Zum Inhalt springen

Ölpapierschirm

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Dezember 2007 um 17:19 Uhr durch Wing (Diskussion | Beiträge) (Yinyang, Yunnan). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Ölpapierschirm

Ein Ölpapierschirm ist ein ursprünglich aus dem Festlandchina stammender traditioneller Schirm aus in Öl getränktem Papier. Später verbreitete er sich in den anderen Gegenden Asiens wie Japan, Taiwan, Korea, Vietnam, Thailand oder Laos. Früher war er in diesen Gegenden ein Gebrauchsgegenstand, diente sowohl als Regen- wie auch als Sonnenschirm.

Auch in traditionellen Zeremonien spielte er eine Rolle. So musste in China die Trauzeugin während einer traditionellen Hochzeit die Braut mit einem roten Ölpapierschirm verdecken, wenn sie bei der Familie des Bräutigams ankam und die Braut aus der Sänfte stieg, um Unglück abzuwehren. Ebenso wird bei der traditionellen japanischen Hochzeitszeremonie die Braut mit einem roten Ölpapierschirm bedeckt. Lilafarbene Ölpapierschirme verschenkt man an ältere Menschen, da Lila in der Tradition langes Leben bedeutet. Bei Trauerfeiern werden weiße Ölpapierschirme benutzt. Im traditionellen japanischen Tanz sind Ölpapierschirme ein wichtiges Utensil. Auch in der Teezeremonie werden Ölpapierschirme benutzt.

In der Hakka Tradition spielten Ölpapierschirme eine wichtige Rolle. Da in der Hakka-Sprache die Schriftzeichen 紙 (Papier) und 子 (Sohn) die gleiche Aussprache haben, und das Schriftzeichen 傘 (Schirm) das Zeichen "vier" 人 (Mensch) enthält, nimmt die Braut immer Ölpapierschirme mit, was soviel wie große Nachkommenschaft bedeutet. Der aufgespannte Schirm mit seiner kreisrunden Form verbunden mit den Hakku-Sprachzeichen 油 (Öl) und 有 (Haben) (gleiche Aussprache), verheißt ein wohlhabendes und vollkommenes Leben. Aus gleichem Grund werden Männern beim Erreichen des 16. Lebensjahres Ölpapierschirme geschenkt.[1]

In den religiösen Zeremonien werden auch oft Ölpapierschirme über die Sänfte der Götter oder Buddha-Statuen gehalten. Auch hier dienten die Schirme zur Abwehr von Unglück und Dämonen, aber auch zum Schutz der Prozessionsteilnehmer vor Sonne oder Regen.

Heute sind im Alltag Asiens mehr Schirme westlichen Stils anzutreffen. Ölpapierschirme werden meist als Kunstgewerbe oder Souvenirs verkauft.

Geschichte

Geschichte "Madame Weiße Schlange" mit der Ausleihe eines traditionellen Ölpapierschirms Schlüsselszene. Wandmalerei. Sommerpalast Beijing

Der Sage nach hat die Frau des Handwerkers Lu Ban (魯班) den Schirm erfunden, indem sie "Bambus in Streifen spaltete und Tierhäute darüberspannte". So schuf sie ein Gerät das "zusammengefaltet wie ein Stock, aufgespannt wie ein Deckel" aussah (劈竹為條,蒙以獸皮,收攏如棍,張開如蓋). Anfangs waren die Schirme zumeist mit Federn oder Seide bespannt. Nach der Erfindung des Papiers kamen auch Papierschirme auf. Ab wann man in Öl getränktes Papier als Bespannung benutzte, ist nicht genau bekannt. Nachweislich kam diese Technik während der Tang-Dynastie nach Japan und Korea. Zur Song-Zeit kam die Bezeichnung grüner Ölpapierschirm auf. Während der Ming-Dynastie waren sie schon sehr verbreitet. Das Handwerkslexikon Tian Gong Kai Wu (天工開物) aus der Ming-Zeit erwähnte die Herstellungsverfahren. Auch Shen Kuo beschrieb in seinem Buch die Herstellung von Ölpapierschirmen. Besonders im Gebiet des Yangtse mit seinem regnerischen Frühling war Ölpapierschirmherstellung weit verbreitet. In einigen literarischen Werken wie Madame Weiße Schlange (白蛇傳) spielen Ölpapierschirme ebenfalls eine Rolle.[2]

Herstellungsschritte

Jedes Ort und jeder Hersteller hat seine eigene Herstellungstradition. Aber im Allgemeinen kann man der Prozess in vier Schritten unterteilen:

