don Cherry kam er in Verbindung mit Jazz-Musiker wie Archie Shepp, Jan Garbarek, Philip Catherine, Shankar, Gil Evans, Airto Moreira und Paul Bley. Er nahm Stücke auf mit Catherine, Shankar, Mariano, Bley, and Barre Phillips. Man arbeitete für zwei Jahre zusammen.

Danach ging er nach Woodstock, New York, um dort Unterricht zu geben. Dort begegneten ihm die Jazz-Musiker Jack DeJohnette, Pat Metheny, Nana Vasconcelos, und Collin Walcott.

In der Gruppe Oregon wurde er Nachfolger von Collin Walcott, nachdem dieser bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Von 1984 bis 1988 bereiste er zusammen mit Oregon die Welt. Zusammen mit Jan Garbarek und Zakir Hussain gehörte er außerdem zum Quartett von L. Shankar. Mit Jan Garbarek spielte er 1985 dessen Album "Song for Everyone" ein.

1988 trat er bei europäischen Festivals mit einer eigenen Band auf. Seine erste LP war "Usfret". Die Musik von Usfret ist Session-Musik, bei der nur die Percussion vorher festgelegt worden war. Beteiligt waren Don Cherry, Ralph Towner, L. Shankar, Jonas Hellborg, Gurtus Mutter. Das Album erwies sich als nicht erfolgreich. Die Kritik und auch die Fans vermochten seinen Visionen von Musik nicht zu folgen.

Es folgte das mehr durchstrukturierte Album Living Magic (1991). Beteiligt waren Jan Garbarek als Saxophonist und Nana Vasconcelos als Percussionist. Mit diesem Album geriet er noch mehr als zuvor in die Welt des Jazz hinein.

Mitte der 80er ist Gurtu eine feste Größe in der Musikwelt. Neben seinen Auftritten mit Jazz-Künstlern zieht es ihn immer wieder zur Zusammenarbeit mit Vertretern der klassischen Musik, etwa den klavierspielenden Lebeque-Schwestern oder dem Cello-Virtuosen YoYoMa.

Im Jahr 1988 wurde der Gitarrist John McLaughlin auf Gurtu aufmerksam, als dieser zusammen mit Charlie Mariano bei einem Festival in Deutschland auftrat. Er lud ihn ein, das McLaughlin-Trio musikalisch zu ergänzen. Für vier Jahre war er fester Bestandteil von McLaughlins Mahavishnu Orchestra, inbegriffen waren mehrere Welttourneen und Albumeinspielungen. Daneben gab es in dieser Zeit Zusammenarbeit mit Joe Zawinul, Bill Laswell, Maria Joao, Gilberto Gil, Pharoah Sanders, Annie Lennox und Pat Metheny.

Im Sommer 1993 war war Gurtu mit seinem eigenen Trio unterwegs, um das eigene Album The Crazy Saints zu fördern. Bei The Crazy Saints standen Joe Zawinul und Pat Metheny im Vordergrund. Die Musik verband subtile indische Rhythmen und indischen Gesang mit Elementen des modernen Jazz und Rock.

Im folgenden Jahr wurde die Band zu einem Quartett erweitert. Auf dem Programm stand eine Tour, die in den USA von Ostküste zu Westküste führte und zu der außerdem mehr als 40 Auftritte in Europa gehörten.

Zu den Mitspielern auf den nächsten Alben gehörten Neneh Cherry, Angelique Kidjo, Steve Lukather und Salif Keita. Das fünfte von Gurtus Alben erschien 1996. Bad Habits war der Titel. Es handelt sich um Live-Aufnahmen von zwei Konzerten im Kölner Stadtgarten

"Weltmusik"

Man kann sagen, dass Gurtu sich im Jahr 1996 dem Weltmusik-Zirkel zugewendet hat. Auf seinen Alben sind ab jetzt nicht vorwiegend Größen aus Jazz und Rock vertreten, sondern immer mehr auch Künstlerpersönlichkeiten, die nicht dem westlichen Kulturkreis angehören.

Seine Band von 1999 umfasste drei Inder und zwei Afrikaner. Mit dieser Gruppe nahm er das Album African Fantasy auf, die erste Veröffentlichung, mit der er sich deutlich der afrikanischen Musik zuwendete. Es gibt indischen Gesang zu hören, Sitar- und Sarangi-Klänge und eine große Anzahl an Percussion-Instrumenten aus aller Welt. Die Verkaufszahlen der African Fantasy-CD übertrafen die von allen vorhergehenden Alben.

In einer Zeit, in der er viele Auftritte mit seiner Gruppe absolvierte, gab es für ihn außerdem prestigeträchtige Solo-Auftritte und Gastauftritte auf Alben von John McLaughlin, Pharoah Sanders, Nitin Sawhney, Lalo Schifrin, Gilberto Gil und Bill Laswell.

Für das auf African Fantasy folgende Album The Beat of Love (2001) waren wieder die Musiktraditionen Afrikas und Indiens maßgebend. Er versammelte für dieses Album einige der angesehensten afrikanischen Sänger unserer Zeit. Zu diesen gehören Salif Keita (Mali), Angelique Kidjo (Benin), Wasis Diop (Senegal), Jabu Khanyile (Süd-Afrika), und Sabine Kabongo. Zahlreiche Stücke wurden in Indien aufgenommen. Dance With My Lover íst ein Stück, das im afrikanischen Juju-Stil komponiert ist; es wurde auschließlich mit indischen Musikern aufgenommen. Das Ergebnis wirkte erstaunlich authentisch und hatte doch einen indischen "Dreh".

Remembrance (2002) ist das erste Album, das Gurtu ausschließlich mit indischen Musikern eingespielt hat, darunter seine Mutter, Shoba Gurtu, und der Tabla-Spieler Zakir Hussain. Die Musik von Remembrance ist indische Musik, die allerhand Zugeständnisse an die Hörgewohnheiten in der westlichen Welt bietet.

Es gab Aufsehen erregende Musik-Ereignisse, an denen Gurtu beteiligt war. So musizierte er im Londoner Hyde Park zum 50. Thronjubiläum der Queen sowie bei einem Konzert in Bombay zum 70. Jubiläum des BBC World Service mit Youssou N’Dour und Baaba Maal. Im Hafen von Kopenhagen trommelte er mit dem koreanischen Perkussionisten Samul Nori auf einer schwimmenden Bühne.

Für sein elftes Soloalbum Broken Rhythms (2004) engagierte er neben dem irischen Blues-Gitarristen Gary Moore das italienische Arké String Quartett, den tuvinischen Obertonchor Huun Huur Tu, den 'Teufelsgeiger' Ganesh Kumar, Sitar-Meister Ravi Chary, sowie mehrere indische Vokalistinnen.

Eine Besonderheit bei Gurtus Auftritten besteht darin, dass er seine Percussion-Instrumente häufig auf dem Boden um sich herum versammelt. Meistens sind vertreten: Becken, HiHats, Snaredrums, TomToms, Congas, indische Tablas und Dhol-Trommeln, Gongs und Glocken, außerdem meistens auch ein Eimer Wasser, in die er hallende Gegenstände hält, so dass verblüffende Effekte entstehen.

Auszeichnungen

Trilok Gurtu hat in den Jahren 1994, 1995, 1996, 1999, 2000, 2001 und 2002 den Kritiker-Preis der Zeitschrift Downbeat als bester Perkussionist des Jahres gewonnen.

1999 wurde er von den Lesern des "Drum Magazine" zum besten Perkussionisten des Jahres gewählt.

Zitate

"Als ich 1977 in den Westen kam, spielte ich nur mit Jazzmusikern. Das war eine sehr kreative Phase und Jazzer waren ebenso angesehen wie Popmusiker. Mittlerweile hat sich Jazz zu einer intellektuellen Musik für ein kleines Publikum gewandelt. Ich aber bin kein Jazzmusiker, sondern ein indischer Musiker, der moderne indische Musik spielt, und zwar für junge Leute."

Diskografie

  • 1987 - Usfret (CMP)
  • 1991 - Living Magic (CMP)
  • 1993 - Crazy Saints (CMP)
  • 1995 - Believe (CMP)
  • 1996 - Bad Habits Die Hard (CMP)
  • 1997 - The Glimpse (CMP)
  • 1998 - Kathak (ESC Records)
  • 2000 - African Fantasy (ESC Records)
  • 2001 - The Beat Of Love
  • 2002 - Remembrance
  • 2004 - Broken Rhythms (EXIL)