  1. geeigneten Bambus auswählen
  2. Gerüst herstellen: Bambus wird gespalten und in Streifen geschnitten, in Wasser aufgeweicht und später unter der Sonne getrocknet. Danach werden darauf Löcher gebohrt, zusammengesetzt, Fäden durch die Bohrung gefädelt und mit dem Schirmhalter und Schirmkopf zusammengebunden
  3. Schirmoberfläche auftragen: Papier wird zurechtgeschnitten und dann auf das Gerüst geklebt. Überstehende Ränder werden gekürzt, Öl aufgetragen und danach unter der Sonne getrocknet. Prinzipiell ist ein Schirm in dieser Phase bereits nutzbar.
  4. Bemalen des Schirms mit Bildern

Ölpapierschirm aus Festlandchina und Taiwan

Traditioneller chinesischer Ölpapierschirm

Ölpapierschirme aus Festlandchina und Taiwan werden meist mit traditioneller chinesischer Malerei verziert. Als Motive dienen oft Vögel und Fische, Landschaften sowie Motiven aus berühmten Romanen wie Der Traum der roten Kammer. Oft werden die Schirme mit Schriftzeichen versehen. Griff und Gerüst behalten meist ihre ursprüngliche rustikale Farbe.

Berühmte Herstellungsorte in China

Yuhang, Zhejiang

Die Ölpapierschirmherstellung begann in Yuhang (餘杭), einem Stadtteil der Provinzhauptstadt von Zhejiang Hangzhou, wo Dong Wenyuan (董文远) 1769 seine Werkstatt eröffnete. Sie produzierte mehrere Sorten Ölpapierschirme von hoher Qualität, da nur erlesenes Material verwendet wurde. Die Schirme weisen eine mehrjährige Witterungsbeständigkeit gegen Sonne wie Regen auf, was sie auch zu einem beliebten Souvenir bzw. Geschenk machte.[3]

Nach dem Chinesischen Bürgerkrieg begann man im Jahr 1951 erneut mit der Ölpapierschirmherstellung. Die Schirmwerkstatt zählte zu den ersten sozialistischen Kollektiven der Provinz. Mit dem Aufkommen moderner Schirme mit Stahlskelett kamen die Papierschirme jedoch allmählich außer Mode, so dass die Herstellungstechnik beinahe in Vergessenheit geriet.[4]

Als das Werk schloss, kaufte ein Bürger etwa 100 Ölpapierschirme auf. Da er selbst die Herstellungstechnik nicht beherrschte, bewahrte er nur die Skelette der Schirme über 30 Jahre auf. Ende 2006 überredete er den Bürgermeister von Yuhang, das Handwerk wieder zu beleben und als Touristenattraktion zu vermarkten. Durch Zeitungsannoncen fand man vier alte Meister, die die Schirmherstellung wiederbelebten und fortan weitere Handwerker ausbilden konnten. 2007 setzte das Kulturamt die Ölpapierschirmherstellung auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Provinz.[5]

Die Herstellung der Yuhang Ölpapierschirme erfordert hohes handwerkliches Geschick. Ein Lehrling braucht mindestens drei Jahre, um die Herstellungstechnik zu beherrschen. Alle Werkzeuge werden eigens angefertigt. Auch die Anforderungen an die Rohstoffqualität sind hoch: Verwendet werden nur hochwertige Papiere. Der Kleber besteht aus zerstampften unreifen Kakifrüchten. Früher dienten menschliche Haare als Fäden. Anders als die Ölpapierschirme anderer Regionen werden die Schirme zuerst bemalt und dann geölt. Das Trocknen erfolgt im Schatten und nicht in der Sonne. Für den gesamten Herstellungsprozess sind über 70 einzelne Eingriffe erforderlich.

Fenshui, Sichuan

Die über 400jährige Tradition der Schirmherstellung in Fenshui (分水), einer Gemeinde in der Stadt Luzhou (瀘州), Provinz Sichuan stammt aus der Ming-Zeit. Die dort produzierten Schirme sind relativ klein und fein und farbenprächtig bemalt: Sie können heftigen Windböen widerstehen.

Das Aufkommen moderner Schirme brachte auch hier einen Niedergang der Ölpapierschirmherstellung. Die aufwändig und arbeitsintensive Herstellung macht sie für jüngere Leute unattraktiv. Im Jahr 2004 gab es noch etwa 30 ältere Meister, die dem Handwerk nachgingen, so dass vielfach ein Verlust der Fertigungstechnik befürchtet wird.[6] Aufgrund öffentlichen Drucks sowie wachsender Nachfrage der Tourismusbranche erfuhr das Handwerk eine Förderung der Stadt und erlebte eine Wiederbelebung.

Die Herstellung der Fenshuischirme erfolgt in über 70 Einzelschritten, die ohne Maschine per Handarbeit erfolgen. Als Rohmaterial dienen nur traditionelle Rohstoffe. Das einen Fenshuischirm kennzeichnende Siegel ist über 450 Jahre alt. Die Motivauswahl für die Bemalung der Schirme unterliegt strengen Regeln - je nach beabsichtigter Zeremonie.

Hauptabnehmer der Ölpapierschirme sind vor allem Angehörigen ethnischer Minderheiten in den angrenzenden Provinzen, die die Schirme als Zeremonienutensilien oder Geschenke nutzen. Exporte gehen nach Japan, Singapur, Südkorea, Hongkong und Macao. [7]

Jialu, Jiangxi

Die in Jialu (甲路), einem Dorf im Landkreis Wuyuan (婺源), Provinz Jiangxi, hergestellten Schirme haben eine rustikale Erscheinung und sind für ihre Robustheit berühmt. Angeblich fertigte man dort bereits seit der Song-Dynastie Ölpapierschirme. Man überliefert, dass eines Tages Kaiser Kangxi verkleidet nach Wuyuan kam. Als es während einer Freilufttheateraufführung zu regnen begann, spannte man in den vorderen Reihen die Schirme auf, was zu Unmut bei den hinteren Zuschauern führte. Ein Jugendlicher warf daraufhin einen Stein nach einem Schirm; dieser Schirm aus Papier und Bambus blieb jedoch unversehrt. [8]

1943 betrug die jährliche Produktion 250.000 Schirme, die Mehrheit davon für den Export. Anfang der 2000er Jahre gab es im Dorf nur noch drei über 80jährige Meister, die die Handwerk beherrschten. Daraufhin wurde das Herstellungsverfahren vereinfacht. Der Herstellungsprozess wurde auf etwa 30 Schritte reduziert. Den Bauern wurden Anreize geschaffen, wieder Ölpapierschirme herzustellen. Im Jahr 2006 gab es in Wuyuan insgesamt vier Fabriken. Die meiste Arbeit verrichten die Bauern zu Hause; die abschließende Verarbeitung erfolgt in den Fabriken. Insgesamt gab es im Jahr 2006 etwa 1.800 Schirmhersteller im Landkreis, sie erwirtschafteten im Jahr acht Millionen Yuan (umgerechnet etwa 800.000 Euro).[9]

Changsha, Hunan

Die Hauptstadt des Provinzes Hunan Changsha kann eine Schirmherstellungsgeschichte von über 100 Jahre aufweisen. Nachweislich entstand zur Zeit Kaisers Xianfengs die älteste Manifaktur. Später kamen andere Manifakturen hinzu. Die Schirme wurden nur zu Hochsommerzeit drei mal mit Öl gestrichen und wiesen hohe Qualität auf.

Außer traditionelle Malerei versuchte man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch mit neuere Techniken wie zum Beispiel Druck und Lakierung. Zu ihre Hochzeit wurde in der Stadt jährlich 300.000 Schirme hergestellt. Februar 1975 wurde jedoch die Manifaktur geschlossen. Auch andere Werkstätten schließend danach, so dass heute in der Stadt kaum noch Ölpapierschirme hergestellt werden.

Außer Bambus, Papier, Öl und Holz benutzten die Manifakturen in Changsha noch mit Haare geflochtene Seil sowie Ochsenhorn als Rohmaterial.

1864 ging ein Meister aus Changsha nach Wuhan, die Hauptstadt des Provinzes Hubei und errichtete dort ein Werkstatt. Zu seine Hochzeit verkaufte er monatlich 700 Schirme.[10] Die Produkte aus dem Werkstatt war von hoher Qualität, sie konnten im Schnitt acht bis zwölf Jahre überdauern, und war von der Lokalbevölkerung sehr beliebt. Damals war es auch Sitte, dass man bei Hochzeit zwei Schirme von dem Werkstatt kaufte, wobei der Bräutigam ein roter und die Braut ein blauer Schirm trugen.[11] 1970 wurde der Werkstatt geschlossen, seitdem ist die Kunst der Schirmherstellung in Wuhan ausgestorben.

Fuzhou, Fujian

Das Verfahren der Ölpapierschirmherstellung in Fuzhou, Hauptstadt des Provinzes Fujian, wurde während der Zeit der Fünf Dynastien und Zehn Königreiche durch Kriegsflüchtlinge aus Zhejian und Yangtse-Lauf mitgebracht. Früher spielten die Ölpapierschirme im lokalen Leben eine wichtige Rolle. Man nannte sie "Der Schirm im Gepäck" (包袱傘), was bedeutet, dass wenn man eine Reise macht immer ein Schirm mitnimmt, wie das Gepäck. Zum Ende der Qing-Dynastie gab es in der Stadt über 300 Werkstätten.[12]

Die Herstellung des Ölpapierschirms war extrem aufwendig, der gesamte Prozess beinhaltete 83 unterschiedlichen Schritten.[13] Auf der Weltausstellung von 1915 in San Francisco hatte die Juri festgestellt, dass die Ölpapierschirme aus Fuzhou nach 1170 maliges Aufspannung und zusammenfalten immer noch kein Gebrauchsspur hinterlässt, eine Windstärke bis zu 5 ohne sichtbares Schaden trotzen konnte und auch in kochendes Wasser das Papier nicht vom Skelett ablöste und matschich wurde.

Eine Besonderheit in Fuzhou war, dass bedingt durch die große Anzahl von Werkstätten, es zu Spezialisierung kam. So gab es Werkstätten, die nur die Skelett herstellten, oder nur die Halter, oder nur die Bemalung.

Während dem Großen Sprung nach vorn wurden die Werkstätten genötig, zu einem Generalfabrik zusammenzuschließen. Zugleich wurden die Konkurrenz von Schirm moderner Bauart stärker. Nach der Kulturrevolution setzten die mit Tuch bespannten Schirmen durch, die Ölpapierschirme wurden von einem Gebrauchsgegenstand immer mehr zu einem Kunstgegenstand, das Generalfabrik verlor immer mehr an Markt. Dagegen halfen auch Innovationen und Anlehnung an den moderneren Bauweisen nicht.[14]

1997 ging das Generalfabrik bankrott[15], danach gibt es in Fuzhou nur noch ein kleines Werkstatt, das hauptsächlich für japanisches Mark produziert.[16] Die meisten Handwerker mussten andere Arbeit suchen.

Neben Fuzhou gibt es in der Gemeinde Yangkou (洋口) der Stadt Nanping noch Ölpapierschirmmanufakturen. Um Konkurrenz zu meiden spezialisiert man hier auf kleinformatige Schirme, die nur als Kunstwerk oder Souvenir hergestellt werden. Ein großes Teil der Produktion ist für Export bestimmt.

Yinyang, Yunnan

Im Dorf Yinyang (滎陽), Landkreis Tengchong, Provinz Yunnan gibt es eine kleinformatiges, auf bäuerlichen Familienbetrieben füßende Ölpapierschirmherstellung, die bereits auf eine über 200 jährige Geschichte zurückblicken kann. 1952 gab es im Dorf noch 60 Familien mit 90 Handwerker, die Schirme herstellten, die Produkte wurden bis Myanmar verkauft.[17] Heute gibt es nur noch vier Familie mit fünf Handwerker (davon drei in hohem Alter), die noch Ölpapierschirme während der landwirtschaftlichen Ruhezeit herstellen.[18]

Ein Handwerker braucht im Schnitt pro Schirm etwa ein halber Tag.[19]

Referenzen

  1. Ölpapierschirme in der Tradition der Hakka-Kultur (Chinesisch)
  2. Chinese National Geographics, 2007, No.3 (Chinesisch)
  3. Das immaterielle Kulturerbe Yuhangs (Chinesisch)
  4. [1] (Chinesisch)
  5. [2] (Chinesisch)
  6. Die Ölpapierschirmherstellungstechnik in Luzhou kann verloren gehen (Chinesisch)
  7. [3] (Chinesisch)
  8. Schirm aus Jialu (Chinesisch)
  9. [4] (Chinesisch)
  10. [5] (Chinesisch)
  11. Geschichte der Hanzheng Straße (Chinesisch)
  12. Papierschirm aus Fuzhou (Chinesisch)
  13. Ölpapierschirm aus Fuzhou (Chinesisch)
  14. Wo ist der Frühling des Fuzhou Ölpapierschirms? (Chinesisch)
  15. [6] (Chinesisch)
  16. Der letzte Bewahrer (Chinesisch)
  17. Papierschirme aus Yinyang (Chinesisch)
  18. Tengchong (Chinesisch)
  19. Der letzte Schirmhersteller (Chinesisch)